Als Grundschüler der Deutschen Auslandsschule in Addis Abeba hatte ich mit meiner Familie Sansibar besucht. Meine Erinnerung daran war immer vom Türkis des Indischen Ozeans, dem Geruch feucht-tropischer Hitze und einem Hauch von Paradies bestimmt. Acht Jahre später führte mich die Frage, was der Klimawandel für dieses Paradies bedeutet, für drei Wochen dorthin zurück. Für meine Jahresarbeit habe ich versucht, den Diskurs über die Folgen des Klimawandels zu verstehen. Vor Ort habe ich eigene Beobachtungen gemacht, mit Menschen unterschiedlicher lokaler Funktionen Interviews geführt und sie mit der offiziellen Klimastrategie Sansibars verglichen.
Klimawandel bedroht einzigartige Ökosysteme
Seit die Weltbevölkerung in großem Ausmaß Kohle, Öl und Gas verbrennt und Wälder abholzt, ist die Durchschnittstemperatur auf der Erde um 1,2 Grad Celsius gestiegen, erdgeschichtlich eine Veränderung im Zeitraffer. Der durch eine erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre hervorgerufene Anstieg der globalen Mitteltemperatur ist das Kernproblem des Klimawandels. Der Klimawandel wird zuerst in seinen Auswirkungen auf einzigartige Ökosysteme spürbar: Sansibars Korallenriffe und maritime Vegetation reagieren stark auf geringfügige Änderungen von Wassertemperatur, Meeresspiegel oder Salzgehalt des Meeres.
Korallenriffe
Um das tropische Sansibar, wo die Wassertemperatur nur selten 20 Grad Celsius unterschreitet, wachsen riffbildende Korallen, eine Ansammlung von Nesseltieren. Die zahlreichen Einzeltiere, die Polypen, scheiden Kalk ab und bilden Korallenriffe, die größten von Lebewesen geschaffenen Strukturen der Erde. Korallenriffe sind Nahrungsquelle und Rückzugsort für Fische. Polypen leben mit einzelligen Algen in enger Symbiose. Algen wachsen auf dem Korallenskelett und geben der Koralle erst die äußere Erscheinung einer Pflanze. Schon ein geringer Anstieg der Wassertemperatur stört das Zusammenleben von Koralle und Alge massiv. Die Polypen stoßen ihre für ihr eigenes Überleben unentbehrlichen Partner, die Algen, ab, äußerlich erkennbar am Farbverlust (Bleiche). Zwei Grad Anstieg der globalen Mitteltemperatur bedeuten zu 99 Prozent zerstörte Korallenriffe. Korallen werden zudem durch starke Stürme und Übersäuerung der Ozeane, zivilisationsbedingte Wasserverschmutzung und Überfischung gestört.
Seaweed
Seaweed bezeichnet verschiedenste Formen von Meerwasseralgen, die am Meeresboden in küstennahem Flachwasser wachsen und Lebensraum für Meerestiere bilden. Seaweed macht einen wichtigen Teil der CO2-Speicherkapazität naturnaher Küstenökosysteme aus. Auf Sansibar ist die behutsame Ernte von Seetang traditionelle Praxis. Seaweedarten haben Bedeutung als vegetarisches Nahrungsmittel, Nährstoff- und Geschmacksanreicherung, essbare Verpackung sowie Geliermittel. Seaweed wird als Dünger und Viehfutter sowie als Arznei für Wundbehandlung und Mundhygiene genutzt. Seaweedfarming beschäftigt etwa 18.000 Seegrasbäuer:innen auf Sansibar und ist wichtiger Bestandteil der Wirtschaftszweige mit direktem Bezug zu maritimen Ökosystemen, die zusammen etwa 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Seaweedkulturen werden sowohl durch Meereserwärmung als auch von veränderten Lichteinstrahlungen durch steigende Pegel und in Folge von Extremwetterereignissen in Mitleidenschaft gezogen.
Mangroven
Die Mangroven Sansibars zählen zu den artenreichsten entlang der indopazifischen Küsten. Die salztoleranten Mangrovenbäume bilden ein an die Bedingungen im Gezeitenbereich der Küsten besonders angepasstes Ökosystem, das in hohem Maße atmosphärisches CO2 binden kann. Weil sie gegenüber einem Temperatur- sowie einem Meerspiegelanstieg anpassungsfähig sind, kommt Mangroven eine besondere Bedeutung bei der Eindämmung von Klimawandelfolgen zu. Mangroven bilden einen wirksamen natürlichen Schutz des Küstenbereiches vor Starkwind und Flutwellen und tragen zum Schutz des Grundwassers vor Versalzung im Küstenbereich bei. Dennoch wurden sie für landwirtschaftliche und touristische Nutzungen stark zurückgedrängt.
Extremwetterereignisse
Tropenstürme trafen Sansibar zwar schon immer, Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen, wie Sturm und Starkregen in der Regenzeit sowie damit einhergehende Überschwemmungen, haben jedoch zugenommen. Die ausgewerteten Daten aus Langzeitmessungen deuten auf häufigere Stürme mit Starkregen während der Regenzeit hin. Insgesamt haben die Regentage im Jahr aber abgenommen; sie konzentrieren sich mit etwa gleich viel jährlichem Niederschlag auf weniger Tage mit heftigeren Regenereignissen. Überschwemmung und Erosion der Böden führen zu Ernteverlusten, werden aber auch zur Gefahr für Leib und Leben der Menschen und verursachen materielle Schäden an Infrastruktur und Siedlungsstrukturen. Die Unregelmäßigkeit der Regenzeiten führt dazu, dass viele Bäuer:innen ihr traditionelles Wissen über jahreszeitliche Pflanz- und Erntezeiten an die veränderten Bedingungen nicht schnell genug anpassen können. Sie weichen zum Ausgleich verstärkt auf importierten, teuren Kunstdünger aus, mit der Folge, dass die Böden schnell auslaugen.
Maßnahmen
Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel umfassen verstärkten Schutz und eine nachhaltigere Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen sowie Investitionen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen Klimawandelfolgen. Sansibar hat erste Schritte zur Ausweisung begrenzter Meeresschutzgebiete und Umsetzung von Erhaltungsstrategien ergriffen. Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen konkurrieren mit Investitionen in die Grundversorgung der Bevölkerung und allgemeine Entwicklung. Staatliche Aufwendungen zur Behebung von Extremwetterschäden gehen zu Lasten längerfristig geplanter Ausgaben für Schutzmaßnahmen. Die Verwaltung lässt private Initiativprojekte für Klimaschutz und Klimaresilienz zu. Die systematische Verbreitung erfolgreicher Initiativen (etwa der Korallenriffschutz auf Chumbe Island oder Permakulturprojekte) wird hingegen nicht konsequent verfolgt. Gründe hierfür sind, neben fehlenden finanziellen Mitteln, Widerstände anderer Interessengruppen beziehungsweise mangelnde Überzeugung, diesen entgegenzuwirken. Ziel neuerer gesetzgeberischer Impulse der Regierung ist jedoch auch, Sansibar für Investor:innen attraktiv zu machen – oft unter Verzicht auf die Einhaltung von Natur- und Klimaschutzzielen. Ein extremes Beispiel sind die Planungen für ein 70-stöckiges Luxushotel auf einer im Ozean aufgeschütteten Insel vor der Küste des UNESCO-Weltkulturerbes Stone Town.
Ausblick
Die Regierung Sansibars zeigte in ihrer Klimaschutzstrategie, dass sie eigentlich sehr gut über Risiken des Klimawandels Bescheid weiß. Konkret umsetzbar und vielversprechend sind für Sansibar vor allem Projekte, die verstärkt auf Umweltbildung in Schulen setzen, und das Umweltbewusstsein der lokalen Bevölkerung erhöhen. Kann es beispielsweise der Waldorfschule auf Sansibar gelingen, Umwelterziehung in ihre Lehrpläne zu integrieren und dabei etwa auch von der Städtepartnerschaft mit Potsdam unterstützt zu werden? Um bereits heute die Kosten der Bewältigung von Klimawandelfolgen zu stemmen und zu einem Akteur aktiven Klimaschutzes zu werden, ist Sansibar auf die Unterstützung der Profiteure der Industrialisierung und gleichzeitigen Hauptverursacher der Klimakrise angewiesen. Wenn die Industrieländer beziehungsweise deren staatliche wie private Akteur:innen dieser Verantwortung nicht gerecht werden, kann man davon sprechen, dass Sansibar noch heute kolonialisiert ist. Weil ich zur Zeit der Reise 16 Jahre alt war, hat mich mein Vater nach Sansibar begleitet. Es war mir wichtig, meine Fragen zur fortschreitenden Klimakrise an Inselbewohner:innen zu stellen. Jede Interaktion mit den Menschen auf Sansibar war herzlich und berührend. Gleichzeitig bin ich ratlos, wie die Lebensbedingungen der Menschen verbessert werden können. Mich hat es inspiriert, mit Lehrer Mussa der Zanzibar Steiner School und Ulrike Kloiber vom Chumbe Island Projekt zu diskutieren, wie es gelingen kann, Erziehung und Umweltthematik stärker zu verknüpfen. Ich plane, auch ein drittes Mal nach Sansibar zu reisen und mich in konkrete Projektarbeit für Klimaschutz einzubringen.
Eine längere Fassung des Artikels ist einsehbar unter: waldorfschule-potsdam.de
Kommentare
Heute, den 9.Juni 2023, habe ich eine Folge von Traumschiff gesehen, gedreht auf Sansibar. Es wird der Eindruck vermittelt, als ob die Klimakrise dort nicht stattfinden würde, ich konnte nicht ermitteln, von wann diese Aufnahmen sind. Allen Klimakrisen Leugnern, Zweiflern und Verdrängern sind solche angeblichen "Jetzt-Aufnahmen" Öl ins Feuer, man kann ruhig weitermachen wie bisher. Genau wie die meisten Dokus über Länder, in die man als nicht besonders Begüterter nicht reisen kann um sich selbst ein Bild zu machen. Fake, shame, schlimm.
B.Schmidt, München
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