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Kommunikation – Die Grundlage für Gewaltlosigkeit

Susann Wartmann

Bevor ich meine Arbeit an der Waldorfschule begann, hatte ich keine Berührungspunkte mit Waldorfschulen. Im Laufe meiner Tätigkeit dort fiel mir auf, dass die Kommunikation zwischen den Erwachsenen problematisch verlief. An dieser Stelle sollte ich daraufhin weisen, dass mein Start im Oktober 2020 pandemiebedingt weniger aus persönlichen natürlichen Begegnungen in Präsenz mit dem Kollegium bestand, als vielmehr aus Online-Konferenzen. Hierbei beobachtete ich ein Phänomen, dass die Kommunikation dann ungünstig verlief, wenn es um unterschiedliche Meinungen ging. Es diskutierten dann einige Wenige monologartig und viele schwiegen, auch wenn sie nicht der gleichen Meinung waren. Zudem verstand ich es bei einigen Diskussionen nicht, dass Themenpunkte ergebnisoffen und somit teils unbearbeitet blieben. Meine Erklärungsversuche reichten von Angst vor kontroversen Meinungsdiskursen, festgefahrenen Kulturen des Miteinanders, welche die jüngeren Kolleg:innen nicht angreifen wollen, bis hin zu anteiliger Resignation bei einem Teil des Kollegiums. Wahrscheinlich spielen diese, aber sicherlich noch weitere, teils auch individuelle Gründe eine Rolle, warum die Kommunikation partiell ungünstig verläuft.

Eine gute Zusammenarbeit braucht eine angemessene Kritikkultur. Und hier kann Schulsozialarbeit einen Beitrag leisten. Eine gute Kommunikationskultur beinhaltet sowohl, Kritik angemessen zu äußern, aber eben auch diese zu erhalten und auszuhalten. Eine Gesprächskultur also, bei dem angstfrei Meinungsdifferenzen ausgetauscht werden können, Tabuthemen ebenso benannt werden dürfen, Kritik als konstruktiv, statt als persönliche Zurückweisung oder Abwertung verstanden wird. Es sollte eine Kultur angestrebt werden, in der selbst-reflektiv Unsicherheiten ernstgenommen und teils auch im Dialog überwunden werden können.

Wichtige Voraussetzung der Beziehungsarbeit

Ob als Lehrkraft oder als Schulsozialarbeiter:in: An einer Waldorfschule steht das Kind im Zentrum des Arbeitsalltags. Für eine gelingende Zusammenarbeit innerhalb des Kollegiums, aber auch mit den Schüler:innen, ist Kommunikation das wichtigste Mittel.

Moderne pädagogische Haltungen, wie die der Neuen Autorität, setzen den Fokus auf die Beziehungsarbeit. Demnach ist eine positive Beziehung eine wichtige Voraussetzung, um Heranwachsende bestmöglich zu fördern und zu begleiten.

Um eben auf eine solche Beziehungsebene zu gelangen, bedarf es vor allem einer guten Kommunikation. Und diese sollte im Schulkontext nicht nur bezogen auf die Schüler:innen bestehen, sondern sollte sich auch auf der Erwachsenenebene wiederfinden. Das gilt besonders an Waldorfschulen, welche in enger Zusammenarbeit mit Elternschaft funktionieren wollen.

Überwindung von herausforderndem Verhalten

Nur durch Kommunikation, also dem In-Kontakt-Bleiben durch den Dialog mit den einzelnen Schüler:innen, lässt sich die Gefahr der Unterstellung und des vorschnellen Pathologisierens vermeiden. Das Risiko, sich zu schnell ein Urteil über ein bestimmtes Verhalten zu bilden oder gar abzustempeln, kann überwunden werden, indem mit den jeweiligen Schüler:innen ins Gespräch gegangen wird, um gemeinsam nach Lösungsstrategien zu suchen. Meist stehen hinter Auffälligkeiten mangelnde Bedürfnisbefriedigungen. Diese können in einem gemeinsamen Gespräch ergründet und im besten Falle überwunden werden.

Nicht nur, dass in solchen Fällen den Schüler:innen aus Misslagen herausgeholfen werden kann, es wird darüber hinaus durch gelingende Kommunikation ein wichtiger Aspekt der Resilienzbildung angesprochen. So können Schüler:innen die Erfahrung machen, durch Kommunikation eigene Krisen zu überwinden. Dadurch verfügen sie über eine weitere Strategie zur Stressbewältigung: die der Selbstwirksamkeit. Und genau hier liegt der Kern, warum günstige Kommunikationsstrukturen ein wichtiger Teil der Gewaltprävention sind.

Gewaltprävention

Im Sinn des Konzeptes der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall B. Rosenberg lässt sich gewaltfreie Kommunikation als vorurteils-, sowie wertfrei verstehen. Kritik wird demnach als konstruktiver Beitrag formuliert und Rückmeldungen stufenartig in Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte ausgeführt. Stets mit dem Ziel, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Die Auseinandersetzung mit präventiven Maßnahmen und pädagogischen Methoden sind unverzichtbar, um das Wohl der Schüler:innen zu sichern. Und um es noch deutlicher zu formulieren: Es braucht diese Auseinandersetzungen, um potenziellen Missbrauchsfällen entgegenzuwirken, auf übergriffige Vorfälle wirkungsvoll, aber angemessen sensibel zu reagieren, sowie ungünstige Strukturen von Gefährdungen überhaupt zu erkennen.

Hier ist die gewaltfreie Kommunikation nur ein Beitrag, aber eben ein wesentlicher.

Was kann Schulsozialarbeit leisten?

Der allgemeine Lehrkräftemangel lässt sich leider auch an den Waldorfschulen erkennen. Dieser führt auch hier immer mehr zu überlasteten Lehrpersonen, die den Bedürfnissen der Schulgemeinschaft nur schwer gerecht werden. Gleichzeitig wird der Gedanke, dass Schulsozialarbeit nur in sogenannten Brennpunktschulen benötigt wird, glücklicherweise immer seltener. Schulsozialarbeit versucht, diesem wachsenden Mangel entgegenzuwirken. Zur Kommunikation zählt nicht nur der reine Dialog an sich, sondern auch die Kritikkultur und somit auch der Bereich der Konfliktbearbeitung. Konflikte treten unweigerlich überall dort auf, wo verschiedene Interessensgruppen aufeinandertreffen. Damit diese Konflikte jedoch konstruktiv verlaufen und nicht nur schlicht beendet werden, sondern im besten Falle die Konflikterfahrungen zur Stärkung der Beziehungsfähigkeit und Charakterbildung transformiert werden können, empfiehlt sich die Aufarbeitung mithilfe von sozialpädagogischen Methoden.

Es gibt viele Instrumente, die eine gelingende Kommunikationskultur möglich machen. Dazu gehören die Intervision, gut geführte Krisengespräche sowie weitere Methoden der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit. Die Fachkräfte können das Kollegium dabei unterstützen, transparente Verfahrenswege zu vereinbaren, einen Verhaltenscodex zu erarbeiten, sowie über ein gemeinsames Leitbild zu reflektieren. So würde beispielsweise für alle Beteiligten der Schulgemeinschaft klarer werden, in welchem Fall, welche Ansprechstellen zur Verfügung stehen. Die Erstellung und Einführung von Schutzkonzepten wurde ebenfalls an den Freien Waldorfschulen, die bereits mit Schulsozialarbeit ausgestattet sind, durch die jeweiligen Fachkräfte ausgeführt.

Das Feld der Kommunikation ist ein komplexes. Es bleibt die Unwägbarkeit, sich auf neue Methoden einzulassen und sich für Externes zu öffnen. Denn nur so kann es gelingen, sich auf eine neue Generation von Kindern einzulassen, die neue Antworten braucht.

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