Krieg der Götter. Die geheime Botschaft in »Star Wars«

Ingo Hoppe

Wer das Erfolgsgeheimnis der Weltraum-Saga entschlüsseln will, muss sich wie ihr Schöpfer George Lucas mit Mythologie befassen, sagen Experten; denn Einfluss auf sein Filmschaffen hatte vor allem Joseph Campbell, ein bedeutender Mythologe des 20. Jahrhunderts. Weniger bekannt ist, das auch Rudolf Steiners Anthroposophie Einfluss auf die Gestaltung von Star Wars gehabt haben könnte, wie neuere Enthüllungen nahelegen.

Anthroposophie in Star Wars

Zeugenaussagen zufolge pflegten George Lucas und einige nahstehende Kollegen zeitweise ernstliche Kontakte zur Waldorfschul-Bewegung und Anthroposophie. 1977 unterstützten sie die Highland Hall Waldorf School in Northridge mit einer Benefiz-Voraufführung des ersten Star Wars-Films Krieg der Sterne sowie 1978 die Marin Waldorf School durch mehrere Star Wars-Konzerte. Lucas selbst besuchte, laut Bericht einer Teilnehmerin, in den 1980er Jahren den sogenannten »Raphael-Kreis« und beteiligte sich kenntnisreich an der Diskussion anthroposophischer Themen. Gemäß Aussagen des Waldorfpädagogen Douglas Gabriel wurde das Drehbuch der ersten drei Filme (Episoden IV – VI) in den 1970er Jahren ganz bewusst mittels der Anthroposophie gestaltet; dies u.a. im Rahmen eines dreitägigen Thinktanks auf Einladung von Marcia Lucas, der damaligen Frau von George Lucas. Sie spielte eine bislang unterschätzte Rolle bei der Produktion der ersten Star Wars-Filme, wie biographische Studien zeigen. Gabriel zufolge hatte der bekannte Anthroposoph Werner Glas (1929-1991) den Thinktank arrangiert (was kürzlich seine Tochter Fiona Glas bestätigte) und mit den Worten eingeleitet: »Marcia ist vertraut mit der Anthroposophie und der Arbeit Rudolf Steiners und braucht unsere Hilfe für die Gestaltung des Drehbuchs.« Und sie hatte ergänzt, das Kino solle dazu benutzt werden, »dem Publikum wichtige Botschaften zu vermitteln und eine spirituelle Geschichte zu erzählen, die eine gute Grundlage in der Wahrheit hat«.

Dass es dabei vor allem um Anthroposophie geht, hat man bisher weitgehend übersehen. Nur die NZZ schrieb 2015: Um der »höheren, kosmischen Kraft« in Star Wars teilhaftig zu werden »bedarf es der Disziplin und Anthroposophie, wie sie nur ein kleiner Orden mustergültig verkörpert: die Jedi-Ritter«. Auch der Schriftsteller Frank Linde entdeckte 1994 Bezüge zwischen Star Wars und Anthroposophie.

Der Mythos unserer Zeit

Es würde ein dickes Buch füllen, im Detail zu belegen, inwiefern Steiners spiritueller Kosmos in Lucas‘ virtuellem Weltraumdrama enthalten ist. Einige Philosophen sind schon auf einer heißen Spur. Sie bezeichnen Star Wars als den »Mythos unserer Zeit« (Philosophie Magazin 11/2015). In Form moderner mythologischer Bilder werde hier das Drama der Gegenwart auf die Leinwand projiziert. Es handelt sich folglich nicht um die bloße Reproduktion alter Mythen, sondern um die Schöpfung eines neuen Mythos. Das passt insofern zur Anthroposophie, als auch sie eine zeitgemäße Wiedergeburt mythologischer Kultur (auf wissenschaftlichem Niveau) sein will. Sie schuf mit Mythen vergleichbare Werke wie die Mysteriendramen, zu denen Star Wars etliche Parallelen zeigt, wenn man die unterschiedlichen Bilderwelten adäquat zu übersetzen versteht. Ähnlich wie alte Mythen beschreibt auch die Anthroposophie das äußere Geschehen als Ausdruck des Wirkens geistiger Wesen und verwendet für tiefergehende Zusammenhänge eine imaginative Bildersprache. Wie antike Mythen versteht auch sie Planetennamen wie Jupiter, Venus oder Saturn zugleich als Namen für Götter. Mythologisch betrachtet bedeutet demnach »Krieg der Sterne« (Star Wars) dasselbe wie »Krieg der Götter«. Götter kämpfen gegeneinander, nicht Sterne als solche, die nur deren Wohnstätten sind. In Star Wars sind es übermenschliche Fantasy-Wesen wie Jabba the Hutt auf dem heißen Wüstenplaneten »Tatooine« oder dessen Gegenpol Darth Vader auf dem kalten Maschinenplaneten »Todesstern«.

»Darth Vader ist ein Wesen, das wir in der Anthroposophie Ahriman nennen«, erklärt Gabriel. Die Parallelen sind tatsächlich frappierend. Entsprechend kann Jabba mit dem »Luzifer« der Anthroposophie identifiziert werden, der den Gegenpol zu Ahriman bildet.

Diese Polarität des Bösen (repräsentiert durch Jabba und Vader) stimmt bis in viele Details mit Steiners Charakterisierungen von Luzifer und Ahriman überein. Jabba ist weich, aufgedunsen, fett. Vader hingegen hart und sklerotisch. Jabba frönt sinnlichen Lüsten, haust in einer schmuddeligen Lasterhöhle und lacht auch gerne mal schallend. Der Kontrollfreak Vader hingegen kennt keinen Spaß. Pedantisch und freudlos beherrscht er einen blitzblanken Maschinenplaneten, der Angst und Schrecken im Universum verbreitet.

Schwert und Mönchskutte

Zentrales Bemühen des Heros angesichts dieser Polarität ist das Ringen um Gleichgewicht zwischen den luziferischen und ahrimanischen Mächten. In den ersten Star Wars-Filmen ist es vor allem der werdende Jedi-Ritter Luke Skywalker, der dieses Ringen repräsentiert. Er ist weder kalt und berechnend wie Vader, noch genusssüchtig wie Jabba. Das hier zum Ausdruck kommende mittlere Prinzip nannte Steiner den »Menschheitsrepräsentanten« oder »Christus«. Auf dem christlichen Schulungsweg sind beide Einseitigkeiten zum Ausgleich zu bringen. Im Film kommt dies zum Ausdruck, indem Luke sowohl Jabba wie Vader entgegentritt.

Zwei Kämpfe, die jedoch nicht mit denselben Waffen geführt werden können: »Es gibt nur eine Macht«, sagt Steiner, »vor der sich Luzifer zurückzieht: Das ist die Moralität. Das ist etwas, was den Luzifer brennt wie das furchtbarste Feuer.

Und es gibt kein anderes Mittel, welches dem Ahriman entgegenwirkt, als an der Geisteswissenschaft geschulte Urteilskraft und Unterscheidungsvermögen« (GA 120).

Star Wars bringt diese Doppelheit sinnbildlich zum Ausdruck: In Jabbas Lasterhöhle erscheint Luke im Mönchs­gewand, einem Symbol für Moralität. Gegen Darth Vader hingegen kämpft er mit dem Lichtschwert, einem Sinnbild für klares Denken. Wie der messerscharfe Verstand scheidet es richtige von falschen Begriffen und erhellt wie das »Licht der Vernunft« die Finsternis Ahrimans.

Entsprechend kämpft die Geistesschülerin Maria in Steiners Mysteriendramen mit dem Lichtschwert gegen Ahriman: »Es gibt nur ein Gebiet im Geisterland, / In dem das Schwert geschmiedet werden kann, / Vor dessen Anblick du verschwinden musst. / Es ist das Reich, in dem die Menschenseelen / Sich aus Verstandeskräften Wissen bilden / Und dann zur Geistesweisheit umgestalten. / Und kann ich mir in diesem Augenblicke richtig / Das Wahrheitswort zum Schwerte schmieden, / So wirst du diesen Ort verlassen müssen« (GA 14).

Jedi-Ritter und Michaeliten

Das zuversichtliche Motiv des Lichtschwerts in Star Wars stammt nach Aussagen Gabriels aus der Anthroposophie. Es ist in Waldorfkreisen seit jeher bekannt. Zu Michaeli bringen Kinder Schulhefte mit dem »Flammenschwert« Ritter Georgs heim. In dem sogenannten »Jahreszeitenbuch« der Waldorfschulen trägt ein Märchen sogar explizit den Titel »Das Lichtschwert«. Waldorfpädagogen haben es nach Motiven alter Michaelslegenden gedichtet. Es schildert, wie ein Ritter mit Hilfe eines Flammenschwerts, das ihm Erzengel Michael leiht, einen Drachen besiegt. In Star Wars heißen diejenigen, die mit dem Flammenschwert gegen »Darth-Ahriman« kämpfen, »Jedi-Ritter«. Steiner nannte sie »Michaeliten«: Menschen mit einer Affinität zu selbstständiger Urteilskraft. Der Kampf der Michaeliten gegen Ahriman, den Star Wars thematisiert, entspricht aus anthroposophischer Sicht ziemlich genau dem, was heute geschieht: Machtpolitik, Manipulation, Materialismus und maßlose Maschinisierung sind Facetten Ahrimans, dem sich die Michaeliten entgegenstellen.

Die Wurzeln des Lichtschwert-Motivs reichen bis in die keltische Mythologie. Die Anthroposophie misst ihr große Bedeutung zu, da sie in innigem Zusammenhang zum eso­terischen Christentum steht. Das erklärt Anklänge von Star Wars an das Keltentum: etwa der Jedi-Tempel in Star Wars VIII oder der Name »Luke«, der auffallend einer zentralen Heldengestalt der keltischen Mythologie namens »Lugh« gleicht. Auch Lugh bekommt, ähnlich wie Luke, von seinem Meister ein Lichtschwert geschenkt.

Auf dem Weg zum Maschinenplaneten

Die Hauptwaffe Darth Vaders in Star Wars ist der sogenannte »Todesstern«, ein riesiger Maschinenplanet, der ganze Planeten zerstört. Nicht umsonst hat Greenpeace ihn bei Aktionen gegen den Raubbau an der Natur als Symbol benutzt. Er symbolisiert die letzte Konsequenz einer Gesellschaftsentwicklung, die alles maschinisieren will. Gesteuert wird diese Entwicklung vom Unterbewusstsein: Ahrimanische Wesen »stürmen ins Unbewusste des Menschen herein«, erklärte Steiner, »sie sind dasjenige Geschlecht unter den geistigen Wesenheiten, die dem Menschen beibringen wollen ein besonderes Interesse für alles Mineralisch-Materielle … zum Beispiel Äußerlich-Maschinelles, Mechanisches« (GA 203). Sie »möchten, daß die Tierwelt verschwinde, daß die physische Menschenwelt verschwinde, die Pflanzenwelt verschwinde, daß vom Mineralreich nur die physischen Gesetze bleiben … und einen neuen Saturn aus lauter Maschinen möchten sie bilden, eine neue Welt aus lauter Maschinen. So soll die Welt dann weitergehen« (GA 203).

Wer diesen »neuen Saturn aus lauter Maschinen« visualisiert sehen möchte, kann das in Star Wars. »Todesstern« wird er dort genannt. Schon im Mittelalter galt Saturn als »Gott des Todes«, was aus mythologischer Sicht, wie gesagt, als »Stern des Todes« oder »Todesstern« übersetzt werden kann. »Das ist kein Mond, das ist eine Raumstation«, ruft der Jedi-Ritter Obi-Wan Kenobi, während sein Raumschiff von dem magnetischen Fangstrahl des Todessterns erfasst wird. Was folgt, ist die Befreiung von Prinzessin Leia aus den Fangarmen des Maschinengottes. Sie symbolisiert die kosmische Weisheit Michaels, die Ahriman an sich reißen will. Gebannt zittert das Kinopublikum mit den Jedi-Rittern im Lichtschwertkampf gegen Darth Vader und ist sichtlich erleichtert, als der Todesstern endlich zerstiebt. In der Wirklichkeit jedoch tobt weiterhin der ungestüme High-Tech-Enthusiasmus unserer Zeit.

Surrogat für Mysterienkultur

Die Visualisierung solcher – und vieler anderer – anthroposophischer Inhalte in Star Wars weckt die Frage nach der spirituellen Bedeutung dieses Zeitphänomens. Offensichtlich existiert ein starkes unbewusstes Interesse an spirituellen Inhalten und neuen mythologischen Imaginationen. Steiner betrachtete den Aufbau einer modernen Mythen- und Mysterienkultur als Zeitforderung. Stattdessen wurde die äußere Zivilisation immer materialistischer, öder und phantasieloser. Angesichts dessen bleibt vielen Menschen kaum anderes übrig, als in virtuelle Fantasy-Welten zu flüchten, die überall – und keineswegs nur in Star Wars – voll versteckter Mysteriensymbole sind, oft vermischt mit Gewalt- und Kriegsverherrlichung.
Doch wo sonst kann der Durst nach bildhafter Spiritualität gestillt werden? In der Anthroposophie wäre es möglich, sofern es ihr gelingt, echte Mysterienkultur zu verwirklichen. Wo nicht, werden keine noch so plausiblen Vernunftgründe die Massen davon abhalten, ihre zwar unterhaltsame, aber gefährliche Reise in virtuelle Abgründe fortzusetzen.

Zum Autor: Ingo Hoppe ist freier Journalist und Buchautor. Er hält auf Anfrage Vorträge. Kontakt: ingo.hoppe@zeitpunkt.ch

Überarbeiteter Beitrag aus www.zeitpunkt.ch

wetbin.com
www.cosmicconvergence.org

Literatur: G. Charren: Leserbrief, Info 3/11/1999
R. Steiner: Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen, (GA 132), Dornach 1987
R. Steiner: Die Offenbarung des Karma, (GA 120), Dornach 1975
R. Steiner: Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwicklung (GA 203), Dornach 1989