In ganz Deutschland steht in der Fläche der Generationenwechsel an, gleichzeitig nimmt der Konkurrenzdruck zu, denn Lehrer:innen werden im ganzen Land und in allen Schulformen benötigt. Die Idee einer bundesweiten Kampagne zur Gewinnung von Waldorflehrkräften entwickelte sich im Laufe des Jahres 2020 und nahm 2021 Gestalt an.
Dass wir kurz nach unserem optimistisch stimmenden Jubiläumsjahr 2019 noch ein Imageproblem bekamen, musste mit berücksichtigt werden. Wir, die Mitarbeiterinnen der Öffentlichkeitsarbeit und Mitglieder des Vorstands, haben in verschiedenen Klausur- und Arbeitsterminen mit kompetenter Hilfe von außen ein sogenanntes Creative Briefing erarbeitet, die Grundlage für die Suche nach einer Full-Service-Agentur. Als Kerngruppe übernahmen Miriam Rönn (Öffentlichkeitsarbeit), Hans Hutzel (Vorstand) und ich in meiner Funktion als Vorstand und für die Öffentlichkeitsarbeit die Verantwortung für die Planung der Kampagne.
Im Briefing waren die Eckpunkte der Kampagne bereits erfasst: Wen wollen wir mit welchen Botschaften erreichen, was ist unsere Kernbotschaft und ist diese nach innen und außen glaubwürdig?
Rasch wurde klar, dass eine Kampagne nach außen nur ein Teil des Gesamtprojektes ist. Fast noch wichtiger als Plakate, Flyer oder Instagram-Storys ist es, die Menschen innerhalb unserer Schulen, Seminare und Landesarbeitsgemeinschaften für eine solche Kampagne zu mobilisieren. Und sie aktiv einzubinden in die Planung und Strategie.
Analyse der Zielgruppe
Zum Winter 2021 haben wir eine interessierte und mit ihren Werten zu uns passende Berliner Agentur, Nordsonne Identity, gefunden. Ihre erste Aufgabe: Analyse der Zielgruppe. Dafür fanden drei sogenannte Persona-Workshops statt. Wir luden junge und ältere Kolleg:innen sowie Studierende und Lehrkräfte an staatlichen Schulen, dazu Dozierende als Vertreter:innen aus den unterschiedlichen Zielgruppensegmenten, ein. Sie entwickelten dann sogenannte Personas, also Typen von Menschen, die an Waldorfschulen arbeiten oder arbeiten könnten, und zwar mit Hilfe von gewollten Zuspitzungen beziehungsweise Klischees. Sie unterschieden sich hinsichtlich Alter, Milieu und Vorkenntnissen sowie Lebenszielen. Aus diesen Personas trafen wir in der Kerngruppe eine Auswahl und verabredeten uns anschließend wieder mit verschiedenen Teilnehmer:innen der Workshops, um die Wünsche und Vorstellungen der drei gewählten Personas mit den tatsächlichen Angeboten, die ihnen der Beruf Waldorflehrer:in machen kann, abzugleichen (in der Werbefachsprache nennt man das matchen).
Wesenskern der Waldorfschule definieren
Parallel dazu haben wir in zahlreichen Arbeitseinheiten, Klausuren und Gesprächen mit Vorständen, Dozent:innen, Lehrkräften, Studierenden und Eltern an der Frage gearbeitet, was für sie den Wesenskern von Waldorfschule ausmacht. Dabei haben wir uns Waldorfschule zunächst als Person vorgestellt: Woher kommt sie, was kann sie, was unterscheidet sie von anderen, wofür braucht man sie, wofür engagiert sie sich? Welche Werte und Prinzipien bestimmen ihr Handeln und letztlich: Wofür steht sie? Daraus entstand eine umfangreiche Matrix. Sie bildet die Grundlage der Kampagnenkonzeption und die Essenz des Imagefilms, der mit der Kampagne erscheinen wird.
Während dieser Artikel für die Erziehungskunst geschrieben wird, werden gerade das Wording und das Kampagnen-Design finalisiert. Außerdem finden Fotoshootings mit den Gesichtern der Kampagne, den sogenannten Testimonials, statt: alles Waldorflehrkräfte, die aus den unterschiedlichsten Regionen, Fachbereichen und sehr individuellen Hintergründen von der Motivation für ihren Beruf berichten. Wir in der Öffentlichkeitsarbeit erarbeiten parallel Konzepte, wie wir Schulen, Seminare und Landesarbeitsgemeinschaften bestmöglich für die Kommunikation der Kampagne in ihren jeweiligen Zusammenhängen unterstützen können. Dazu wurde in den vergangenen Monaten unter anderem mit Vertreter:innen der Einrichtungen, die dort mit der Öffentlichkeitsarbeit betraut sind, gearbeitet.
Eine bundesweite Kampagne ist das eine – das andere ist eine einfache Tatsache, die alle Kollegien im Bewusstsein haben müssen. Die Hauptzielgruppen der Kampagne sind vor Ort in den Schulen, man trifft sie auf dem Schulhof und beim Elternabend: Absolvent:innen, Praktikant:innen, Freiwilligendienstler:innen, Integrationshelfer:innen und, natürlich, die attraktivste Gruppe überhaupt: die Eltern!
Transparenz und Kooperation
Ziel aller Kampagnenmaßnahmen ist es, neugierig gewordene Menschen auf eine Website zu führen (waldorf-lehren.de), wo sie relevante Inhalte und Ansprechpartner:innen finden. Und natürlich sollen sie sich vor Ort in einer Waldorfeinrichtung erkundigen können. Dazu ist es notwendig, dass die Kampagne bei jeder und jedem bekannt ist. Natürlich auch, dass alle für alle mitdenken: Ruft ein:e Bewerber:in an einer Schule an und dort wird gerade keine Lehrkraft gesucht, dann muss es heißen: «Schauen Sie doch gerne bei der Nachbarschule, wenden Sie sich an das nächstgelegen Seminar, gehen Sie auf die Website waldorf-lehren.de». Dazu ist es nötig, dass Schule und Seminar einander kennen, dass sie wissen, an wen sie verweisen, und dass umliegende Waldorfschulen und Seminare über die Website der Schule gefunden werden! Außerdem sollten die in Kürze bereitgestellten Werbematerialien für die Kampagne bei allen Schulveranstaltungen ausliegen und aktiv an Eltern verteilt werden. Aktuell arbeiten wir außerdem an der Konzeption eines Leitfadens zu den Themen Mitarbeiter:innengewinnung, -verbindung und nicht zuletzt auch -trennung. Also ein Personalhandbuch vom Recruiting über das Onboarding bis hin zum Abschied.
Die Kernbotschaft lautet also nicht: «Oh je, wir haben Lehrer:innenmangel und alles ist so schwierig.» Sondern wir müssen mit positiven Botschaften umgehen: «Werden Sie Waldorflehrer:in, wenn Sie aktiv werden wollen für eine lebenswerte Zukunft, wenn Sie junge Menschen darauf bestmöglich vorbereiten wollen, wenn Sie sich selbst und die Jugendlichen als Individuen in einem kreativen und künstlerischen Umfeld und mit Wertschätzung entwickeln möchten und einen positiven Einfluss auf Natur und Mitmenschen anstoßen möchten.»
Detaillierte Übersicht über die Kampagnen-Entwicklung zum Nachlesen und Mitmachen: waldorf-zukunft.de
Kampagnen-Site / Landingpage: waldorf-lehren.de
Kontakt für Beiträge / Best Practice-Beispiele / Interesse an und Know-how für Mitarbeit am Personalhandbuch: auschra@waldorfschule.de
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