Ausgabe 11/23

Mehr Sichtbarkeit, mehr Regenbogen!

Heidi Käfer
Heidi Käfer

Erziehungskunst | Was macht ein:e LGBTIQ*-Beauftragte:r, worin liegen die Aufgaben?
Pascal Mennen | Hierfür gibt es noch kein festes Portfolio. Als ich LGBTIQ*-Ansprechperson war, habe ich Lehrkräfte mit Materialien für den Unterricht, für Fortbildungsangebote und die Einzelberatung versorgt. Außerdem habe ich eine Coming-Out-Beratung und eine Queer-AG angeboten.

EK | Wie kam es dazu, dass diese Rolle an Ihrer damaligen Schule geschaffen wurde?
PM | Als geoutete Lehrkraft sind immer wieder Schüler:innen auf mich zugekommen, denen Wissen fehlte und die Fragen hatten. Auch Kolleg:innen, die ein Outing in der Klasse hatten oder sexuelle und geschlechtliche Vielfalt thematisieren wollten, aber nicht wussten, wie sie damit umgehen sollen, haben sich an mich gewandt. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass persönlicher Beratungsbedarf bestand. Dafür war ich zu dem Zeitpunkt aber nicht qualifiziert. Schüler:innen dachten jahrelang, dass sie niemanden zu ihren Fragen oder einem geplanten Outing ansprechen können, weil das Angebot nicht offiziell und bekannt war. Durch die Benennung einer Ansprechperson für LGBTIQ*-Themen hat die Schulleiterin ein Zeichen gesetzt. Ich wurde auf der Homepage sichtbar und konnte Fortbildungen besuchen, zum Beispiel zur Coming-Out-Beratung.

EK | Worum geht es in der Queer-AG, was wird dort gemacht und an wen richtet sie sich?
PM | In der AG haben wir gemeinsam überlegt, wie wir Sichtbarkeit und Akzeptanz für LGBTIQ*-Themen erhöhen können. Am Internationalen Tag gegen Queerfeindlichkeit am 17. Mai haben wir beispielsweise die Regenbogenfahne auf dem Schuldach gehisst und Regenbogenmuffins mit Informationen zur örtlichen queeren Jugendgruppe verteilt. Außerdem haben wir Ausstellungen organisiert und Bücher mit queeren Inhalten für die Bibliothek angeschafft.

EK | Wie sehen Sie den (strukturellen) Umgang mit Queerness an anderen Waldorfschulen?
PM | Queere Themen werden an Schulen kaum angesprochen – ob in Waldorfschulen oder anderen Schulformen. Die Folge davon ist, und das belegen zahlreiche Studien, dass sich junge Menschen, die ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität hinterfragen, nicht gesehen fühlen. Sie glauben, abgelehnt zu werden, ziehen sich zurück und können so schlechter am Bildungsangebot der Schule partizipieren. Queere Jugendliche sind häufiger von Depressionen betroffen. Auch die Anzahl von Suiziden und Absentismus ist signifikant höher als die von nicht queeren Jugendlichen. Unsere Aufgabe als Lehrkräfte ist es aber, allen Schüler:innen Teilhabe zu ermöglichen. Wir müssen deshalb deutlich machen, dass wir den Jugendlichen offen gegenüberstehen, egal, welche sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität sie haben. Das geht am einfachsten und besten über eine positive Haltung, über das Vermitteln von Wissen und über das beiläufige und normale Miterwähnen von queeren Identitäten im eigenen Unterricht. Dafür gibt es gute Beispiele und Materialien für alle Fächer.

EK | Finden Sie Selbstverwaltung für den Aufbau einer Struktur, die LGBTIQ*-Themen und Lebenswelten unterstützt und sichtbar macht förderlich oder eher hinderlich?
PM | Wenn es in unserer Gesellschaft an etwas fehlt, dann finden sich oft zunächst Betroffene zusammen, um Verbesserungen anzumahnen. Das war und ist auch aus der queeren Community so geschehen. Gerade im Kontakt mit Jugendlichen finde ich ein selbstverwaltetes Projekt wie SCHLAU, das ein autobiografisches Kontaktangebot schafft und dadurch Vorurteile abbaut, genau richtig. Letztlich müssen diese selbst geschaffenen Strukturen aber von staatlicher Seite gestärkt und unterstützt werden. In Niedersachsen und in vielen anderen Bundesländern passiert das auch.

EK | Was brauchen wir an Waldorfschulen, um queere Schüler:innen bestmöglich zu unterstützen?
PM | Ich selbst habe mich zur Schulzeit nicht geoutet und habe darunter lange gelitten. Ich war der festen Überzeugung, dass niemand mich akzeptieren würde und die Einstellungen meines Umfeldes negativ sein würden. Diese Annahmen habe ich auch noch während meiner Coming-Out-Beratung gehört. Ein kleiner Regenbogensticker auf dem Laptop oder ein Schlüsselanhänger können ein wichtiges Zeichen und Gesprächsangebot sein. Dafür braucht es keine großen Ressourcen. Wichtig ist dann aber, weitere Schritte zu gehen. Das heißt, das Kollegium fortzubilden, Sichtbarkeit seitens des Leitungsteams und Schulgebäudes zu zeigen und sich mit anderen Schulen zu vernetzen. Wichtig ist auch, das Thema LGBTIQ* in einen größeren Kontext von Menschenrechten und Antidiskriminierung einzubetten und ebenso über Rassismus und andere Formen von Diskriminierung zu sprechen.

Die Fragen stellte Heidi Käfer.

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