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Menschenbildung: Medienbildung – Impulse aus und für Forschung und Praxis

Paula Bleckmann

Mit hochkarätigen Plenumsvortägen externer Expertinnen, Präsentationen und Diskussion zentraler Projektergebnisse, Infotischen von Kooperationspartnern, Netzwerk-Dinner und vielem mehr war alles auf Austausch und Vernetzung ausgelegt. Getreu dem Motto "Produzieren geht vor Konsumieren" gibt es wenig reine Zuhörende. Über 40 Personen aus Wissenschaft und Praxis aus fünf europäischen Ländern waren mit eigenen Beiträgen beteiligt. Die Vorträge wurden aufgezeichnet und sind, soweit das Einverständnis der Vortragenden vorliegt,  auf der Tagungswebsite als Videolinks eingestellt. Ebenso finden sich dort das vollständige Tagungsprogramm, Materialien aus den mehr als ein Dutzend Workshops, Stimmen aus Interviews mit Teilnehmenden, sowie eine Foto-Galerie.

Das Tagungsprogramm startete nach den Grußworten der Förderer und Veranstalter mit einem ersten Highlight: Im Einführungsvortrag trug Prof. Dr. Armin Grunwald philosophische Überlegungen zum Thema "Menschenbilder und Digitalisierung" vor, als Grundlage für die Frage, für welche Zukunft Pädagogik überhaupt befähigen sollte. Ein weiteres Highlight war der Beitrag zum SMASCH-Projekt von Prof. Dr. Sigrid Hartong und Prof. Dr. Mathias Decuypere. Sie beschrieben eindrücklich, wie auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Medienbildung an Schulen in enger Verzahnung von Praxis und Konzeptarbeit neben einem anfänglichen "irgendwas mit Tablets machen" nach und nach den Blick geweitet wird für Themen wie Theaterpädagogik, Analog-Digidaktik, medienbezogene Elternzusammenarbeit und Nudging in digitalen Lernumgebungen.

Prof. Dr. Thomas Mößle, der als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat die Entwicklung begleitet hat, ist in der Bilanz von den Projektergebnissen angetan: "Es hat mich so begeistert in den Raum zu kommen und zu sehen, was da alles entstanden ist: Wie viele Doktorarbeiten, wieviele Masterarbeiten, wie viel da produziert wurde! Und dass es nicht fürs Papier produziert ist, sondern für die Praxis."  Alle Ergebnisberichte zur MünDig-Studie, die Medienbildung an montessori-, natur-, waldorf-pädagogischen Bildungseinrichtungen deutschlandweit untersuchte, sind inzwischen erschienen, berichtet Benjamin Streit, so dass die deskriptive Auswertung der Studienergebnisse nun abgeschlossen ist. Erste Ergebnisse weiterer, vergleichender Auswertungsschritte wurden auf der Tagung präsentiert, sind aber noch nicht veröffentlicht. In den Ergebnisberichten konnten viele Stärken und auch einige Schwachstellen identifiziert werden. Im Projekt wurde die Verzahnung von Grundlagen- und Praxisforschung groß geschrieben, so dass Schwachstellen nicht nur beschrieben, sondern in Form eines Weiterbildungsangebots und einer Good-Practise-Sammlung reagiert werden konnte.

So konnte der erste Durchlauf des  Zertifikatskurs MB360 ("Medienbildung 360 Grad - mündige KiTa und Grundschule" unter Leitung von Julia Kernbach zur Schulung nationaler und internationaler Multiplikatoren im Februar 2023 abgeschlossen werden. Die Teilnehmenden stammten zu je etwa zu einem Drittel aus der Waldorf-Pädagogik, aus der Montessori-Pädagogik und aus Tätigkeitsfeldern ohne solche reformpädagogische Orientierung, zum Beispiel von Schulen in staatlicher Trägerschaft. Phillip Elek, der an einer der Montessori-Projektschulen tätig ist, sieht für sich "Grund zum Feiern:  Es waren Montessori-Pädagogen als Dozenten beteiligt, und unter den Teilnehmenden drei Personen, die selbst in Montessori-Diplom-Kursen unterrichten. Die können jetzt als Multiplikatorinnen deutschlandweit das Gelernte in Zukunft weitergeben. Wirklich ein schöner Schneeball-Effekt."  Zusätzlich äußerte er sich begeistert darüber, im Workshop mit Dr. Ela Eckert als "Highlight für die Montessori-Welt die Premiere einer Geschichte mit dem Titel "Wie die Welt zusammenschrumpfte" in der Tradition der großen Erzählungen von Maria Montessori mit  Auszügen aus der Geschichte der Nachrichtenübermittlung" miterleben zu können.

Dass Projekt und Tagung dezidiert auch außerhalb reformpädagogischer Kontexte wichtige Impulse liefern, meint Dr. Petra Arndt vom Zentrum für Neurowissenschaften und Lernen in Ulm, die "eine echte Erweiterung und Bereicherung unserer Sichtweise an den durchschnittlichen Schulen" erfahren hat:  "In den Workshops zu erleben, dass es schon Systeme und Konzepte gibt, die uns eine gewisse Schutzwirkung geben gegenüber Medienrisiken, und eine kritische Haltung gegenüber der Digitalisierung fördern, das werden wir in Folge dessen auch in unsere Beratungskontexte  für Schulen und für Kindergärten mit aufnehmen können."

Ein Dutzend neue und weiterentwickelte Unterrichtsenwürfe aus der Analog-Digidaktik haben den Praxistest bestanden, ein "Sneak Preview" zeigte die ersten, reich bebilderten Kapitel des im Herbst erscheinenden, von Projektleitung Brigitte Pemberger herausgegebenen Praxisbuchs. Simone Odental, Waldorflehrerin an einer der Projektschulen für Analog-Digidaktik, reist mit vollem Koffer von der Abschlusstagung wieder ab: "Ich habe habe selbst einen Workshop geleitet und umgekehrt auch Impulse erfahren, die ich sofort in meine Tätigkeit, in meiner Klasse umsetzen werde.  Das Erfahren, das Erleben mit dem Körper,  das binäre System, wie funktioniert ein Computer, das finde ich unglaublich begeistend und habe Lust, das gleich nächste Woche auch mit den Kollegen zu starten. Denn das ist die größte Herausforderung an der Schule: Wie schaffe ich es, Schulentwicklungsprozesse zu ermöglichen, die Medienpädagogik öffnen und reinbringen und nicht auf eine Polarisierung hinauslaufen: wir sind dagegen oder wir sind dafür."

Alanus Professorin und Projektleiterin Paula Bleckmann zeigt sich im Rückblick sehr zufrieden: "Die  Abschlusstagung hat für mich bestätigt, dass eine kritische, mündigkeitsorientierte Gegenbewegung zum Digital-Hype mit seinen "Früher-Schneller-Weiter"-Forderungen kein Nischenphänomen ist: Hier trafen sich Vertreter reformpädagogische Strömungen wie Erlebnispädagogik, Waldorfpädagogik und Montessoripädagogik mit dem Projekt SCAVIS zur Prävention digitaler Süchte, Unblackthebox, SMASCH, GAIMH, dem Zentrum für Neurowissenschaften und Lernen, BB3, und Initiativen aus den Frühen Hilfen, tauschten sich aus und stellten fest: Wir haben Vieles gemeinsam!" Bleckmann freut sich, dass Impulse aus dem Projekt in Zukunft fortgeführt werden, und nennt zwei Beispiele: Die Erfahrungen aus dem Zertifikatskurs MB360  werden bereits im europäischen Weiterbildungsprojekt HERMMES aufgegriffen, und die aus der Systematik der MünDig-Studie entstandene SESAM-Impulsfragen-Sammlung für Medienbildung in KiTas wird im Zuge der laufenden Promotion von Elisabeth Denzl validiert und optimiert.

Gefördert wurde das Projekt "Medienerziehung an reformpädagogischen Bildungseinrichtungen von der Software AG Stiftung, der Pädagogischen Forschungsstelle im Bund der Freien Waldorfschulen, Montessori Deutschland (ehemals Montessori Dachverband Deutschland), der Waldorf-Stiftung, der Vereinigung der Waldorfkindergärten, sowie dem Bundesverband der Natur- und Waldkindergärten.

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