An der Freien Waldorfschule Lörrach hatte das Medien-Team am Ende der Sommerferien Franz Glaw zu einem Workshop für das gesamte Kollegium eingeladen. Glaw ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am von-Tessin-Lehrstuhl für Medienpädagogik an der Freien Hochschule Stuttgart. Während einige Lehrer:innen an diesem Tag ihren ersten aktiven Kontakt mit der KI haben und sich noch einarbeiten, nutzen andere das Tool bereits für Entlastungen im privaten und schulischen Alltag. Der Workshop beginnt mit einem Bild, das wir beschreiben sollen – ein erster Impuls, der uns anregte, über das Thema Kommunikation nachzudenken. Im Plenum tauschen sich die Lehrer:innen über die Frage aus, was eigentlich der Unterschied zwischen Chatten beziehungsweise Plaudern und einem Gespräch ist. Gespräche, gerade an der Schule, können das Potenzial haben, unser Leben nachhaltig zu beeinflussen. Sie helfen nicht nur beim Lösen von Problemen, sie fördern ebenso den Austausch von Ideen und Informationen. Wie kann uns ChatGPT bei einer so menschlichen Sache behilflich sein? In Kleingruppen sollten wir ChatGPT auf die Probe stellen. Glaw gab den Auftrag, in einem Rollenspiel zwischen einer Lehrperson und einer fiktiven KI-generierten Schülerin namens Pia ein konfliktlösendes Gespräch zu führen. Die Wortgewandtheit und Empathie der KI sorgten für Kommentare wie «faszinierend», «gruselig» und «erschreckend». Es wurde aber auch deutlich, dass dies keine echten Konversationen und sozialen Interaktionen ersetzen kann, da ChatGPT sich nur an einer einzelnen vorgegebenen Situation orientieren kann.
KI-Referate erkennen
Nach der ersten Begegnung mit ChatGPT bereitete sich das Kollegium gespannt auf die nächste Aufgabe vor: Wie erkennen wir Referate, die mit ChatGPT verfasst wurden? Dafür schlüpften wir in die Rolle eines Ethiklehrers, der ein Referat seiner Schülerin beurteilen sollte. Dieses Referat wurde zum Buch KI-Angriff auf das Bewusstsein von Ingo Leipner verfasst. Zur Überprüfung setzte sich jeder von uns mit einem Ausschnitt aus dem Buch auseinander. Schnell stellten wir fest, dass das Referat, welches mit ChatGPT verfasst wurde, an der Oberfläche blieb. Als Highlight in unserem Workshop wurde der Autor Leipner per Videoanruf dazu geschaltet und konnte so direkt Stellung zu dem KI-generierten Text und dem wahren Inhalt seines Buches nehmen. Personen direkt in den Unterricht einzuladen, Firmen oder etwa Spieleentwickler:innen zu besuchen und hinter die Kulissen zu schauen, kann auch bei Schüler:innen eine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Glaw regte dazu an, echte Begegnungen zu schaffen und lebendige Recherche in den Unterricht einzubauen. Ein weiteres spannendes Thema, das aufkam, war, ChatGPT Zeugnissprüche formulieren zu lassen – eine Vorstellung, die im Kollegium für Erstaunen und Skepsis sorgte. Experimentierfreudig und eifrig ging es an die Aufgabenstellung. Das Ergebnis war jedoch nicht zufriedenstellend. Schnell war sich das Kollegium einig, dass ChatGPT hierfür nicht das geeignete Tool ist. Zeugnissprüche sollten doch lieber der eigenen Kreativität und der wahrhaftigen Verbindung mit den Schüler:innen überlassen werden. Glaw sagte, dass es das eigenhändige Zeugnisschreiben die Lehrkraft und ihr Verhältnis zu den Kindern verändere, selbst wenn niemand den Zeugnistext lesen würde.
ChatGPT als Ideengeber
Viele waren beeindruckt, wie hilfreich ChatGPT in etlichen anderen Situationen doch sein kann. Durch die Nutzung von ChatGPT kann die Angst vor dem weißen Blatt genommen werden, indem man sich Ideen und Inspirationen für seine Formulierungen holt. Auch können Ideen für den Unterrichtseinstieg zu einem neuen Thema angefragt werden und Hilfestellungen für Abläufe angefertigt werden. Das Kollegium war sich einig, dass es entlastend wirken kann, wenn es nicht um die Vermittlung seelischer und emotionaler Qualitäten geht. Um authentische, von Menschen geschaffene Inhalte erkennen zu können und um medienmündig zu werden, bedarf es vorab der Fähigkeit, das Ganze hinterfragen zu können. Wer blind mit KI aufwächst, ist fast nicht in der Lage, die Dinge zu hinterfragen, stellten wir fest. Essenziell ist das eigene, wahrhaftige Erleben, dann das Verstehen der Hintergründe und erst dann soll es in die technische digitale Umsetzung gehen. Grundkompetenzen wie Lesen und Schreiben sowie das Lernen durch Handeln sind dafür unumgänglich und elementar. Im Workshop ging es vor allem darum, dem Kollegium Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie nicht nur im Unterricht unterstützen, sondern die auch ein technisches Verständnis ermöglichen, das Lehrkräfte und Schüler:innen gleichstellt. Das interaktive Konzept und die Vielfalt der Fortbildung sorgten für einen spannenden und inspirierenden Nachmittag. Glaw empfahl dem Kollegium das Buch ChatGPT-Symptom einer technischen Zukunft von Edwin Hübner. Er regte an, neue Prüfungsformen, bei denen ChatGPT nicht helfen kann, zu entwickeln. Es wurde deutlich, dass das Kollegium nun vor der Aufgabe steht, die Diskussion fortzusetzen und gemeinsam zu erarbeiten, wie unsere Schule den Umgang mit KI im Unterricht und im Schulleben gestalten möchte. Am Ende des Workshops stand fest: Die Möglichkeiten von ChatGPT sind sehr vielfältig, aber auch begrenzt. Darüber hinaus werfen sie auch zahlreiche ethische und pädagogische Fragen auf. Die Erkenntnisse, die die Lehrer: innen aus diesem Nachmittag mitnahmen, werden sicher noch länger nachwirken.
Kommentare
Es sind noch keine Kommentare vorhanden.
Kommentar hinzufügen
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Dieser wird nach Prüfung durch die Administrator:innen freigeschaltet.