Ohne Beschämung

Thomas Maschke

Hier platziert Gabriele Pohl ihr Büchlein, das einerseits genau hier hinein passt, weil es konzentriert und leicht verständlich komplexe Inhalte nahebringt – und andererseits den vorgegebenen Rahmen sprengt. Ein »Plädoyer« kann nicht vornehmlich als Wissensvermittlung verstanden werden. Pohl zeigt an diversen, konkreten wie grundsätzlich formulierten Beispielen die alltägliche Praxis der Beschämung von Kindern auf und skizziert Wege für eine Pädagogik in Achtsamkeit und Takt. Dieser Anspruch Jakob Muths wird mehrfach genannt, ohne ihn allerdings genauer auszuführen. Wichtig ist dieses Plädoyer aber besonders deshalb, weil die Autorin eindrucksvoll belegt, dass es nicht »nur« die offensichtlichen und groben Verletzungen kindlicher Würde sind, die die Entwicklung eines Kindes negativ beeinflussen – wie zum Beispiel Gewalt in der Familie, Schule oder sozialen Netzwerken –,

sondern die subtilen Formen von Entwürdigung. Es geht darum, eine entsprechende, respektvolle Haltung und Verantwortung immer wieder neu zu erringen und so letztlich auch die eigene Würde zu behalten: »Unsere Würde zu entdecken, also das zutiefst Menschliche in uns, ist die zentrale Aufgabe im 21. Jahrhundert«, so der zitierte Gerald Hüther. Die Würde der Erziehenden hängt unmittelbar mit derjenigen im erzieherischen Verhältnis zusammen.

Das Büchlein basiert auf vielfältigen Erfahrungen der Autorin, die in allen Kapiteln und einzelnen Formulierungen ebenso durchklingen wie ihre zugewandte pädagogische Haltung. Die ausgewählten Gesichtspunkte können in diesem Publikationsformat nur angedeutet werden und fordern daher die Leserinnen und Leser zur weiteren Beschäftigung auf.

Gabriele Pohl: Die Würde des Kindes ist antastbar. Plädoyer für eine Kindheit ohne Beschämung. 53 S., Softcover, EUR 14,99 Springer essentials, Wiesbaden 2020