Ausgabe 06/24

Portrait einer vielseitigen Pazifistin

Christian Boettger

 

zum Beginn der ersten Friedensbewegung 1960 und mit der Gründung der DFU (Deutsche Friedens-Union) für viele Schlagzeilen in der Presse und wurde als Autorin des Verlags Urachhaus auch unter Anthroposoph:innen sehr bekannt.  

Mit dieser Biographie setzt Albert Vinzens sein profundes Wissen ein und bearbeitet viele auch heute noch aktuelle Themen wie nebenbei durch tiefschürfende Perspektiverweiterungen, die aber nie zu weit von dem Leben und Wirken Riemecks wegführen. Mindestens zwanzig solcher Themen sind mir nach der Lektüre eingefallen, von denen ich hier nur fünf nennen will: Der Weg Europas in den ersten Weltkrieg, die Situation der Hochschulbildung in Nazi-Deutschland, die Schicksalsgeschichte mit ihrer Pflegetochter, der späteteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, Herausforderungen der jungen Demokratie in Deutschland; Beamtentum und politischer Einsatz – Die Angst vor den Extremen: Kommunismus und rechter Nationalismus, Lehrer:innenbildung und reformpädagogische Ansätze – Klassiker der Pädagogik. 

Mein Lesevergnügen bei diesem Buch begründet sich einerseits durch die einfühlsame und zurückhaltende Art mit der Vinzens seinen Leser:innen den Menschen Renate Riemeck sehr nahe bringt, obwohl sie zumindest öffentlich immer Distanz wahren konnte, und zum anderen durch die umfassende und feinsinnige Art, mit der der Autor seine Themen bearbeitet hat. Es ist kein Buch, das man in einem Schwung durchliest und beiseitelegt, sondern eher eines, dass man gerne mal wieder aufgreift und eines der Kapitel noch einmal zur Hand nimmt, um das Thema vielleicht auch anhand der umfassenden Literaturangaben zu vertiefen. 

Mit einem etwas längeren Zitat von Renate Riemeck aus den Vorlesungen über die Klassiker der Pädagogik will ich enden, weil es mir auch heute noch wegweisend für die Pädagogik erscheint: Zunächst zitiert sie aus Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre: «Wenn wir die Menschen nur nehmen wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.» Und dann formuliert sie selbst: «Wenn sie andere Menschen und vor allem ihre Schülerinnen und Schüler so behandeln würden, als wären sie, was sei sein sollten, dann besteht die Chance, dass Sie nicht nur Unterrichtsbeamter, sondern Pädagoge werden. (…) Sie werden sie nur dazu bringen können, das heißt bei dieser Entwicklung helfen, dass sie etwas mehr von dem werden, was sie sein sollten. Nur das kann der Sinn der Pädagogik sein.» (Zitiert nach Vinzenz 2023, S. 272) 

Albert Vinzens: Renate Riemeck, Historikerin, Pädagogin, Pazifistin (1920-2003). 408 Seiten, Wallstein Verlag, 2023, 28 Euro. 

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