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Quereinstieg als Waldorflehrer:in

Gabriele Hohlmann

Zu verschiedenen Aspekten der Waldorfpädagogik und zu Fragen, wie man Unterricht macht, haben wir als Seminarleiterinnen des IfB mit den Quereinsteiger:innen gearbeitet. Im Vorfeld hatten die Einarbeitungsbeauftragten und die schulinternen Mentor:innen, jeweils einen Leitfaden erarbeitet, der die schulinterne Begleitung im ersten Berufsjahr definiert. So findet die Zusammenarbeit zwischen einstellender Schule und dem IfB im Rahmen des vorliegenden Konzeptes auf sicherer Grundlage statt.

An weiteren zehn  Seminartagen im Schuljahr werden wir diese Vorbereitung auf den ersten Einstieg in die Tätigkeit als Waldorflehrer:in in Berufseinführung verwandeln und begleitend zu den schulpraktischen Erfahrungen die Themen vertiefen und ergänzen. Außerdem werden wir die neuen Kolleg:innen fünfmal in ihrem Unterricht besuchen und die Beratung der schulinternen Mentor:innen durch unsere Perspektive erweitern.     

Welcher Bedarf sichtbar wurde

Da die Quereinsteiger:innen aus unterschiedlichen Berufen und Ländern kommen, ergeben sich verschieden Wünsche, Hoffnungen aber auch ganz ähnliche Bedarfe für den Neueinstieg.

Die Teilnehmenden interessierten sich für das «System Waldorf», hatten über verschiedene Kanäle entweder direkt im persönlichen Kontakt Erfahrungen gemacht, davon gehört, oder sind bei der Suche nach neuen Ufern auf die Waldorfpädagogik gestoßen. So war schnell deutlich, dass nicht nur der erste Schultag, sondern auch die Zusammenhänge bzw. das «Warum» eine wichtige Rolle spielen sollten. Altersgemäßes Lernen, der Unterrichtsaufbau in den Naturwissenschaften im Vergleich mit den staatlichen Schulen, der Unterrichtsbeginn mit einem rhythmischen Teil, der Fremdsprachenunterricht und seine Besonderheiten, aber auch die Selbstverwaltung, die Organisation einer Schule, die Dreigliederung, die Verantwortung der Lehrenden kamen zur Sprache und warfen Fragen auf. Geschätzt wurde die Arbeit am Aufbau und der Struktur einer Stunde, verknüpft mit den Kriterien guten Unterrichts an einer Waldorfschule im eigenen Fach. Hier zeigte sich anhand einer zukünftigen eigenen Lerngruppe - alle entwarfen eine Stunde - wie komplex ein Unterrichtsaufbau ist, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, die Stunde zu planen, sie in einen Gesamtzusammenhang einzubetten, aber auch einzeln schlüssig und nachvollziehbar zu gestalten. Ein großes Thema war auch, wie die Motivation der Schüler:innen zu erreichen und zu erhalten ist, wie Interesse geweckt und das selbständige Arbeiten gefördert werden kann. 

Der Gewinn für die Schulen

Für ihre zukünftige Lehrtätigkeit war es den Quereinsteiger:innen vor allem wichtig, die intrinsische Lernmotivation der Schüler:innen zu wecken, Wertschätzung und Sicherheit zu vermitteln sowie die Sozialkompetenz der jeweiligen Lerngruppen zu fördern.

Im Verlauf der fünf Seminartage entstand eine offene und vertrauensvolle Stimmung. Wir waren erstaunt, wie wichtig den zukünftigen Kolleg:innen die Themen, die inhaltlich mit dem gemeinsamen Leitbild der deutschen Waldorfschulen verbunden sind, waren. Die Entwicklung des Menschen, das Gestalten einer sich ständig verändernden Gesellschaft, die Qualitäten der menschlichen und gesellschaftlichen Dreigliederung sowie die Bedeutung des Geistigen waren intensive Gesprächsinhalte, die von der Gruppe in Gruppen- und Partnerarbeiten und weiter in den Pausen lebendig bewegt wurden.

Am Ende des Seminars fühlten sich nicht nur die Seminarist:innen bereichert, sondern in hohem Maße auch die Seminarleiterinnen. Wir sind uns sicher, dass die neuen Kolleg:innen mit ihrer teilweise breiten Lebenserfahrung, sowie ihrer Offenheit und ihrem Idealismus bereichernd an ihren zukünftigen Schulen wirken werden. Wir wünschen den «Neuen» von Herzen, dass es an ihrer Schule Gelegenheit geben wird, ihre Fragen und Impulse mit Kolleg:innen zu bewegen und gemeinsam Substanz zu schaffen.      

Gute Einführung ermöglicht ein gutes Ankommen

Wenn wir junge Lehrer:innen nachhaltig an den Schulen halten wollen, müssen wir uns in der Verantwortung sehen, den Bildungs- und Selbstbildungsprozess der angehenden Lehrer:innen an der Schnittstelle zwischen Studium und Beruf anzuleiten, zu unterstützen und darüber hinaus gut zu begleiten. Wir sind uns bewusst, dass die Kompetenzentwicklung nicht mit dem Abschluss der Ausbildung endet, sondern dass der Prozess der Professionalisierung ein Leben lang anhält. Der Lehrer:innenmangel ist an fast allen Waldorfschulen spürbar und fordert uns heraus, die Berufsanfänger:innen beim Einstieg in den herausfordernden Lehrer:innenberuf zu begleiten. Viele Waldorfschulen sind sehr bemüht um die Aufnahme und Begleitung der neuen Kolleg:innen in die Schulgemeinschaft. Sobald  jedoch der Schulalltag beginnt, ist die Zeit innerhalb der Schulorganisation begrenzt, sich nicht nur mit der Bewältigung des eigenen Unterrichts, sondern auch mit weiterführenden Themen zu beschäftigen. Umso wichtiger ist es, dass die Einführung in den Beruf bereits vor dem ersten Schultag beginnt und dann begleitend organisiert wird.

Die Bedeutung einer guten Begleitung wurde in den Einführungsveranstaltungen des IfB sehr deutlich. Es bestätigte sich, dass alle Fragen, Unsicherheiten und ersten Schritte einen Raum brauchen, um sich dieser wichtigen Arbeit in einer Schule selbstbewusst stellen zu können und dabei Erfolge zu erleben und nicht in eine permanente Überforderung zu geraten.

Das Berufseinstiegskonzept des IfB sieht daher vor, diesen neuen Abschnitt in der Biographie in den ersten beiden Berufsjahren intensiv zu begleiten. Damit dieser neue Schritt gelingt, braucht es einen Rahmen, in dem die Lehrer:innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und in dem sie auch Fehler machen können, ohne dass diese zu schwerwiegenden Konsequenzen führen. Dies geschieht durch regelmäßige Seminare, Unterrichtshospitationen und beraten durch reflektierende Nachgespräche.

Die Berufsanfänger:innen werden bei der Findung ihrer Rolle als erziehende, unterrichtende und beratende Personen auf ihrem individuellen Weg zur Lehrkraft begleitet und unterstützt. Ziel ist es, die pädagogische Kompetenz zu stärken, sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden sowie den Austausch im Umgang mit den Schüler:innen, in der Zusammenarbeit im Kollegium und mit den Eltern zu ermöglichen.

Schule entwickelt sich weiter und auch wir sind eine sich ständig weiterentwickelnde und lernende Organisation, orientiert an den Bedürfnissen der Schüler:innen und der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, die eine kontinuierliche Schulentwicklung und Weiterentwicklung der Waldorfpädagogik notwendig macht.

Dieser Text wurde gemeinsam mit den Seminarleiterinnen Stefanie von Willmann, Birgit Beringhoff-Beckers und Ebru Ruhşen Yapça verfasst.

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