Ausgabe 09/24

Schreiben ist wie träumen – nur krasser

Anne Brockmann

Als ich 18 Jahre alt war, durfte ich eine Woche lang unter professioneller Anleitung mit 29 anderen Jugendlichen zusammen schreiben – in einem alten, gemütlichen Haus in den Kiefernwäldern Brandenburgs. Ich war für einen Literaturpreis nominiert und die Einladung zum Schreibcamp war der Preis. In den sieben Tagen fernab meines Alltags habe ich alles Mögliche gemacht – ein paar Akkorde auf der Gitarre gelernt, Volleyball gespielt, Stockbrot am Lagerfeuer gegrillt. Nur geschrieben habe ich nicht. Hier und da ein Wort, aber keinen einzigen Text. Ein Gedicht oder eine Geschichte auf Knopfdruck? Ich war überzeugt, das könnte nicht funktionieren. Und ein paar pseudolustige Spiele, um die Kreativität auszulösen und um die Worte herbeizulocken? Nö! Nicht mit mir! Ich war froh und dankbar, dabei zu sein, fühlte mich an einem guten Ort und fühlte mich wohl in der Gruppe, aber das eigentliche Programm habe ich geschwänzt. Das Schreiben war mir zu ernst, alsdass ich es spielerisch angehen wollte. Ich wollte nicht nur einfach so etwas aufs Papier bringen, ohne zu wissen, warum und wozu.

Heute ist mir das Schreiben immer noch ernst. Fast noch ernster als damals sogar. Aber mein Verhältnis zu Schreibspielen, Kreativitätsübungen und Worten, die zunächst mal einfach nur so auf dem Papier stehen, hat sich verändert. Inzwischen habe ich selbst eine Ausbildung zur Gruppenleiterin für kreatives Schreiben absolviert. In einem Gefängnis habe ich mit jungen Straftätern geschrieben, in einer Wohngruppe mit suchtkranken Mädchen und Frauen, im Rahmen eines eigenen Projekts mit wohnungs- und obdachlosen Menschen. Ich bin erstaunt und dankbar, was diese kleinen Impulse, die man in Schreibwerkstätten nutzt, freilegen, auslösen können – bei mir selbst und bei anderen.

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