Helena schreibt sehr gerne Sonette. Ein Sonett hat immer 14 Zeilen, die in zwei Quartette und zwei Terzette gegliedert sind. William Shakespeare ist auch für seine Sonette berühmt.
Die Leidenschaft für das Schreiben kam bei Helena durch das Lesen. Sie ist Schülerin der Klasse 12 an der Freien Waldorfschule Karlsruhe. Wenn sie ein richtig gutes Buch liest, dann denkt sie sich: «Boah, das will ich auch können! Ich möchte auch Gefühle und Erfahrungen so vermitteln.» Lesen beschreibt sie so: «Ich begleite Menschen durch die Geschichte und mache eigene Erfahrungen.» Denn die Geschichten lösen Gedanken und Emotionen bei ihr aus. Als Beispiel führt sie den 2025 erschienenen Roman A Little Life der US-amerikanischen Schriftstellerin Hanya Yanagihara an. «Es geht um schwer traumatisierte Menschen und wie sie mit ihrem Leben umgehen. Da überlege ich natürlich beim Lesen, wie ich damit umgehen würde, wenn ich in dieser Situation wäre.»
Das erste Buch, das bei Helena eingeschlagen hat wie ein Meteorit, war Tintenherz von Cornelia Funke. «Tintenherz hat mich zum Lesen und Schreiben gebracht», schwärmt sie. «Es geht darin um die Welten in den Büchern. Wenn diese schön vorgelesen werden, landet man in der Geschichte. Es hat mich total fasziniert, dass Worte dort eine solche Bedeutung haben.» Dass der Vater der Protagonistin in Tintenherz Buchbinder ist und es auch um Bücher selbst geht, setzte dem Ganzen für Helena die Krone auf. «Wann immer ich an dieses Buch denke, an die einzelnen Wörter und an die Geschichte, bekomme ich richtig Lust selbst zu schreiben!» Ihre Augen strahlen und sie berichtet weiter: «Jetzt haben wir an der Schule gerade die Buchbinden-Epoche. Da habe ich gefühlt mein ganzes Leben darauf gewartet.»
Die Liebe zum Schreiben sei schon lange dagewesen. «Das ist einfach so aufgetaucht in meinem Leben», sagt sie lächelnd. Mit 12 oder 13 habe sie begonnen, Tagebuch zu schreiben und macht das seitdem regelmäßig leidenschaftlich gerne. «Ich habe meine Art, Tagebuch zu schreiben, gefunden.» Früher seien es nur Tagesabläufe und Ereignisse gewesen, später dann wichtige Gedanken und heute sei es eine Mischung. Gerade auf Reisen beschreibe sie viel von dem, was sie wahrnehme. «Die Reflexion gibt mir einen anderen Blickwinkel auf alles.» Wenn sie Probleme hat, notiert sie ihre Gedanken und kann am nächsten Tag mit Abstand darauf schauen. «Ich weiß nicht, warum es das Schreiben dafür braucht, aber ich kann so meine Gedanken ansehen und sortieren. Mit dem Schreiben geht es viel einfacher.»
Was ist am Schreiben so schön? Auf diese Frage antwortet sie gerne und formuliert es wunderschön: «Dieser Prozess, etwas in Worte zu fassen, hat etwas ganz Besonderes. Man formuliert etwas im Kopf, um es dann aufzuschreiben. Da verwandeln sich Emotionen, die man ausdrücken will.» Manche Sachen schreibe sie sogar lieber auf Englisch in ihr Tagebuch, wenn sie findet, dass man es dann besser ausdrücken kann. «Bei Pop-Songs ist das ja auch so. Wenn man die vom Englischen ins Deutsche übersetzt, klingt das sehr komisch.»
Außerdem liebt Helena es, mit der Hand zu schreiben. «Wenn sich die Notizbücher füllen, hat das etwas ganz Schönes.» Am Laptop schreibe sie eher längere Texte. Das Tippen macht ihr auch Spaß. «Ich glaube aber, ich bin da etwas romantisch, was das Schreiben mit der Hand angeht.»
Aktuell hat sie gerade wieder richtig Lust auf noch mehr Schreiben. Größere Schreibprojekte muss sie sich allerdings vornehmen und einplanen. Doch wenn sie die Inspiration packt, beginnt sie sofort. In der Poetik-Epoche an der Schule habe sie ganz viele Gedichte geschrieben – auch auf Englisch. Am meisten Spaß macht es ihr, Sonette zu schreiben. Vor allem, wenn sie nicht schlafen kann oder bei starken Emotionen hilft ihr das Dichten, alles in Worte zu fassen und zu verarbeiten. Und das Beste sei: Schreiben geht überall, nicht nur daheim. Deshalb macht sie auch gerne mal einen Ausflug, zum Beispiel in den Schwarzwald, und schreibt dann ihre Gedichte in der Natur.
Im Herbst 2024 wurde Helenas Mutter auf die Schreibwerkstatt der Erziehungskunst aufmerksam, die die Redakteurin Anne Brockmann angeboten hat. Und da gab sie den Tipp gleich an ihre Tochter weiter. «Das hat mich sofort angesprochen, denn in meinem Umfeld habe ich kaum jemanden, der auch gerne schreibt», erklärt Helena. Bis dahin habe sie immer für sich alleine geschrieben. In der Schule Gedichte zu teilen, fällt ihr nicht so leicht: «Es ist schwer, sich begeistert zu geben, wenn andere es nicht sind.» Denn es tragen in der Klasse viele ihre Gedichte vor und dann heißt es meist: «Hm, noch ein Gedicht.» Bei der Schreibwerkstatt war das ganz anders. «Hier gab es so viel Anregung und Anleitung und das hat mir sehr geholfen, Ideen zu bekommen», freut sie sich. «Wir haben viele Schreibspiele gemacht und ich konnte erleben, was verschiedene Teilnehmerinnen aus der gleichen Aufgabe machten.»
Außerdem hat Helena Giersch bereits drei Mal am FanFiction-Wettbewerb der Journalistin und Schriftstellerin Katja Brandis teilgenommen. 2023 kam Helena von 122 Teilnehmer:innen unter die Top 10 und hat einen Preis gewonnen. Helena schrieb eine Geschichte zu Brandis Woodwalkers Romanen. «Ich habe eine Figur aus dem Roman genommen, die nur in den Büchern eine Nebenfigur ist und habe sie dann zu einem Hauptcharakter gemacht.» Fantasy-Romane haben es der begeisterten Schreiberin besonders angetan: «Diese ganz andere Welt und der komplette Abstand zu allem, was Alltag ist, das reizt mich unglaublich.» Das ist das Genre, worin sie sich am meisten bewegt. Deshalb hat Helena auch seit 2021 jährlich Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien gelesen. Wobei sie das Werk in einem Jahr «nur» als Hörbüch mit Filmmusik und Geräuschen gehört hat und sich nebenbei einen Pullover gestrickt hat.
Um ihre Schreibkunst zu verbessern, sieht sie sich gerne Videos mit konkreten Schreibtipps von der Schriftstellerin Abbie Emmons an. «Ich mag es, dass Emmons wissenschaftlich an fiktive Geschichten rangeht.» Sie zeige ihr, was man an Storys gut und schlecht machen könne. «Es ist ähnlich wie im Deutschunterricht, nur viel viel cooler», schmunzelt Helena fröhlich.
Helena beobachtet an sich selbst, wie gut es ihr mit dem Schreiben geht. «Immer wenn ich schreibe, hat das etwas Beruhigendes. Es gibt mir immer ein Erfolgserlebnis. Ich entdecke etwas Schönes daran und es hat die Kraft, etwas zu verändern, wie es mir an diesem Tag geht. Schreiben macht mich einfach glücklich!»
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