Rudolf Steiner wollte, dass die Wirtschaft über freies Spenden freie Schulen finanzieren sollte. An der Rudolf-Steiner-Schule Gröbenzell üben jeweils die Schüler:innen der zehnten Klasse die Gründung und Führung von Unternehmen im Rahmen des Junior-Projekts des Instituts der deutschen Wirtschaft. Im Rahmen der jährlichen Landeswettbewerbe belegten die Schüler:innenfirmen flamant noir 2017, blueagain 2019, BagAge 2023 und Hument 2024 jeweils den ersten Platz als beste Firmen Bayerns.
Junior-Projekte in Schulen
Buchführung sollte Schulfach werden, so eine Intention Rudolf Steiners. Manche Schulen, auch staatliche, bieten als Wahlfach tatsächlich Unternehmensgründung. Die meisten lassen sich vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln Junior gGmbH leiten und nutzen deren Führung für die Arbeit mit den Schüler:innen. Sie bieten dazu strenge und bewährte Regeln und Arbeitsschritte, die frei und kostenlos vermittelt werden. Dazu zählen eine Geschäftsidee, Produkte oder Dienstleistungen zu entwerfen, Marketingstrategien zu entwickeln, ein virtuelles Unternehmen mit Hierarchieebenen zu konzipieren, und schließlich Produkte beziehungsweise Dienstleistungen zu verwirklichen und zu verkaufen und darüber einen abschließenden Geschäftsbericht zu verfassen.
Die Unternehmensgründer:innen können an jährlich stattfindenden Wettbewerben teilnehmen, erhalten gegebenenfalls Einladungen zu Präsentationen auf Landes-, Bundes- oder Europaebene.
Schüler:innen schaffen
In engagiertem Schaffen investieren Schüler:innen damit hunderte, in gemeinsamer Arbeit tausende Stunden – so auch jedes Jahr in der zehnten Klasse der Rudolf-Steiner-Schule Gröbenzell. Werden mit diesem Projekt Motivationen in den Schüler:innen geweckt und Freizeitaktivitäten in substanzielle Lernerfahrungen gelenkt? Leon Sattler, engagiert im aktuellen Projekt Hument Umweltspiel: «Das Junior-Projekt und die damit verbundene Möglichkeit ein Unternehmen zu gründen, ist für mich eine sehr bereichernde Erfahrung. Ich bin Vorstand und arbeite außerdem im Produktionsteam unserer Firma und habe dadurch sehr viel über die zahlreichen Schwierigkeiten, aber auch Erfolge in der Zusammenarbeit und Organisation im Team gelernt. Ich habe auch meine Fähigkeiten, auf der Bühne und vor anderen Menschen zu sprechen, unglaublich verbessern können. Als Unternehmensteam haben wir gelernt, zusammen durch die Höhen und Tiefen des Projektes zu gehen und nicht aufzugeben». Jakob Cohrs: «Um einen guten Arbeitsumgang und gute Ergebnisse zu erreichen, finde ich es sehr wichtig, den verschiedenen Abteilungen und Personen Aufgaben zuzuteilen, die ihnen Spaß machen».
Mit dem Junior-Projekt entwickeln sich auch Bezüge zum Alltag der Schüler:innen und manchmal auch Perspektiven zum Finden persönlicher Berufsfelder. Valerie Beck, zehnte Klasse: «Mit einer guten Geschäftsidee könnte ich mir jetzt auch vorstellen, später eine eigene Firma zu gründen und hätte keine Angst davor. Ich weiß jetzt, dass das möglich ist.» Leon Sattler: «Insgesamt fühle ich mich durch das Juniorprojekt sehr gut auf mein späteres Berufsleben vorbereitet und freue mich ein Teil des Projekts zu sein».
Das Engagement dauert Monate. Marlen Solomon Kassa hat nachträglich festgestellt: «Es lohnt sich und kann für das spätere Leben, zum Beispiel in einem Unternehmen, eine gute Erfahrung sein.» Vincent Gasde resümiert: «Für mich war Junior sehr wertvoll, da ich viele besondere Erfahrungen und Erinnerungen sammeln konnte.»
Die Sicht der Pädagogin Katja Droste-Zingone
Seit dem Schuljahr 2022/23 begleite ich als Lehrkraft eine Gruppe von maximal 18 Schüler:innen, die sich für ein Schuljahr auf das Abenteuer Firmengründung einlassen. Was uns als Waldorfschule von den anderen Schüler:innenfirmen, die mit der IW Junior kooperieren, unterscheidet und auch erfolgreich macht, ist unser Vorgehen. Am Anfang steht das Finden einer tragfähigen Geschäftsidee. Wichtig ist dabei, sich dieser Frage prozesshaft zu nähern und alle Schüler:innen gemeinsam mitzunehmen. Schließlich geht es darum, gemeinsam das Projekt zu tragen und als Team hinter dem Produkt oder der Dienstleistung zu stehen. Dabei gibt es viele Dialogrunden, bis ein gemeinsamer Konsens gefunden wird im Sinne der Soziokratie, die auf Gleichwertigkeit, Selbstorganisation und Konsens basiert. Ist eine Geschäftsidee gefunden, stellt sich die Frage der Umsetzung. Dabei stehen die Stärken und Fähigkeiten der einzelnen Schüler:innen im Vordergrund. Die Aufgaben werden gesammelt und nach Interessen und Fähigkeiten verteilt. Es gibt zwar die von Junior vorgegebenen Abteilungen: Vorstand, Produktion, Finanzen, Organisation und Marketing. Jedoch wird abteilungsübergreifend agiert. Dabei wächst das Team immer mehr zusammen und meistert seine selbst gestellten Aufgaben. Es zeigt sich, dass die Schüler:innen in diesem Schuljahr über sich hinauswachsen, Fähigkeiten vertiefen oder sogar aus Eigenmotivation bereit sind, neue Fähigkeiten zu erwerben zum Wohle der Firma. Die Rolle der Lehrkraft wandelt sich im Laufe des Projekts. Am Anfang steht sie im Zentrum, leitet an und erklärt die Rahmenbedingungen. Im Laufe des Projekts zieht sich die Lehrkraft immer mehr zurück, berät und coacht. Eine Begegnung auf Augenhöhe entsteht. Durch diese Gegebenheit bewegen sich die Schüler:innen in einem vertrauensvollen Rahmen, der Wachstum zulässt.
Weiterentwicklung zur sozialen Dreigliederung
Die Bedingungen und Regeln des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln JUNIOR gGmbH spiegeln exakt die aktuelle Unternehmenssystematik und lassen diese sakrosankt als richtig erscheinen. Die dahinter stehende Wirtschaftsphilosophie wird nicht hinterfragt. Mit der Dreigliederung des sozialen Organismus bietet Rudolf Steiner eine weitreichende Alternative für eine Gesellschaftsgestaltung, in der «Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit» in menschlich angemessenen Maßen realisiert werden sollten. Demgemäß soll die menschliche Gesellschaft wie ein «Organismus» in drei Lebensfeldern «Geistesleben – Rechtsleben – Wirtschaftsleben» wie auch in allen deren Gliedern und Zellen drei adäquate soziale Strukturen erhalten. Eine Schule erfordert entsprechend gestaltete Lebensfelder für Pädagogik, Kommunikation und Zusammenarbeit und Wirtschaften. Ein Wirtschaftsunternehmen wird menschengemäß, wenn es Teamarbeit, Führung zur Arbeitsteilung und Delegation der Verantwortlichkeiten praktiziert.
Die Rudolf-Steiner-Schule Gröbenzell arbeitet seit vier Jahrzehnten mit einer solchen Sozialgestalt. Sie ermöglicht es jedem Vereinsmitglied, seine Initiativen in das Schulgeschehen einzubringen: Etwa 140 Eltern und Lehrkräfte leisten damit Vorstandsaufgaben und bringen vielfältige Kompetenzen in das Schulgeschehen ein. Die Schule ist mit sieben Handwerker:innen, dem Welt: Klasse-Projekt und den Junior-Projekten verbunden und hält die Anerkennung der UNESCO als Projektschule. Im Wirtschaftsleben der Schule wählen die Eltern frei ihre Schulbeiträge (2023 durchschnittlich 270 Euro pro Kind im Monat) und haben dabei die finanziellen Notwendigkeiten der Schule im Bewusstsein. Die Lehrenden erhalten Gehälter, welche nach Berufserfahrung und nach Anzahl der Kinder gestaffelt sind (2023: zwischen 4.222 und 6.350 Euro im Monat bei 4 Kindern).
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