Ausgabe 10/23

Showtime!

Heidi Käfer
Heidi Käfer

Unter dem Namen Showtime präsentierte die Oberstufe der Freien Waldorfschule Evinghausen im Mai diesen Jahres Musik-, Tanz- und Schauspielstücke aus der Filmwelt. Das erste Mal seit der Pandemie arbeiteten Schüler:innen im Rahmen des stufenübergreifenden Musikprojekts an einer Aufführung, dessen Wirkung weit über die Begeisterung im Publikum hinausging.
«All the leaves are brown and the sky is grey …» hörte man es noch viele Wochen durch die Gänge der Evinghausener Waldorfschule summen. Ein Jahr lang arbeiteten Oberstufenschüler:innen von der neunten bis elften Klasse an einem gemeinsamen Musikprojekt, das im doppelten Sinne noch immer nachhallt. Initiiert hat das Projekt Musiklehrerin Nadine Handt. Sie wollte nach der «sang- und klanglosen» Pandemiephase, in der sich der Musikunterricht vor allem auf Theorie konzentrierte, endlich wieder praktisch musizieren: «Der Musikunterricht konnte in der Coronazeit nur sehr eingeschränkt stattfinden. So vieles aus dem Bereich der Musikpraxis war nicht umsetzbar und damit konnten wir den Schüler:innen einen ganz wichtigen Erfahrungsschatz nicht ermöglichen. So war es uns sehr wichtig, diese Erfahrung wieder in den Vordergrund zu stellen und das praktische Musizieren zu stärken – auch wenn dadurch die Erarbeitungen aus den Bereichen der Musiktheorie und Musikwissenschaft ein bisschen hinten runtergefallen sind. Für ein Jahr war es uns das wert und das haben wir auch von allen Seiten – Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen – mit überwältigender Begeisterung bestätigt bekommen.»
Gemeinsames Singen, Tanzen und Musizieren war für die Schüler:innenschaft über zwei Jahre komplett ausgefallen. «Corona war eine Zeit, in der man sehr viel allein war oder höchstens mit zwei weiteren Leuten, und die waren auch immer aus dem eigenen Jahrgang», klagt Lilly aus der elften Klasse. Gemeinsames Singen war ab und an draußen an der frischen Luft gestattet. Vor allem aber kennzeichneten Online-Unterricht, Theorie und viel Rückzug ins Private den Schulalltag.
Als die Corona-Maßnahmen 2022 aufgehoben wurden, wollte Handt endlich wieder Gemeinsamkeit ermöglichen. Ein jahrgangsübergreifendes Musikprojekt hatte es an der Schule in der Form noch nicht gegeben. Rückblickend sagt Lillys Mitschülerin Josephine: «Das half, den anderen Menschen zu sehen, unabhängig von Alter und Klassenstufe. Oft hatten die älteren Schüler:innen eine Vorbildfunktion, aber genauso wurden sie von jüngeren angespornt und zu Disziplin aufgerufen».
Dank engagierter Lehrkräfte formte sich ein Musikprojekt, in dem die Schüler:innen ihre Begabungen und Leidenschaften ausprobieren und finden durften. Wählen konnten sie zwischen Chor, Sologesang, Orchester, Schauspiel und Percussion. So erarbeiteten die Teilnehmer:innen in 22 Musik-Doppelstunden mit viel eigener Initiative und guten Ideen Stücke rund ums Thema Film und Filmmusik.
Im Mai wurde die Premiere der Aufführung Show-time im Saal der Freien Waldorfschule in Evinghausen gefeiert. Der Saal war gefüllt mit etwa 520 neugierigen Zuschauer:innen und 124 aufgeregten Performer:innen hinter der Bühne, unter denen etliche zum ersten Mal ein Solo sangen, vor Publikum tanzten oder schauspielerten. Die Show begann mit dem Stück The Greatest Show aus dem Film The Greatest Showman. Die Schüler:innen aus den Bereichen Gesang, Orchester und Tanz verteilten sich dabei im gesamten Saal und boten ein Stück dar, dessen Botschaft die Gruppe über die ganze Vorbereitungszeit begleitete. Laut Projektleiterin Nadine Handt erzählt The Greatest Showman von «Gleichheit, Respekt, Glaube an sich selbst, Träumen, Willen und der Kraft das zu erreichen, was man sich am meisten wünscht». Es folgten Gesangsstücke wie California Dreaming und Therapie der Tiere, eine Impro-Theater-Performance, die in eine Percussion-Darbietung mit Alltagsgegenständen überging. Inklusive Hyänengeheule sang ein 54-köpfiger Chor The Circle of Life aus dem König der Löwen. Eine Schülerin sagte dazu: «Was der Klang einzelner Gesangsgruppen bewirken kann, war uns Schüler:innen bis zu den ersten Proben wohl auch nicht so ganz klar.» Auch das Publikum wurde bei einer Quiz-Show mit verzwickten Fragen aktiv und durch die vier Jahreszeiten führte eine achtminütige Tanzreise durch verschiedene Musikgenres. Nach der Aufführung gab es große Begeisterung, Glücksgefühle bei allen Mitwirkenden und Standing Ovations im Saal. Was blieb, war die Gewissheit bei Schüler:innen und Lehrkräften: «Gemeinsam Schaffen ist notwendig. Wie wunderbar, dass das nun wieder möglich ist.»
Klar ist jetzt schon, dass das Oberstufenmusikprojekt nächstes Jahr in die zweite Runde geht. Ob so etwas Großes jedes Jahr zu realisieren sei, ist noch offen; Großer Aufwand für die sechs beteiligten Lehrkräfte und die Integration der Projektstunden in den Stundenplan seien Hürden, die es laut Projektleiterin Nadine Handt zu überwinden gilt. Wichtig sei für diejenigen, die das Abitur oder den erweiterten Realschulabschluss anstreben, auch genügend Zeit für Musiktheorie zu haben. Die Schule sucht deshalb nach einem langfristig verfügbaren Platz im Stundenplan für das Projekt, sodass der reguläre Musikunterricht weiterhin stattfinden kann. «Wir werden trotzdem noch einmal für ein Jahr die Stunden dafür zur Verfügung stellen, weil uns das so wichtig ist und weil wir gesehen haben, was das Projekt bewirken kann», so Nadine Handt.
Neue Freundschaften haben sich gebildet, Schüler:innen aus unterschiedlichen Klassenstufen grüßen sich auf den Gängen und tauschen sich aus. Ein neues Gemeinschaftsgefühl hat sich in dieser intensiven Zeit entwickelt – ein Miteinander, das es für eine längere Zeit nicht gegeben hat. Gerade Gruppenzugehörigkeit ist für Jugendliche im zweiten und dritten Jahrsiebt wichtig für die Entwicklung. Ein starkes Gefühl eines «kollektiven Miteinanders», wie Josephine es nannte, stellten die Schüler:innen unmittelbar durch gemeinsames Tun und Erleben her. Die verbindende Magie der Musik sowie die befreiende Kraft des Singens und Tanzens waren dabei wohl die kraftvollsten Instrumente.

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