Leonhart steht aufrecht, seine Füße sind etwa hüftbreit auseinander. Mit der linken Hand hält er das Griffstück seines Bogens, die rechte umfasst die Sehne mit dem aufgelegten Pfeil. Konzentriert fixiert er sein Ziel und zieht die Sehne mit einer ruhigen und gleichmäßigen Bewegung nach hinten. Sobald diese voll ausgezogen und die Position stabil ist, lässt er los. Der Pfeil folgt der anvisierten Flugbahn und trifft sein Ziel.
Hinter einem gelungenen Bogenschuss steckt viel Übung, mentale Kraft, Konzentration und technisches Know-how. «Aber wenn man das einmal kann, ist es gar nicht mehr so schwierig», weiß Leonhart aus eigener Erfahrung. Mit acht Jahren hat er auf dem Herbstmarkt im Nachbarsort am Stand des ansässigen Schützenvereins Bogenschießen ausprobiert. Das hat ihm so viel Spaß gemacht, dass er diesen Sport seither im Verein betreibt. Zuerst im SV Günztal Eldern, später ist er auch noch dem BSV Pfaffenhausen beigetreten. «Da wurde noch mehr auf Leistung trainiert», erklärt der 17-Jährige. Auch in seiner ehemaligen Schule in Landsberg, die er bis zur fünften Klasse besucht hat, trainierte er in einer Bogenschießen AG. Hier lernte er die mehrfache Welt- und Europameisterin Silvia Barckholt kennen, die ihm wertvolle Tipps im Umgang mit Pfeil und Bogen gab.
Übung macht den Meister
Leonharts Disziplin ist der Blankbogen. Der kommt, wie der Name schon sagt, relativ schlicht daher – ohne weitere Vorrichtungen für eine bessere Zielgenauigkeit oder Stabilität wie es bei anderen Bogenarten der Fall ist. Das robuste Mittelstück mit Griff und Pfeilauflage wird oben und unten eingerahmt von den sogenannten Wurfarmen. Diese sind durch die Sehne miteinander verbunden. Den Pfeil aus Carbon hält Leonhart zwischen Griffstück und Sehne. Indem er mit den Fingern auf der Sehne hoch- oder runterwandert, verändert er die Flugbahn des Pfeils. Auf kürzeren Strecken, beispielsweise wenn das Zielobjekt etwa fünf Meter entfernt ist, zeigt der Pfeil tendenziell geradeaus, bei längeren Distanzen bis zu fünfzig Metern ist er eher nach oben geneigt. Damit sich die Finger, welche die Sehne abgreifen, nicht verletzen, trägt er einen Fingerschutz, auch Tab genannt.
Zwar ist der Blankbogen in seiner Konstruktion recht einfach, seine Bedienung erfordert aber einiges an Geschick und eine sehr genau Schießtechnik. Die größte Herausforderung ist hier für Leonhart das Schätzen der Entfernung, denn hier spielen viele verschiedene Faktoren eine Rolle. «Beim Hochschuss neigt sich der der Pfeil stärker nach oben und macht eine ganz andere Flugbahn als beim Schuss nach unten», erklärt er. «Wenn ich nach unten schieße, also einen Hang runter, spielt auch noch die Erdanziehung eine Rolle.» Außerdem können Licht und Schatten ziemlich irritieren und Entfernungen länger oder kürzer erscheinen lassen. Auch die Größe der Sporthalle hat einen Einfluss: So fühlen sich für Leonhart Entfernungen in einer sehr großen Halle kleiner an als in einer normalen, schmaleren Trainingshalle mit niedriger Deckenhöhe.
Dass Leonhart trotz aller Herausforderungen den Umgang mit Blankbogen und Carbonpfeil sehr gut beherrscht, zeigen seine sportlichen Erfolge. 2022 qualifizierte er sich erstmals für ein Turnier auf Bundesebene. Bei der damaligen Deutschen Meisterschaft im Bogensport im niedersächsischen Celle belegte er den dritten Platz im Feldbogenschießen. Im selben Jahr schaffte er es bei der Deutschen Meisterschaft diesmal in Villingen-Schwenningen auf Platz zwei beim 3D-Schießen. Zuletzt brachte Leonhart es im August 2024 in Celle erneut auf Platz drei beim 3D-Bogenschießen in der Kategorie Blankbogen Jugend.
Im Parcours durch Wald und Wiesen
So ein Turnier findet in der Regel draußen auf einem Parcours statt, zumindest von April bis Oktober. Die Schützen laufen über Wald und Wiesen von einem Ziel zum nächsten – insgesamt sind es 24 Stück – und haben pro Station zwei Minuten Zeit, um ihre Pfeile abzuschießen. Die Ziele bestehen je nach Disziplin aus Zielscheiben und/oder unterschiedlich großen 3D-Objekten aus hochdichtem Schaumstoff. Die können alles sein, von Tierattrappen über Pilzmännchen bis zu Fabeltieren. «Es ist eigentlich wie Biathlon ohne Schnee und mit Pfeil und Bogen», beschreibt Leonhart die Wanderung durch den Parcours. Bis zu sieben Stunden sind die Schützen hier unterwegs. Damit Leonhart unterwegs bei Kräften bleibt, hat er an seinem Köcher befestigt immer eine Brotzeit und etwas zu trinken mit dabei. An besonders heißen Tagen versorgt ihn sein Vater auch unterwegs mit frischem Wasser. Er ist es auch, der Leonhart auf den Turnieren betreut, Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort organisiert und sich um dessen Ausrüstung kümmert.
Durch den Parcours zu streifen und über mehrere Stunden hinweg konzentriert einem Ziel zu folgen, ist das, was Leonhart beim Bogenschießen am meisten Freude macht. Dabei stören ihn weder Regen noch Hitze. «Je extremer das Wetter ist, desto besser bin ich meistens», erzählt er. Um sich für die Wettkämpfe fit zu machen, übt Leonhart bis zu dreimal unter der Woche auf dem Schießplatz im Verein und macht regelmäßig Kraftsport. Auf noch bessere Trainingsbedingungen hofft er in Zukunft bei den Memminger Bogenschützen: «Ich hoffe, dass ich dann an meine Erfolge anknüpfen kann.»
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