Volle Verantwortung

Ihre Faszination für die Punkt-Kreis-Meditation innerhalb des Heilpädagogischen Kurses von Rudolf Steiner bringt Annette Pichler zu Willfried Immanuel Kunert: Ohne ihn könne nicht über den Heilpädagogischen Kurs gesprochen und geschrieben werden. So stellt sie also die Fragen, worauf die von Steiner gestellte Diagnose des Jungen beruhte, wieso diese problematisch ist und welche alternativen Interpretationen es für die Situation geben könnte. Für Annette Pichler haben diese Fragen eine «Schüsselfunktion für ein vertieftes Verständnis der Bedingungen der Punkt-Kreis-Meditation». Sie sind zentral für die anthroposophische Heilpädagogik.

Wir wissen letztlich nicht, woran der kleine Junge starb, dass hier jedoch Rudolf Steiner sehr eigenwillig ein sehr unmenschliches therapeutisches Vorgehen empfahl, hat das kurze Leben des Jungen verschlimmert.

Die große Leistung von Annette Pichler ist, dass sie sich in ihrer akribischen Arbeit mit einem immensen anthroposophischen Wissen der Realität stellt und Glaubensmuster entblättert, ohne bloßzustellen. Alle behalten ihre Würde, aber der Tod des Kindes wird nicht beschönigt und der haarsträubende Umgang mit der Erkrankung und das Leid des Kindes und die Verblendung der Mutter wird offengelegt. So fordert Pichler nach ihrer sezierenden Analyse, in der sie mangelndes Wissen, falsche Schlüsse, manipulative Interpretation und unmenschliches Handeln aufdeckt, eine radikale Neubewertung und vor allem sieht sie die Notwendigkeit der Aufarbeitung und Verantwortungsübernahme für entstandenes Leid im anthroposophischen Kontext. Das bedeutet ab jetzt, nicht einfach unhinterfragt den Heilpädagogischen Kurs zu arbeiten. Wir müssen uns dem stellen, was passiert ist und das hat Annette Pichler getan. Sauber sezierend und analysierend. Das ist wichtig und dafür gebührt ihr Anerkennung und Dank.