Ausgabe 07/08/25

Wahrnehmen und abstrahieren!

Stephanie Sell


Heute müssten allerdings die Notwendigkeiten der Gebäudetechnik bereits direkt beim Entwerfen der ästhetischen Hülle mitgedacht und mitempfunden werden, sodass beides in einer Art Synthese, in einem ineinander verwobenen Prozess generiert werden könne. Es müsse viel Zeit während des Studiums investiert werden, den Studierenden dies nahezubringen.

Ich dachte bei mir: «Wenn Waldorfschule gelingt, dann können unsere Schüler:innen genau so eine Synthese bilden!» Mir fiel die Eurythmie ein, die jede Stunde aufs Neue übt, Gedanken und Empfindungen in Verbindung miteinander zu bringen und diese Synthese durch den Körper auszudrücken. Mir fiel das Aquarellieren der ersten Jahre ein, bei dem in großer Vorfreude auf den sich entwickelnden Prozess Farbe dem nassen Papier anvertraut wird. Im Loslassen stellt sich Schönheit ein. Jedes erarbeitete Werkstück, jedes Praktikum lässt die Fähigkeit wachsen, Materialien in ihren Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten intuitiv zu erfassen und in Beziehung zu einer Aufgabenstellung zu setzen. Auch die Naturgesetzmäßigkeiten werden an Waldorfschulen so unterrichtet, dass sie zumindest in der Mittelstufe bis in die Körperlichkeit hinein erfasst werden, bevor sie ins Gedankliche gehoben werden. Dieser Pool an Erfahrungen und erworbenen Fähigkeiten ist für meine Begriffe genau der melting pot, aus dem sich die Fähigkeit gebiert, den oben beschriebenen Anforderungen gerecht zu werden. So fühle ich mich einen Moment lang fürchterlich stolz. Ein kleines Fragezeichen entsteht allerdings an der Stelle, an der ich mir klar mache, dass auch grundständiges Verstehen und Handhaben von Technologien zu den notwendigen Voraussetzungen gehören. An dieser Stelle sind die Rückmeldungen aus den Schüler:innenvertretungen und von den Alumni eindeutig. Stets wird hier zumindest für die interessierten Schüler:innen eine stärkere Auseinandersetzungsmöglichkeit mit Technik eingefordert und das bestehende MINT-Curriculum als zu dünn empfunden. So heißt es also erneut: Nicht zurücklehnen, sondern im Bewusstsein für unsere besonderen Qualitäten unsere Schulen weiterentwickeln!

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