Diese Ziele sind für die Waldorfpädagogik selbstverständlich, denn dort wird ohne Selektion nach Leistung, Herkunft oder Religionszugehörigkeit Bildung in einem Klassenverband für alle angeboten. Waldorfpädagogik kann durch ihr ganzheitliches Konzept aber einen besonderen Beitrag zu einer qualifizierten Bildung leisten.
Da wir als Menschheit dabei sind, uns und unsere Erde nachhaltig zu schädigen, müssen wir unser Verhältnis zur Welt, zu anderen Menschen, Tieren, Pflanzen und zu all dem, was um uns ist, verändern. Wir müssen unsere distanzierte und berechnende Haltung aufgeben und eine anteilnehmende, solidarische und kooperative Haltung einnehmen. Wie kann uns das gelingen und was kann die Schule in diesem Zusammenhang tun?
Ein erster Schritt besteht darin, dass wir unsere Vorstellungen und eigene Befindlichkeiten hinter uns lassen und uns gedanklich und gefühlsmäßig ganz einer Sache widmen. Wir versuchen dabei das Wesentliche oder das Wesen, also den Kern von etwas, in seinem «Sosein» (so wie es ist) zu erfassen. Dafür müssen wir innerlich ruhig werden, wir beginnen uns zu interessieren, wir hören zu, beobachten, nehmen innerlich Anteil, stellen Fragen und erfahren und erfühlen auf diese Weise immer mehr von dem Besonderen oder Charakteristischen einer Sache.
Wenn wir zum Beispiel die Formen der Blätter einer Pflanze innerlich nachvollziehen, die Pflanze vorstellend innerlich erschaffen und diesen Prozess mit unseren Gefühlen begleiten, lässt sich die äußere Distanz, die wir am Anfang hatten, überwinden. Mit unserem Gefühl empfinden wir beispielsweise das Spitze oder das Runde und lernen so die Pflanze in ihrem «Sosein» immer besser kennen. Wie unterschiedlich zwei Pflanzen sein können, zeigen die hier dargestellten beiden Blattmetamorphosen.
Wir versuchen in der Waldorfschule zweierlei: Neben dem Erwerb von objektivem Wissen versuchen wir anteilnehmend wesenhafte Qualitäten einer Sache zu erfassen. Dabei spielt nicht nur das Denken, sondern auch unser anteilnehmendes Fühlen eine bedeutende Rolle.
Wenn man gelernt hat, erkennend und empathisch Dinge, Vorgänge und Prozesse zu verstehen, können Achtung, Bewunderung, Schönheitsempfinden, ein Bewusstsein für die Verletzlichkeit und ein Gefühl der Einzigartigkeit für die Welt und ihre Lebewesen entstehen. Mit diesem Blick und dieser Haltung können wir nachhaltig mit unserer Erde und ihren Lebewesen umgehen.
Ausgabe 05/24
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