Ausgabe 09/24

War Steiner technikfeindlich?

Wolfgang Müller

also nicht nur die (völlig berechtigte) Frage zu stellen, in welchem Alter und welchem Maß Kinder etwa digitale Medien nutzen sollten, sondern überhaupt eine Art Grundaversion gegen die technische Moderne zu pflegen.

Auf Rudolf Steiner könnten sie sich dabei allerdings nicht berufen. Er war an technischen Dingen höchst interessiert. Allen Erfindungen seiner Zeit – vom Telefon bis zu elektrischer Straßenbahn und Automobil, vom Dia-Projektor bis zu den ersten Radioapparaten – stand er aufgeschlossen und erstaunlich kenntnisreich gegenüber.

Dennoch, ist es in der Anthroposophie ein wichtiges Thema, wie man als Mensch zu seiner Epoche steht, heute also insbesondere zum kühlen, analytischen, «technischen» Geist der Moderne.

Grundsätzlich kann es dabei zwei problematische, einseitige Tendenzen geben. Die eine geht dahin, vor dieser Kälte der Epoche auszuweichen und sich quasi spirituelle Schutzräume zu suchen. Die entgegengesetzte Gefahr liegt darin, sich den technischen Möglichkeiten besinnungslos auszuliefern. Die Flucht vor den Realitäten der Gegenwart nannte Steiner «luziferisch»; den Realitäten zu verfallen nannte er «ahrimanisch». Beides hielt er für Irrwege. Der Mensch, so Steiner, müsse sich seiner Epoche stellen, auch ihrem Materialismus, «der ja seine Berechtigung hat». Aber er müsse zugleich Kräfte in sich entwickeln, um diesen Herausforderungen standzuhalten und geistig gewachsen zu sein.

Konkreter heißt das: Wenn man in Teilen der Anthro-Welt mit Hochmut auf die schnöde Außenwelt blickt, aber, wie Steiner spitz anmerkte, «von dem, was außerhalb ist, nicht viel versteht» – dann ist das eben weltflüchtig, «luziferisch». Zugleich ist aber auch klar, dass sich die Anthroposophie den Fehlentwicklungen unserer Epoche entgegenstellen muss. Sie muss ein Gegenpol sein, nur auf die richtige Weise. Das ist ja ihr ganzer Sinn, innere Möglichkeiten lebendig zu halten, die heute wie gelähmt sind, eine Sprache zu finden für das, was in Sprachlosigkeit gesunken ist, und notwendige Entwicklungen anzubahnen, die heute noch kaum in Ansätzen gesehen werden. Noch in seinem letzten Lebensmonat notierte Steiner: «Der Mensch muss die Stärke, die innere Erkenntniskraft finden, um von Ahriman in der technischen Kultur nicht überwältigt zu werden.»

Trotz aller Unzulänglichkeiten der anthroposophischen Bewegung – ihr Grundimpuls ist aktueller denn je. Und wenn unsere Zeit das gar nicht mehr erkennen kann, dann ist sie wohl schon in hohem Maß «überwältigt» worden. Letztlich, so Steiner, sei es so, «dass eine Anzahl von Menschen die Kraft aufbringen muss, der brandenden Woge des Materialismus wirklich sich mit allem Persönlichsten entgegenzustellen».

 

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