Während wir im Bett friedlich schlummern, erwacht draußen das Leben: Ein Holzpferd überholt galoppierend eine selbstfahrende Fahrradherde und auf der Baustelle wärmen sich die Arbeiter:innen für das Baustellenballett auf. Die menschenleeren Straßen und Parks sind ohne Menschen und deshalb nicht weniger belebt. Sie spielen mit sich selbst.
Das, was einem als Kind manchmal unglaublich erscheint, dass die Welt weiter existiert, wenn man schläft, wird hier umgedreht und stimmt daher gar nicht mehr. Die Welt wird nachts zu einem Abenteuerspielplatz. Es buckeln die Rutschen in den Gärten, Züge schlafen eingerollt wie Schlangen und die Tiere im Zoo spielen Schach. Auf jeder Seite steht eine Strophe des langen Gute-Nacht Gedichts, die den Leser:innen förmlich aus dem Mund purzelt beim Lautlesen. Raffaela Schöbitz hat die Geschichte illustriert. Dabei ist das Buch in Blautönen gehalten – schließlich ist es Nacht – und nur vereinzelte Lichtquellen erhellen punktuell das Geschehen. So erzählen die Bilder auch vom Entdecken der Geheimnisse der Nacht. Alles ist zu erkennen und doch wünschte man sich manchmal mehr Licht, um noch mehr von der geheimen Szenerie zu haben.
Ein Kinderbuch, das Spaß an der Sprache hat und mit dem kindlichen Mysterium der Nacht spielt, ohne Angst zu machen. Unbelebte Objekte werden lebendig, Altbekanntes verhält sich neu - das lädt ein zum Erfinden, von dem was ist, wenn man nicht hinsieht. Und wenn es wieder hell wird, ist der Spuk vorbei, der Wecker hat geklingelt, die Welt erwacht. Bleibt die Frage, ob man jetzt ganz schnell ins Bett möchte, damit der Spaß gleich losgeht – oder lieber gar nicht, damit man auch mal dabei sein kann?
Cornelia Travnicek: Kurz bevor der Wecker klingelt, illustriert von Raffaela Schöbitz. 40 Seiten, Picus Verlag, Wien 2023, 18 Euro.
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