Ausgabe 01-02/25

Zeit für Neuordnung und Neubewertung

Angelika Lonnemann

Hatten wir vor hundert Jahren noch eine ganz und gar eurozentrische Perspektive («der europäische Mensch ist zivilisiert und allen anderen Kulturen auf der Welt in Moral, Religion, Technik, Medizin überlegen»), so schauen heute Wissenschaftler:innen, auch solche, die selbst aus ausgebeuteten Kulturen stammen, auch auf die Perspektive jener Menschen, denen die Besatzer Kultur und Identität genommen haben, oder deren Völker von den Kolonialmächten bis auf wenige Überlebende ausgelöscht wurden.

Im Geschichtsunterricht an Waldorfschulen herrschte bisher oft, vor allem in der Unter- und Mittelstufe, diese eurozentrische Perspektive vor. Außerdem wirkte es oft so, als würden Mythen und Fakten vermischt – ein ehemaliger Kontinent Atlantis (Mythos) war ebenso Unterrichtsinhalt wie das alte Ägypten oder das Römische Reich (jeweils Fakten). Jede historische Darstellung ist zwar zwangsläufig auch eine Interpretation und kann niemals absolute Gültigkeit beanspruchen, dennoch lässt sich der Übergang von fiktiven Erzählungen zum faktenbasierten Geschichtsunterricht klarer strukturieren. Durch neue Richtlinien und Lehrpläne nimmt die Pädagogische Forschungsstelle am Bund der Freien Waldorfschulen aktuell eine Weichenstellung vor. Diese Erziehungskunst widmen wir der Arbeit eines Teams aus 30 Geschichtslehrkräften, die neue Unterrichtsmaterialien für Waldorflehrkräfte entwickeln. Dass diese Arbeit auch auf Kritik stößt, beleuchten wir in einem Gespräch mit zwei der Projektleiter:innen.

Passend zu diesem Thema finden Sie in dieser Ausgabe auch einen Text über ein spannendes Anti-Rassismus-Seminar. Außerdem lesen Sie unter vielen anderen einen Bericht von Heidi Käfer über das Projekt Zukunft.Machen und einen hoch interessanten Artikel von Fran Russel über die Entwicklung der Waldorfschulen in Großbritannien, wo die Schließung einiger Waldorfschulen durch englische Behörden zu einem großen Modernisierungsschub geführt hat. Wir starten eine neue Serie mit wunderschön illustrierten Rezepten von Jana Hiersemann-Bouldjediane aus Leipzig.

Und hier noch ein wichtiger Hinweis für alle Waldorflehrkräfte: die Pädagogische Forschungsstelle hat ihre Homepage relauncht. Das Ergebnis ist unter anderem eine riesige Datenbank mit interessanten Unterrichtsinhalten, aber auch Archiven, etwa dem der Erziehungskunst. Sie können sich auf forschung-waldorf.de einmalig anmelden und haben dann Zugriff auf sämtliche Materialien.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen fröhlichen Februar!

Kommentare

Es sind noch keine Kommentare vorhanden.

Kommentar hinzufügen

0 / 2000

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Dieser wird nach Prüfung durch die Administrator:innen freigeschaltet.