Die andere Pandemie

Henning Köhler

Ich verspüre ein wachsendes Bedürfnis, mich davon frei zu machen. Bei zwei pädagogischen Fortbildungswochenenden im Oktober 2020 mit insgesamt 70 Teilnehmern gelang es uns tatsächlich, kein einziges Wort über Corona zu verlieren. Das war richtig befreiend.

Reden wir also von einer anderen Pandemie. Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes hat soeben die Kampagne »My Planet, my rights« gestartet. »Wir wollen erreichen, dass das Recht der Kinder auf eine gesunde Umwelt in einem Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention verankert wird«, erklärt Birte Kötter, Vorstandssprecherin von Terre des Hommes Deutschland. Möglichst viele Staaten sollen sich verpflichten, ihre Politik stärker auf das Kindeswohl auszurichten, vor allem in ökologischer Hinsicht. Es geht u.a. darum, die krankmachenden, oft tödlichen Auswirkungen von Umweltgiften auf Kinder zu ächten. Bakut Tuncak, ehemaliger Sonderberichterstatter zur Auswirkung der Umweltverschmutzung auf die Menschenrechte, legte zum Auftakt der Kampagne in Osnabrück eine Studie vor. Sie trägt den Titel: »Die stille Pandemie«. Schätzungsweise 1,7 Millionen Kleinkinder weltweit sterben jedes Jahr an umweltbedingten Krankheiten. Gifte finden sich in der Luft, im Wasser, in der Muttermilch, in Nahrungsmitteln, in Körperpflegeprodukten, im Spielzeug, in Farben, Verpackungen, Möbeln, Baumaterial, Kleidung u.v.m. An Covid-19 erkranken verschwindend wenige Kinder, an Umweltgiften erschreckend viele. Auch Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten – etwa das sogenannte ADHS – können durch Umweltgifte (mit-) verursacht sein. Wobei nicht verschwiegen werden darf: Der bedenkenlose (!) Einsatz »harter Medizin« schon im Kindesalter gehört zu den umweltmedizinisch relevanten Belastungsfaktoren. Darauf nimmt die Kampagne von Terre des Hommes meines Wissens nirgends Bezug. Oft werden z.B. durch Antibiotika oder Psychopharmaka Pyrrhus-Siege errungen. Teilweise dürfte das auch für Impfungen gelten. Gegen Covid-19 wird man impfen, was das Zeug hält. Niemand kann wissen, ob unerwünschte Spätfolgen drohen. Doch die »stille Pandemie« lässt sich nicht wegimpfen. Um sie zu stoppen, müssten wir unser Leben ändern … und rücksichtslosen Großkonzernen das Handwerk legen. Umweltvergiftung, Klimawandel, Covid-19 … das hängt alles zusammen, und am schlimmsten trifft es die Ärmsten, im globalen Maßstab wie auch hier bei uns. Wir einigermaßen sozial abgesicherten Bürger jammern auf einem hohen Niveau. Die WHO rechnet mit zig Millionen unterernährten Kindern in den nächsten 20, 30 Jahren. Wer die Kampagne von Terre des Hommes unterstützen will, kann das tun.

Literatur/Links:

www.my-planet-my-rights.org | Süddeutsche Zeitung, 29.10.2020, Blei im Blut, Plastik im Kopf | Ulf Sauerbrey: ADHS durch Umweltgifte? Schadstoffe in der Kinderumwelt, Edition Paideia 2010 | https://www.ekd.de/corona-krise-oekologische-krise-und-nach-haltigkeit.55144