Zurückfauchen

Jens Göken

Lieber Herr Maurer, ja, die Oberstufen an Waldorfschulen sind ein umkämpftes Schiff, das an so mancher Schule schon aufgegeben ist, um als Waldorfgymnasium weiter zu segeln. Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wenn Sie sagen, das sei die politische Abstinenz. Mir scheint, dass Funktionärstypen ohne echten Waldorfhintergrund den Kurs bestimmen, obwohl die Lehrer  anderer Auffassung sind oder es wären, wenn sie denn begreifen würden, was da gerade vor sich geht. Es gibt auch Kollegen, die so weit mit den Staatsschulen liebäugeln, dass sie nichts dabei finden, den Eurythmieunterricht zu streichen, das Klassenspiel und die Jahresarbeiten in die 11. Klasse zu verlegen (was ein Unding ist, wenn man mit offenen Augen auf Elft- und Zwölft-Klässler schaut!) oder gar die Realschüler schon nach der 11. Klasse zu entlassen.

Ich wundere mich eigentlich, dass in der »Erziehungskunst« nicht schon längst die Alarmglocken geläutet wurden, aber das Ganze geschieht eben schleichend ...

Das Spezialheft ist ein erster Schritt, in dem die Sache nüchtern angeschaut wird. Aber das Heft bringt außer Ihrem Vorwort und dem Beitrag von Benjamin Kolass die Dramatik nicht auf den Punkt. Waldorfschüler sind tatsächlich anders als der Mainstream der Gesellschaft, und mit Politikern und Hollywoodstars herumzuprahlen – das kann es nicht sein ... Die Situation ist dramatisch und das, was dazu gesagt wird, ist meist viel zu vorsichtig formuliert. Wir könnten solch eine starke Front für ein freies Schulwesen bilden! Ich glaube, dagegen würde der Staat zuletzt gar nichts mehr sagen, wenn es denn konkret und konstruktiv vorgetragen würde. Ich denke sogar, der Staat wartet geradezu darauf, dass wir mal zurückfauchen. Die Welt will uns stark sehen und nicht ständig katzbuckelnd und vorauseilend gehorsam!

Mit Dank für Ihr Engagement

Jens Göken