Ob Lehrer oder nicht, Berufsanfänger oder erfahrene Kollegen, die Semaine Française ist offen für alle und versammelt jeden September seit fast dreißig Jahren um die hundert Teilnehmer. Diesen Erfolg verdankt sie ihrer einzigartigen Konzeption: eine Woche des vollständigen Eintauchens in die Sprache und Arbeit am Französischen in allen seinen Aspekten, sowohl methodisch-didaktisch als auch künstlerisch.
Bonjour! Oui c’est ici! Das Lächeln von Rébecca Del Frate empfängt uns in der Bahnhofshalle von Strasbourg. Zwischen zwei Bises und drei Umarmungen hakt unsere Cheforganisatorin gewissenhaft die Namen auf ihrer Liste ab. Rundherum stellt man sich vor, erkennt sich wieder und im fröhlichen Stimmengewirr mischen sich die verschiedenen Akzente des Französischen.
Je suis Canadienne et je travaille en Suisse italienne. … Je viens de Montpellier. Daneben hört man Mosambik mit Venezuela und Österreich mit Holland reden. Meine Nachbarin ist Kroatin und war früher Touristenführerin. Heute ist sie Französischlehrerin und unterrichtet Klassen, in denen Kinder auf den unterschiedlichsten Stufen des Könnens versammelt sind. Die Differenzierung, das Thema der diesjährigen Semaine Française, interessiert sie deshalb besonders.
Inzwischen hat unser Bus das Centre de jeunesse in Baerenthal erreicht – ein idyllischer Ort mitten im Wald des Nationalparks der Vogesen gelegen. Man lernt die Mitbewohner kennen, nimmt die Zimmer in Beschlag und fühlt sich an die Colonies de vacances erinnert. – Und schon ist es Zeit für die Vorstellung dessen, was uns erwartet.
Die eigene Kreativität wecken
Die Fortbildung wird geleitet von Gilberte Dietzel und Siegmund Baldszun; sie eröffnen die diesjährige Woche mit einer Improvisation über das Thema: Wie differenzieren wir, um den Schülern zu helfen, in ihrem Tempo voranzukommen? – Vor versammelter Mannschaft werfen sich die beiden Kollegen frotzelnd die Bälle zu und nähern sich gleichzeitig den grundlegenden Fragen. Der Stil ist damit vorgegeben: Man lacht viel, spürt jedoch bereits, dass man auf ein ernstes und intensives Arbeiten zugeht.
Beflügelt, wenden wir uns der Wahl der Arbeitsgruppen, den Ateliers, zu. Dort wird methodisch-didaktisch gearbeitet, gegliedert nach verschiedenen Klassenstufen. In den künstlerischen Kursen gibt es Sprachgestaltung und Stimmbildung, Gesang und Eurythmie – alles auf Französisch. Und man versammelt sich um das Klavier, um ausgewählte französische Chansons zu singen. Das Programm ist anspruchsvoll, lässt uns jedoch genügend Zeit; während einige im Grünen frische Luft schöpfen, setzen andere noch die Arbeit in den Ateliers fort.
Inspirationen und Kniffs und Tricks
Was kann ich für diesen oder jenen Schüler tun? Welche Phase macht eine Klasse gerade durch? Welche Haltung kann ich dieser oder jener Situation gegenüber einnehmen? Die Kollegen haben ihre Materialien, Hefte, Bücher mitgebracht. Wir tauschen unsere Fragen aus, verraten unsere Kniffe und sprechen über das, was uns inspiriert.
Du musst darum kämpfen, mehr Stunden zu bekommen!
Von Anfang an waren die Fremdsprachen ein Herzensanliegen der Waldorfpädagogik. Nach dem Ersten Weltkrieg wollte Steiner, dass die Menschen sich verstehen lernen, dass sie das Zusammenleben lernen, um eine friedliche Welt zu schaffen. Zwischen Berufsanfängern und erfahrenen Kollegen ist der Austausch von Ratschlägen besonders wertvoll. Am dritten Abend betreten die Künstler die Bühne. Jeder in seiner Kunst, mit Kraft, Präsenz oder Zartheit, lädt uns dazu ein, dass wir alle das Beste geben und bis in die Haarspitzen an uns glauben. Die Zuschauer applaudieren, nehmen die Eindrücke in sich auf und nehmen sie mit in die Nacht.
Zwei Tage später sind wir, die Teilnehmer, dran. Jede Gruppe hat sich darauf vorbereitet, einige Eindrücke aus den Ateliers zu präsentieren. Und mit einem Mal ist um uns herum die Gegenwart der Kinder spürbar. Durch uns hindurch hören wir ihr Lachen und ihr Zögern, ihre Fröhlichkeit ebenso wie die stürmische Kraft ihrer Überzeugungen. Von sieben bis einundzwanzig Jahren: Zwei Jahrsiebte, in denen sie ihre Persönlichkeit ausbilden und in denen wir die Aufgabe haben, sie dabei zu begleiten. Es wird sehr Unterschiedliches vorgetragen: von einem chorisch gesprochenen Text bis zu einem niedlichen Abzählvers, von einem Wiederholungsspiel bis hin zu einer improvisierten Szene.
Herzen gewinnen
Wie könnte man eine Sprache unterrichten, ohne bestrebt zu sein, die Herzen der Kinder zu gewinnen? Wie könnte man eine Sprache spürbar machen, wenn man sie nicht selbst spürt? Die Semaine Française erlaubt es, sich auf diese Arbeit zu konzentrieren, die darin besteht, ganz in der Sprache zu leben. Es gibt nichts Emotionaleres als das Erlernen einer Sprache. Einige werden von der Freude am Lehrersein ergriffen werden, andere werden in sich etwas finden, das sie leiten kann, und werden darauf brennen, wiederzukommen. Wie dem auch sei: Man geht belebt aus dem Erlebnis dieser Fortbildung hervor, gestärkt, mit erweitertem Horizont – als Lehrer, die für die französische Sprache entflammt sind, als werdende Künstler der französischen Sprache.
Übersetzung: Bertold Breig
Zur Autorin: Chantal Simon, Französischlehrerin an der Freien Waldorfschule Haan Gruiten, ist ausgebildete Journalistin und absolviert zur Zeit in Paris die Waldorf-Lehrerausbildung.
www.mensch-und-sprache.de; hier finden Sie die originale, ungekürzte Version auf Französisch.