Interesse an der Chemie zu wecken, gelingt oftmals über spannende, aufregende, für den Alltag nützliche oder besonders schön anzusehende Versuche und nicht über die bisweilen komplizierte Formelsprache. Aufgrund dessen halte ich es für unbedingt notwendig, bis Klasse zehn eine Fülle an Versuchen zu zeigen, damit die Klasse lernt, neugierig zu beobachten. Wichtig ist mir, dass alle die Möglichkeit haben, selbst zu beobachten. Hierzu vergrößere ich mittels Kamera auf einen angeschlossenen Bildschirm, damit kleine Effekte, welche im Abzug stattfinden, auch in der letzten Reihe noch gut erkennbar sind. Schwachstellen der Technik werden ebenso aufgezeigt, da die Farben beispielsweise oft in einer anderen Nuance in Erscheinung treten, als wenn direkt beobachtet wird. Durch das gemeinsame Erkenntnisgespräch und die möglichst offen gestellten Fragen sollen die Versuche nahezu selbsterklärend werden. «Jetzt verraten Sie doch wie es funktioniert, was dabei entsteht», so oder so ähnlich habe ich gelegentlich frustrierte Schüler:innenaussagen erlebt, wenn die Fragestellungen komplexer wurden. Das entdeckende, mit der Erkenntnis ringende Lernen bleibt jedoch länger im Gedächtnis und sorgt für Selbstwirksamkeit und Stolz über das selbst Erdachte. Ich achte in meinen Epochen darauf, dass die ausgewählten Versuche prozesshaft ineinandergreifen. Dazu gibt es für die neunte Klasse gute, bereits vorhandene Unterrichtskonzepte, beispielsweise von Ulrich Wunderlin. Diese bestehenden Konzepte auf die konkrete Situation der Klasse und Anforderungen der darin befindlichen Individuen abzustimmen, ist spannend und verlangt Flexibilität. Exemplarisch ist hierbei die Herstellung von Rosinenwein zu nennen, der anschließend destilliert und hinsichtlich seiner Eigenschaften untersucht wird. Danach lässt sich der entdeckte Stoff Ethanol in weiteren Versuchen zu Estern, Ethern und Carbonsäuren umwandeln; das ist erstaunlich, und nach dem Begreifen ist es möglich, selbst nachzubauen oder gar schöpfend tätig zu werden. Begriffe selbst zu entdecken, zu verstehen, woher die historischen Begriffe für die Elemente stammen, Trennungsverfahren kennenzulernen und selbstständig chemische Probleme zu lösen – das sind die ersten Schritte, welche die Schüler:innen in der neunten Klasse gehen lernen. Schauexperimente wie die Elefantenzahnpasta (aus Wasserstoffperoxid, Kaliumiodid, einem Schuss Geschirrspülmittel und Wasser entsteht eine wachsende Masse Schaum, die sich wie überdimensionale Zahnpasta auf dem Tisch ausbreitet) oder das hüpfende Gummibärchen (in einem Reagenzglas wird Kaliumnitrat geschmolzen und anschließend Gummibärchen hinzugegeben. Bei der Redoxreaktion verbrennt das Gummibärchen, brummt, zischt und hüpft) gehören selbstverständlich mit dazu. Für Diskussionen über Treibstoffalternativen wie Ethanol bleibt Zeit und Chemieunterricht wirkt in moderne Fragestellungen unmittelbar hinein. Gleichwohl lassen sich auch die historischen Erkenntnisstufen der Chemie im Laufe der Schuljahre exemplarisch nachvollziehen.
In der zwölften Klasse gelingt dann, nachdem die Formelschrift erlernt wurde, die Verknüpfung zwischen Teilchen- und Stoffebene und damit der Überblick über organische und anorganische Chemie. Fächerübergreifende Zusammenarbeit zwischen Chemie und Physik ist unbedingt notwendig, um in Klasse elf die Möglichkeit zu schaffen, Grundlagen zum Aufbau der Materie aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten und Wiederholungen zu vermeiden. In der Kürze der einzelnen Epochen in Klasse elf und zwölf ein ausreichendes theoretisches Fundament anzulegen, ist herausfordernd. An aktuellen, elektrochemischen Fragestellungen der chemischen Forschung, hinsichtlich Batterie und Energiespeicherung bin ich selbst sehr interessiert und möchte dies für Schüler:innen entdeckend zugänglich machen. Herausfordernd ist es, verfügbares Wissen für alle zu vermitteln und gleichzeitig individuell die optimale Entwicklung der einzelnen Schüler:innen zu fördern.
Für den Lernprozess der ganzen Klasse habe ich entdeckt, dass sich am Unterrichtsgespräch zu Experimenten, bei denen mehr als ein Sinn in der Beobachtung angesprochen war, prozentual mehr Schüler:innen beteiligten. Aufgrund dessen versuche ich in meinen Epochen, die Chemie mit möglichst allen Sinnen erfahrbar werden zu lassen. Exemplarisch wäre hierbei der Versuch zur Herstellung von Fruchtestern zu nennen. Dabei wird eine ätzende, gefährliche, giftige Säure (z. B. Buttersäure; ranziger Geruch nach Erbrochenem) mit einem Alkohol (z. B. Ethanol = Trinkalkohol) vermischt. Das sich bildende Produkt ist ein ungefährlicher, nach Ananas duftender Ester, der industriell als Duftstoff eingesetzt wird. Staunenswert ist zudem die extreme Wärme, die beim Zusammenmischen der beiden Flüssigkeiten entsteht. Es wird den Schüler:innen deutlich, dass sich die Stoffe verändert haben, und dass das entstandene Produkt neue stoffliche Eigenschaften besitzt.
In meiner eigenen Schulzeit am Gymnasium war das Interesse und die Freude meiner Mitschüler:innen am Chemieunterricht sehr schnell vorbei, da der Fokus damals nicht auf spannenden Versuchen, sondern auf Modellen und Theorien lag. Auf die vielen Fragen der Klassen nach den Inhaltsstoffen in Lebensmitteln, den Stoffen in den Solarzellen oder dem Grund für das Verwenden von Salz auf Skipisten gehe ich in Exkursen in den jeweiligen Epochen gerne nach. Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass Schüler:innen chemische Zusammenhänge verstehen und sie in ihrem Alltag anwenden können. Ein grundsätzliches chemisches Verständnis schützt vor Unfällen im Alltag (Ölbrände nicht mit Wasser löschen etc.) und der falschen Bewertung von Nachrichten. Schüler:innenpraktika zur Herstellung von eigenen Seifen, Deos, Parfüms, Handcremes und weiteren für den Alltag interessanten Produkten trafen auf besonders viel Begeisterung. Das Wissen über die Wirksamkeit chemischer Substanzen und den selbst durchgeführten Herstellungsprozess von Naturkosmetik sorgt dafür, dass die Jugendlichen selbstbestimmter agieren und daraus resultierend bewusster konsumieren können.
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