Es ist mein erster Drehtag überhaupt und trotzdem fühlt sich der Freitag im September bei aller Aufregung so an, als hätte ich bislang nichts anderes gemacht, als zusammen mit einem Team aus Menschen von drei verschiedenen Schulen, die ich bis dahin kaum bzw. gar nicht kannte, PR-Filme zu produzieren.
Im »echten Leben« bin ich Schüler an der Freien Waldorfschule Landsberg am Lech, wo ich die 10. Klasse besuche. Meine Medienkundelehrerin Karoline Kopp fragte mich kurz vor den letzten Sommerferien, ob ich nicht Lust hätte, an einem medienpädagogischen Projekt teilzunehmen. Ebenso sollte ich meine Drohne für Luftaufnahmen mitnehmen. Ich wusste anfangs nicht wirklich, was mich dort erwarten würde. Am 16. September 2021 ging es dann los: Zusammen mit Corentin, einem Schüler unserer 9. Klasse, sowie Karoline Kopp fuhren wir in das rund 700 Kilometer entfernte Mettmann. Der Auftrag: Erstellt zusammen mit Schüler:innen von zwei anderen Schulen einen Kurzfilm über die »Bauernhoffahrten« der Sarah Wiener Stiftung. Die Bauernhoffahrten sind organisierte Ausflüge für Kita- bzw. Vorschulkinder und sollen den Mädchen und Jungen nahebringen, wo unsere Lebensmittel herkommen. Aus hofeigenen und selbst geernteten Produkten bereiten die Kleinen unter Anleitung eine frische, saisonale Mahlzeit zu und erfahren so, wie viel Arbeit aber auch Freude es macht, ein wertvolles und gesundes Essen zu kochen. Die Herausforderung: die Szenarien gemeinsam filmisch festzuhalten. Denn fast alle von uns hatten noch nie zuvor einen richtigen Film gemacht und die Schulkamerad*innen der Rudolf-Steiner-Schule Mönchengladbach sowie der Neuen Waldorfschule Dresden bisher nur einmal in einer Videokonferenz gesehen.
Große Gelegenheit zum Kennenlernen gab es erst einmal nicht: Unser gastgebender Landwirt Roland Rapp wurde an anderer Stelle gebraucht und hatte deshalb nur jetzt sofort ein knappes Zeitfenster für uns. Wir mussten also spontan sein Interview vorziehen. Dabei hatten wir uns noch gar nicht mit dem Filmequipment vertraut machen können. Wir sprinteten stattdessen alle zum Auto von Franz Glaw von der Freien Hochschule Stuttgart, der das Projekt medienpädagogisch leitete, und holten die Ausrüstung: Profikameras mit Wechselobjektiven und Manfrotto-Stativen, Richtmikrofone mit Windkorb und Tonangel, Funkstrecken, Kopfhörer und meine Drohne. Während Franz Glaw den technischen Aufbau koordinierte und uns alles erklärte, positionierten Karoline Kopp und Michelle Cosier, Lehrerin an der Freien Waldorfschule Dresden, den Bauern zum Interview am Scheunentor. Franz Glaw erläuterte uns, wie wir Fragen stellen sollten und auf was wir achten müssten, damit am Ende auch brauchbares Material herauskäme. Nur wenige Minuten später starteten wir mit unserem ersten Interview bzw. den Aufnahmen und waren flugs mittendrin im Geschehen. Solang die Sonne schien, machte ich zusammen mit Rasmus aus Mönchengladbach, einem Elftklässler, der Franz Glaw assistierte, Luftaufnahmen vom Hof mit zwei Drohnen. Erst danach fanden wir uns alle zu einer Vorstellungsrunde sowie einem technischen Briefing um einen Tisch auf dem Hof ein: Rasmus und Franz Glaw, Helene und Jorinde mit Michelle Cosier aus Dresden, Corentin und ich in Begleitung von Karoline Kopp aus Landsberg am Lech sowie die Fotografin Charlotte Fischer und Christine Hueß von der Software AG – Stiftung, die das Filmprojekt finanziell gefördert und organisiert hat. Franz Glaw zeigte uns nun ausführlich die Eigenheiten der verschiedenen Mikrofone sowie die Bedienung von Kameras und Objektiven. Wir durften alles ausprobieren, um uns für den Bauernhofdreh am nächsten Morgen vorzubereiten. Dafür erstellten wir zuerst eine Art »Drehbuch« mit einem Plan für die Kamerapositionen sowie die zu erfassenden Filmszenen am nächsten Tag samt Fragen an die Kita-Erzieherinnen sowie Sara Wolff, die als Vertreterin der Sarah Wiener Stiftung angekündigt war. Der lange Tag endete bei einem gemeinsamen Pizzaessen mit allen Beteiligten. Irgendwie war es, als würden wir uns schon ewig kennen.
Der eigentliche Dreh startete dann um 8 Uhr am Morgen des nächsten Tages. Und wieder war das Equipment gerade erst aus dem Auto geholt, als es unmittelbar losging. Dabei konnten wir im praktischen Erleben so viel Neues erfahren: über Medientechnik, Drehbucherstellung und Kameraführung, aber auch über Ernährungsthemen und die Arbeit der beiden Stiftungen. Es war für uns ein so intensiver Lernfortschritt, der in der Schule mit Stift und Block wahrscheinlich Monate gedauert hätte.
Für den Filmschnitt und die Postproduktion fuhren wir sofort im Anschluss an den Dreh an die Rudolf-Steiner-Schule in Mönchengladbach, wo Franz Glaw Mathematik und Deutsch unterrichtet. Schließlich mussten viele Stunden Filmmaterial gesichtet und verarbeitet werden. Wir schrieben zudem einen Sprechertext und bauten dafür eine improvisierte »Sprecherkabine«, in der wir ihn auch direkt einsprachen. Wir suchten Musik für den Hintergrund und erstellten ein detailliertes Storyboard, in dem wir die Film- und Tonsequenzen aufeinander abstimmten sowie zu einem Film zusammenfügten (montierten).
Rückblickend war das Filmprojekt – trotz der vielen und anstrengenden Arbeit – für uns ein voller Erfolg und ein besonderes Ereignis, an das wir uns noch lange erinnern werden. Denn es herrschte durchweg eine gelöste Atmosphäre, in der oft und viel gelacht wurde. Man hatte das Gefühl, mit den Lehrer:innen sowie den anwesenden Profis auf Augenhöhe zusammenzuwirken. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung würden wir uns wünschen, dass es in Zukunft mehr medienpädagogische Projekte dieser Art an (Waldorf-)Schulen gibt. Gefallen hat uns vor allem das selbstständige Arbeiten für ein sinnvolles Vorhaben sowie der Austausch mit anderen Schulen. Schön wäre es, wenn die gewonnenen Erfahrungen zukünftig bei großen schulinternen Ereignissen – zum Beispiel bei Theaterstücken oder anderen Klassenprojekten – eingesetzt werden könnten.
Sicherlich würden sich für die Umsetzung schnell begeisterte Schüler:innen finden, die schulübergreifende Projektteams oder entsprechende AGs ins Leben rufen. Wir sind jedenfalls alle sehr stolz auf das, was wir in der doch so kurzen Zeit auf die Beine stellen konnten. Insbesondere wenn man bedenkt, dass wir Schüler:innen sowie die meisten beteiligten Lehrer:innen so ein Projekt noch nie zuvor gemacht haben und wir uns mit Kameras, dem Schneiden von Videomaterial sowie der notwendigen Nachbereitung im Vorfeld nicht auskannten, kann sich das entstandene Ergebnis wirklich sehen lassen.
Es ist u. a. im Online-Special zum diesjährigen Magazin der Software-AG-Stiftung veröffentlicht worden, das sich dem Thema Ernährung widmet.
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