Ausgabe 04/24

Drei Slams, drei Siege: Madlenka Merk

Anne Brockmann

Sie hat gar nicht gewusst, ja noch nicht einmal geahnt, dass sie das kann. Aber nach dem dritten Sieg im dritten Wettbewerb glaubt sie allmählich daran, sagt Madlenka Merk. «Angefangen hat alles mit einer Deutschepoche in der neunten Klasse. Wir haben Texte zum Thema Lachen und Weinen geschrieben und einen kleinen Wettbewerb nur unter uns veranstaltet. Den habe ich gewonnen», erzählt sie. Ihr Deutschlehrer hat sie daraufhin zu einem Schüler:innen-Slam in Biberach angemeldet. Madlenka war «überrascht, aber einverstanden» und hat die Herausforderung angenommen. Ein Mitschüler hatte sie allerdings überreden müssen. Zuerst wollte die Schülerin ablehnen. «Und wenn’s nur zum Spaß ist», hatte ihr Mitschüler gemeint und Madlenka damit überzeugt. Mit ihr stand jedoch auch eine gehörige Portion Selbstzweifel auf der Bühne. Die hat die Jury am Ende gegen den Sieg eingetauscht und für Madlenka damit das Ticket für die Landesmeisterschaften gebucht. In ihrem Vorrunden-Beitrag beschäftigte sie sich mit dem Teenager-Sein. Mit viel Ironie begegnet sie in diesem Text den Vorurteilen gegenüber ihrer Altersklasse und zeigt ihr Unverständnis über Titel im heimischen Bücherregal, die zum Beispiel lauten: «Wie Sie Ihren Zombie dazu bringen, die Spülmaschine auszuräumen». Und sie denkt laut, wenn sie sagt: «Du bist Lehrer, so doof kannst du doch nicht sein.» Zuvor schildert sie, wie ein Lehrer auf die nächste Pause in 20 Minuten verwiesen hat, als ein Mädchen während des Unterrichts dringend zur Toilette wollte … Auf die Idee, dass die Schülerin unerwartet ihre Periode bekommen hat und nicht länger warten kann, war er scheinbar nicht gekommen. Im Finale hat Madlenka in ihrem Beitrag mit der Flut allgegenwärtiger Erwartungen abgerechnet. Es geht darin um Erwartungen in alltäglichen Begegnungen und Gesprächen, vor allem um Fragen, die bei Madlenka den Eindruck erwecken, sie seien nur dazu da, um nach einer kurzen, erwartungsgemäßen Antwort ein Häkchen daran zu machen. «Was aber wäre, wenn ich ungebremst und ehrlich antworten würde», fragt sie sinngemäß rhetorisch. Noch schlimmer findet sie die Erwartungen an Äußerlichkeiten, mit denen sie als Mädchen ständig konfrontiert ist. Bei all dem Druck durch Schönheitsideale kann Madlenka nur sagen «Was zum Geier!?», kontert dann: «aber immerhin leb‘ ich nicht auf ‘nem Flyer». Abschließend blickt sie noch auf die Erwartungen, die viele Menschen an sich selbst haben – in Zeiten ständiger Selbstoptimierung. Geht es darum, anderen zu gefallen, ihnen alles recht zu machen oder ist es besser, den eigenen Impulsen zu folgen und authentisch zu sein? Madlenka findet: «In echt ist ein bisschen aus der Reihe tanzen gar nicht so schlecht.»

Madlenkas Wortwitz hat überzeugt und so hat sie auch diesen Wettbewerb für sich entschieden. «Dass ich mich gut auskenne mit den Themen, über die ich schreibe, ist wichtig. Nur so komme ich authentisch rüber und das zählt auf der Bühne», sagt Madlenka.

Das Kapitel der Poetry Slams in ihrem Leben ist zwar noch relativ jung, mit Worten aber beschäftigt sich Madlenka schon länger. «Ich mache gern Musik und wollte einfach noch etwas haben, was ich so gern mache. Deshalb hab ich’s mal mit dem Schreiben probiert», erzählt sie ganz unprätentiös. Seit neun Jahren schon spielt sie Klavier, außerdem Geige im Schulorchester. Vor zwei Jahren begann sie mit dem Schreiben. Ihre erste Geschichte entstand, als Madlenka in der siebten Klasse war. «Es geht darin um ein Mädchen, das sowieso schon wenige Freunde und dann noch einen ganz schlechten Tag erwischt hat. Sie hat drei Wünsche frei», verrät Madlenka. In der achten Klasse hat die Schülerin sich an das Schreiben eines ganzen Buches gewagt. Im Rahmen ihrer Jahresarbeit entstand «Ein Teil meines Lebens». Madlenka hat nicht nur den Text geschrieben, sondern auch das Buch selbst gebunden. Testleserin für ihr Erstlingswerk war ihre jüngere Schwester. Madlenka schätzt, dass das Buch gut für Kinder um das zwölfte Lebensjahr herum geeignet ist. Es erzählt von einem 14-jährigen Waisen-Mädchen, das sich allein auf eine Reise begibt und dabei immer wieder auf sein bisheriges Leben zurückschaut.

Madlenkas Arbeit am Buch hat ein Journalist:innen-Paar begleitet. Die Suche nach geeigneten Unterstützer:innen fand die junge Autorin nicht leicht: «Wenn du einen eigenen Text zum ersten Mal aus den Händen gibst, bist du sehr verletzlich, weil du noch stark mit dem Text verbunden bist. Ich wollte einerseits Menschen an der Seite haben, denen ich vertrauen kann, die mich andererseits aber nicht in- und auswendig kennen und auch objektiv sind. Das Paar ist mit meiner Tante befreundet. Das war perfekt», sagt sie. Einen besonderen Ort oder einen besonderen Anlass braucht Madlenka nicht zum Schreiben. Meist sitzt sie zu Hause am Schreibtisch in ihrem Zimmer in Biberach. Die Themen trägt sie in sich. «Ich bin ein Mensch, der sehr viel nachdenkt und dazu ziemlich verpeilt ist. Das Schreiben hilft mir, mich selbst auszudrücken, zu verstehen und Klarheit zu bekommen», sagt sie. Schreibblockaden hat sie nur, wenn sie sich fragt, wie der Text bei anderen Menschen ankommt, ob er ihnen gefällt. «Wörter machen aus, was ich bin», heißt es in einem Text von Madlenka, in dem sie sich mit dem Wort an sich beschäftigt. «Wenn ich mich darauf verlasse und da herausschreibe, ist alles gut».

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