Nur der Wiesenbauer verfügt noch über Wasser und nutzt sein Monopol, um seine Nachbarin zu zwingen, ihr Land als Pfand für einen Kredit herzugeben. Mutter Stine ahnt, dass die schlafende Regentrude geweckt werden muss, aber der »neugläubige« Wiesenbauer lacht sie nur aus und wettet, dass sie es nicht schaffen werde, die Dürre mit oder ohne Regentrude innerhalb eines Tages zu beenden. Nun nimmt eine spannende Geschichte ihren Lauf, die hier nicht weiter verraten, aber dringend als Sommerferienlektüre empfohlen wird.
Im März 2015 berichtete die »Zeit« von einer wenig bekannten Dimension des Ukraine-Krieges, dem »Wettlauf um die ukrainische Schwarzerde« und die Übernahme der ukrainischen Landwirtschaft durch westliche Konzerne, namentlich durch Monsanto, DuPont und Cargill. Nicht nur die Ukraine steht auf deren Einkaufsliste: Weltweit kaufen global operierende Investoren und Spekulanten Land und Wasserquellen auf und bringen über die Produktionsketten von Nahrungsmitteln immer mehr Menschen in ihre Abhängigkeit. Laut UNICEF haben schon heute 780 Millionen Menschen keinen ausreichenden Zugang mehr zu sauberem Wasser, was sich, wenn wir nicht sehr schnell handeln, weiter verschärfen wird.
Vor einigen Jahren schickte der Dalai Lama eine Delegation tibetischer Mönche mit den Worten nach Nordamerika: »Geht und lernt den indianischen Weg, es ist der einzige Weg, um zu überleben.« 2013 beschloss eine Vollversammlung der Häuptlinge aller nordamerikanischen Indianerstämme, das indianische Natur-Wissen mit der restlichen Welt zu teilen, weil sie überzeugt ist, dass die Zeit nicht mehr ausreicht, uns ohne ihr Wissen zur Einsicht kommen zu lassen.
Vor der barbarischen Eroberung ihres Kontinents durch das »zivilisierte« Europa kannten die Indianer kein Privateigentum an der heiligen »Mutter Erde«, zu der alle lebenden Wesen gehören. Wenn die Balance der Natur durch menschliche Handlungen gestört wurde, stellten sie diese durch andere Handlungen, zu denen auch Zeremonien gehörten, durch die sie mit den Naturgeistern kommunizierten, wieder her.
Mit der biologisch-dynamischen Landwirtschaft legte Rudolf Steiner zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Grundlagen für einen neuen Umgang mit der Erde und ihren Naturreichen, die auf einer lebendigen Erkenntnis der in der Natur wirkenden Kräfte beruhen. Das war der Anfang der Bio-Landwirtschaft. Heute ist »demeter« eine der zehn beliebtesten Marken in Deutschland. Dient das nur unserem Egoismus oder der ganzen Welt? Aber wenn, dann wie?
Es wird Zeit, auf die Indianer zu hören und die Mutter Erde wieder zu ehren. Geben wir ihr, was sie braucht, um nicht nur unsere auf zehn Milliarden zugehende Menschheit, sondern auch alle anderen Wesen zu nähren. Der globale Raub von Land und Wasser muss beendet werden. Das ist eine politische Großaufgabe, aber es beginnt mit unserem eigenen Konsum.
Suchen wir die Regentrude.
Henning Kullak-Ublick, von 1984 – 2010 Klassenlehrer an der FWS Flensburg; Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen, den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners und der Internationalen Konferenz der Waldorfpädagogischen Bewegung – Haager Kreis.