Ein Rezept gibt es nicht. Teamteaching an der Michaeli Schule Köln

Bewerber auf ausgeschriebene Stellen fasziniert genau das: Die Aussicht darauf, im Team zu arbeiten. Was das im praktischen Leben bedeutet, haben wir zwei Kolleginnen gefragt.

Erziehungskunst | In der Regel ist ein Klassenlehrer für acht Jahre die Hauptbezugsperson der Kinder. Wie stellt sich diese Beziehung dar, wenn immer zwei Kollegen zusammen für eine Klasse zuständig sind?

Eva Sehl | In meinem ersten Durchgang gab es in der 3. Klasse einen Teampartnerwechsel. Es brauchte viel Zeit, bis die neu hinzukommende Teampartnerin die Kinder kennenlernen und eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen konnte; auf der Erwachsenenebene konnten wir von Anfang an sehr gut zusammenarbeiten. Bei unserem Rückblick in der 8. Klasse stellten wir fest, dass die ersten beiden Jahre so prägend waren, dass die später hinzugekommene Kollegin manches, was die Gemeinschaft geprägt hat, nicht wissen und auch nicht aufholen konnte.

Im jetzigen Durchgang, auch wenn wir erst im zweiten Jahr sind, wird immer deutlicher, dass wir als Einheit auftreten können. Dabei helfen auch schon praktische Einrichtungen, wie z.B. eine Klassen-E-Mail-Adresse. Wir haben den Eltern vermittelt, dass wir nicht einzeln, sondern gemeinsam angesprochen werden, sodass es keine getrennten Verabredungen gibt. Wir möchten einfach beide alles wissen, um nicht bei manchen Kindern den Anschluss zu verlieren.

Ich finde es ist nicht schwierig, wenn Kinder sich mal der einen, mal der anderen Klassenlehrerpersönlichkeit zuwenden. Wichtig ist, dass man als Team eng zusammensteht. Ich glaube, man kann da sehr gut an sich selbst arbeiten: Wenn man sieht, dass Kinder oder Eltern die Kollegin lieber mögen, was heißt das für mich? Für mich bedeutet das, an mir mit einer gewissen Professionalität zu arbeiten.

EK | Haben Sie sich auch in der Situation wiedergefunden, lieber alleine unterrichten zu wollen – nicht immer im Team auftreten zu müssen?

ES | Diesen Wunsch hatte ich nur in den ersten beiden Jahren meines ersten Durchgangs, als meine damalige Kollegin und ich uns nicht auf der gleichen Wellenlänge befanden. Da war ich froh, wenn ich möglichst alleine sein und mein Ding durchziehen konnte. Waren wir zusammen, stand ich immer in der Versuchung, korrigierend in das einzugreifen, was meine Kollegin tat.

EK | Was passiert, wenn man in entscheidenden Fragen, Haltungen oder Einstellungen nicht übereinstimmt? Die Schule bietet ja eine Teamsupervision an. Reicht die Unterstützung, um ins Gespräch zu kommen?

ES | Ich habe den Eindruck, dass die Teamarbeit einer privaten Beziehung ähnelt. Wenn man da mit Problemen zum Paartherapeuten geht, ist es womöglich schon zu spät. Die Supervision an unserer Schule hat uns vor allem geholfen, offensiv mit den Teamschwierigkeiten umzugehen. Wenn die Teampartner unterschiedliche Auffassungen haben, kann die Arbeit mit den Kindern nicht mehr gelingen. Es muss ein Grundverständnis da sein. Wenn die gemeinsame Basis fehlt, es zu wenig Harmonie gibt, kann man diesen Mangel durch Teamgespräche nicht kitten. So gab es Schuljahre, in denen Teams neu zusammengestellt werden mussten – wobei wir erlebt haben, dass der Wechsel im Klassenlehrerteam für die Schüler weniger problematisch war als gedacht und die gesamte Klassensituation profitiert, wenn das neu gebildete Team im Gleichklang ist.

EK | Gilt das auch für die Oberstufe? Oder ist es aufgrund der von Fach zu Fach wechselnden Teams weniger elementar für eine gelingende Zusammenarbeit?

Silvia Loskamp | Man merkt sofort, wenn das Grundverständnis gegeben ist. Oft arbeite ich mit Sonderpädagoginnen zusammen, und wenn diese das Ziel verfolgen, möglichst viel gemeinsamen Unterricht in der Klasse zu gestalten, also nach dem rhythmischen Teil im Raum bleiben und den Unterricht tatsächlich mit mir gemeinsam gestalten, finde ich diese Stunden meist sehr gelungen. Es gibt aber auch Gruppen, bei denen eine frühzeitige räumliche Differenzierung sehr sinnvoll ist und auch von den Schülern eingefordert wird, weil sie mehr Ruhe brauchen und dann leichter Fragen stellen können.

ES | Für jemanden, der gewohnt ist, alleine zu unterrichten, muss das Teamteaching befremdlich sein. Man lässt sich ja total in die Karten schauen. Das muss man einfach wollen. Man wird ja immer wieder mit sich selbst konfrontiert. Ich erlebe das »Gespiegeltwerden« als positiv. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich schon alles kann, nur weil ich das jetzt schon mal acht Jahre gemacht habe. Ich fing mit meiner neuen Kollegin nochmal von vorne an. Das Team muss sich in die Zusammenarbeit finden, da kann ich nicht sagen, wir machen das jetzt so und so. Wenn etwas bei uns gut funktioniert, heißt das nicht, dass es in einem anderen Team auch funktioniert. Ein Rezept für Teamteaching gibt es nicht.

EK | Wie gestalten Sie die einzelnen Epochen in der Klassenlehrerzeit? Wie lässt sich die Unterrichtsvorbereitung ökonomisch gestalten?

ES | Ich erlebe es so, dass sich jedes Team eine eigene Art der Zusammenarbeit schafft. Worin wir uns von vielen anderen Klassenteams unterscheiden, ist, dass wir Epochen tatsächlich immer zusammen erarbeiten und halten. Wo es bei anderen Teams oft »meine« und »deine« Epoche gibt, haben wir nur »unsere« Epoche. Die Kinder merken, dass wir beide bei allem voll dahinterstehen.

Gerade unterrichten wir Rechnen in der 2. Klasse im Dis­tanzunterricht – eine richtig große Herausforderung!

Heute saßen wir den ganzen Tag zusammen und haben bei jedem Kind überlegt, wo es steht, was es braucht, und wie wir das methodisch greifen. Wir haben uns nicht auf die Leistungsgruppen konzentriert, sondern auf die Lerntypen.

EK | Ich habe das Teamteaching so verstanden, dass derjenige, der eine Epoche gibt, diese entwirft und der Kollegin überlässt, den Stoff so zu differenzieren, dass alle Kinder am Geschehen teilhaben und lernen können. In der nächsten Epoche ist es dann unter Umständen genau andersherum.

ES | Mit meiner vorherigen Kollegin habe ich das tatsächlich so gehandhabt. Das kann sich auch jetzt wieder so entwickeln, wenn die Lerngruppe je nach Fach immer heterogener wird. Natürlich muss man nicht jedes Aufgabenblatt zusammen entwerfen, aber sich jedes Kind gemeinsam vor Augen zu führen, das ist sehr wertvoll. Auch möchte ich in jedem Fach wissen, was in der gesamten Klasse geschieht. Der gemeinsame Beginn bringt uns richtig in Schwung. Jede übernimmt im rhythmischen Teil, was ihr näher liegt. Im Arbeitsteil arbeiten wir immer zusammen, werfen uns die Bälle zu. Auch deshalb fixieren sich die Kinder nicht auf eine von uns – wir sind einfach immer beide für jedes Thema und jedes Kind ansprechbar. Selbst wenn wir Gruppen einmal räumlich aufteilen, wechseln wir in der Zuständigkeit.

EK | In der Oberstufe ist die Aufteilung klarer, ein Kollege steuert als Fachlehrer durch das Fach, der zweite bricht die Inhalte herunter. Wie können wir uns in diesen Fällen jeweils die Vorbereitung vorstellen?

SL | Es ist tatsächlich sehr unterschiedlich. Wenn ich meiner Unterstufenkollegin zuhöre, wie sie das mit ihrer Kollegin durchführt, werde ich ein wenig neidisch, da diese Art der Planung und Zusammenarbeit bei uns in der Oberstufe nicht möglich ist. Wir haben ja nicht nur eine, sondern viele Klassen.

Wir setzen uns in der Regel zwei Wochen vor Beginn einer Epoche zusammen, um zu schauen, wo die Ziele liegen. Es ist wichtig, gemeinsam die Klasse und damit alle Schüler im Blick zu haben: Da sind die Fachlehrer auf die Ratschläge und Perspektiven der Sonderpädagoginnen angewiesen und diese wiederum auf uns und unsere Fachkompetenz – aber auch auf die Regelschüler, denn nur so funktioniert gemeinsames Lernen. Wir versuchen gemeinsam, die menschenkundlichen Aspekte in die Vorbereitung einzubeziehen.

EK | Das klingt eher danach, dass man in der Oberstufe doch Einzelkämpfer ist?

SL | Das geht auch gar nicht anders, da man die Fachkompetenz in die Tiefe hinein braucht.

EK | Wie erleben Sie es, wenn Sie nicht als Klassen- oder Fachlehrerin für einen Unterricht zuständig sind, sondern begleitend bzw. differenzierend mitwirken?

ES | Wenn ich als Klassenlehrerin in den Fachstunden dabei bin, gebe ich eher eine emotionale Stütze. Die Hauptarbeit liegt beim Fachlehrer, der die Zügel in der Hand hält, während ich eher ein Steigbügelhalter bin. In der Mittelstufe kann es dann schon eher so sein, dass ich als begleitende Lehrerin mit einer kleineren Schülergruppe zeitweise im Nebenraum tätig bin, wenn der Fachlehrer den Stoff entsprechend vorbereitet hat.

SL | Mir persönlich fällt es manchmal schwer, die begleitende Lehrerin zu sein, wenn ich im Unterrichtsgeschehen denke, dass ich etwas ganz anders machen würde als die Fachlehrkraft, sogar wenn ich manchmal fachfremd differenziere. Jeder hat ja seine eigene Persönlichkeit. Mir wird dann aber auch bewusst, dass es der Kollegin, die in meinem Unterricht differenziert, mit mir ja genauso gehen kann. Ich freue mich immer, wenn mir nach der Stunde das Geschehen gespiegelt wird. Wenn ich die Humor-Epoche zum fünften Mal gebe, ist es sehr erfrischend, Tipps zu bekommen! Es ist fast wie ein kleiner Wettbewerb und ein Ansporn, sich weiter zu entwickeln. Dass man nicht immer in der ersten Reihe steht, das genieße ich sehr. Man kommt zwangsläufig immer wieder in die Reflexion, denn was ich beim anderen bemerke, das mache ich ja vielleicht genauso – und es geht besser. Das Teamteaching ist auf jeden Fall eine Hilfe zur Selbsterziehung!

EK | Die Michaeli Schule nimmt Kinder und Jugendliche ohne und mit unterschiedlichsten Behinderungen auf. Gleichzeitig bietet sie den Schülern die Vorbereitung auf alle staatlichen Abschlüsse an. Die gemeinsame Schulzeit dauert zwölf Jahre, die Abiturienten wechseln dann für die Abschlussprüfungen der 13. Klasse an die Waldorfschule Erftstadt. Können Sie sich das Unterrichten in diesem Setting ohne Teamteaching vorstellen?

SL | Für mich kommt das auf die Fächer und die Jugendlichen an. Es kann unter Umständen auch alleine gehen in der Oberstufe. Aber ich stelle mir dann schon die Frage, ob ich noch allen Schülern gerecht werde. Wenn die Lerngruppe zu heterogen ist, wenn Jugendliche mit geistigem Entwicklungsbedarf darunter sind und ein Teil der Schüler auf das Abitur vorbereitet wird, geht das nicht alleine.

ES | Ich finde, gerade bei den unteren Klassen geht das in der Klassenstärke schlicht nicht alleine. Ich sehe, dass sich die Kinder insgesamt verändern. Wir brauchen auch für die Schüler ohne ausgewiesenen Sonderförderbedarf oft viel Kraft. Zwei Köpfe können mehr wahrnehmen und denken als einer, und vier Hände mehr anpacken als zwei.

www.michaeli-schule-koeln.de

Die Fragen stellte Nele Auschra.

Eva Sehl ist Klassenlehrerin der 2. Klasse im zweiten Durchgang. Sie unterrichtet außerdem Musik und Freien Religionsunterricht. Silvia Loskamp ist Fachlehrerin für Deutsch und Geschichte und baute die Oberstufe der Schule mit auf.

Anmerkung: Die Interviewpartnerinnen legen Wert darauf, den Leserinnen und Lesern mitzuteilen, dass das Interview in genderbewusster Sprache geführt und niedergeschrieben wurde.