Um es vorweg zu nehmen: Ich bin kein Schüler der Plastikschule am Goetheanum und habe es einfach mal getestet. Man hatte mich sogar gewarnt. Das war vor vier Jahren. Seither bin ich jedes Jahr hingegangen. Wenn man als Nichtdornacher hört: Es werden Steiners Kapitelle modelliert, dann darf man erst einmal skeptisch sein.
Doch überraschend war, wie das geschieht und vor allem was dabei mit mir geschah. Während der praktischen plastischen Arbeit richtete sich meine Aufmerksamkeit vermehrt auf meine Empfindungen und Willenserfahrungen, die eine plastische Form entstehen lassen. Reines Abbilden und Nacharbeiten der Kapitelle interessierten mich dabei weniger. Den Hinweisen der Kursleiterin folgend, fand ich bald eine einfache Grundempfindung, die formal umsetzbar war – jedes Jahr von neuem und jedes Jahr anders.
So lernte ich nach und nach immer neue Aspekte des jeweiligen Kapitells kennen. Die fortschreitende künstlerische Arbeit lud die Form und meine Arbeitsstimmung zu einer intensiven Dichte auf, die ich auch als meditativ bezeichnen könnte. Schließlich kam ich – wieder unerwartet – an einen Punkt, an dem die alltägliche Subjekt-Objekt-Trennung in der Form verschwand. – Ich hatte plötzlich das verrückte Gefühl, an dem Innenraum einer Form zu arbeiten, indem ich in ihrem Umkreis etwas veränderte.
Es war verblüffend: Es entstanden Dinge, die außerhalb meines bisherigen Erlebnishorizontes lagen. Dieses »Vollbad« begleitete mich dann monatelang bis in die Schulstube hinein. Intensität, Tiefe des Erlebens und volles Einsteigen – das sind natürlich auch pädagogische Ziele. Ich stellte fest, dass sich meine Schüler länger mit ihren Aufgaben beschäftigen, dass sie diese stärker durcharbeiteten und dass ihr Engagement gewachsen war. Es sind genau diese Qualitäten, die ich in Dornach lernte und übte. Ob sich das in dem Arbeitsverhalten der Schüler spiegelte? Auf einem ganz anderen Blatt steht der praxisbezogene Austausch dieser Tage mit den Kollegen. Wir hatten Zeit, mit Schülern erprobte Übungen gemeinsam zu modellieren und daran methodische und didaktische Fragen zu diskutieren – der Wert solcher Veranstaltungen liegt auf der Hand. Werklehrerkollegen kann ich diese Tagung nur wärmstens empfehlen.
Zum Autor: Torsten Steen ist Lehrer für plastisches Gestalten an der Rudolf Steiner Schule Ittigen bei Bern.