Film

Fuchs im Bau

Ute Hallaschka

Riahi hat mit der gesamten Filmcrew real am Gefängnisunterricht teilgenommen. Was nun als 103-minütiger Film im Jugendtrakt einer Wiener Haftanstalt spielt, wurde ebenfalls an einem realen Ort aufgenommen. Eine gerade leerstehende Außenstelle des Gefängnisses Stockerau dient als Kulisse für das Kammerspiel.

Aleksandar Petrovic ist der neue Lehrer Hannes Fuchs, der die altgediente Fachkraft Frau Berger, gespielt von Maria Hofstätter, ablösen soll. Von Beginn an sind die Positionen klar – Frau Berger will nicht gehen, Herr Fuchs schleppt ein Geheimnis mit sich herum. Zuerst sind die beiden alles andere als ein Team, aber das wird sich im Lauf des Films ändern. Dann ist da noch Samira (Luna Jordan), ebenfalls eine geheimnisvolle Gestalt, die nicht spricht und deren Geschichte nonverbal erzählt wird. So eindrucksvoll, lakonisch, brutal, verzweifelt und rührend, dass sich kein Gemüt der Erschütterung entziehen kann. Riahi gelingt es in seiner Tragikomödie den schwärzesten Humor mit der tiefsten Traurigkeit und zugleich der erleichterndsten Heiterkeit zu verschwistern. Dazu kommt eine gehörige Portion Weisheit.

Frau Berger könnte direkt aus der Waldorfschule kommen. Das Wachpersonal spricht jedenfalls verächtlich von ihrer Esoterik. Was sie in ihrem grenzüberschreitenden Unterricht leistet, ist Erziehungskunst im doppelten Sinn. Die Schüler lieben und verehren sie als Autorität und sie wiederum ignoriert alle Regeln, sie fühlt sich nur den Schülern verpflichtet, für die sie buchstäblich die Welt aus den Angeln hebt. In der Maltherapie lässt sie die Kinder auf ihr Herz hören und in einer späteren Szene schlägt sie zuhause kurzerhand eine Tür aus der Wand, die sie gemeinsam mit Fuchs ins Gefängnis bringt, um die Schüler in einer grandiosen Spielszene den ersten Schritt in die Freiheit proben zu lassen. Dann findet eine Unterrichtsstunde in der Knastküche statt. Am Beispiel des Apfelstrudels – wo kommen die Äpfel her und wo bitte liegt die Steiermark? – wird Physik, Geographie, Kulturgeschichte und manches andere gelehrt, zum Vergnügen der Schüler. Hier darf sich das Publikum ertappt fühlen. Unwillkürlich erwartet man, dass jetzt ein Messer oder sonst ein gefährliches Utensil eingesteckt wird. Aber es kommt alles ganz anders. Die wirklich lebensgefährliche Lage tritt tatsächlich ein im Zusammenhang mit der Rätselgestalt Samira. Worum es hierin geht, ist ein großes Tabuthema – Intersexualität im migrantischen Milieu. Es ist schmerzhaft, wie Riahi das Thema ins Bild setzt, doch alles andere wäre nicht angemessen. Ein seichtes Happy End kann es nicht geben, aber Hoffnung ins Offene. Mit einer gewaltigen Portion Trost und Zuversicht, Idealität und Humor, die am Ende aufbauend wirken. Ein großartiger aktueller Film.

Kommentare

Es sind noch keine Kommentare vorhanden.