Freiheitlich und demokratisch

Von Henning Kullak-Ublick, Februar 2020

Als unsere vier Kinder vor mehr als zwanzig Jahren nacheinander die Masern bekamen, besuchte uns der ortsansässige Kinderarzt, weil er »live« noch nie ein masernkrankes Kind gesehen hatte.

Wir gehören zu den Glücklichen, deren Kinder danach alle gesund wurden und, wie wir beobachtet zu haben glauben, dabei jeweils einen großen Entwicklungsschritt machten. Dafür hatten sie mindestens vier Wochen im Bett gelegen und blieben sechs Wochen zu Hause. Ich bin deshalb trotzdem kein Impfgegner, denn: Stellt sich diese Frage überhaupt noch – auch diesseits des so genannten Masernschutzgesetzes? Ist unsere Gesellschaft nicht längst schon so organisiert, dass Kinderkrankheiten, die länger als ein paar Tage dauern, gar nicht mehr eintreten dürfen, weil kaum noch jemand über Wochen zu Hause bei den Kindern bleiben kann – oder will? 2010 setzte sich der damalige SPD(!)-Vizekanzler Franz Müntefering für mehr KiTa-Plätze und einen besseren Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt ein. Dabei argumentierte er allerdings nicht etwa mit dem eigentlich selbstverständlich sein sollenden Recht von Frauen, sondern mit der notwendigen Produktivitätssteigerung unserer Wirtschaft. Zehn Jahre später gibt es nur noch sehr wenige Familien, die es sich überhaupt leisten können, dass ein Elternteil für längere Zeit zu Hause bleibt, sei es in den ersten Lebensjahren oder wenigstens bei einer länger andauernden Kinderkrankheit. Für alleinerziehende Mütter – es sind fast immer die Mütter – ist das noch viel schwerer zu organisieren. Die Impfdebatte ist eine Debatte für die Privilegierten, die diese Wahl – bisher – überhaupt noch haben. Kinder haben keine Wahl, sie sind abhängig von den Entscheidungen der Erwachsenen ...

... was mich zu den Schulen und Kindergärten bringt. Beide Einrichtungen leben von dem Vertrauen, das sich in konkreten zwischenmenschlichen Beziehungen zu den Kindern und ihren Eltern bilden kann, von der positiven Bestärkung und dem Gefordert-Werden der Kinder in einem geschützten Raum. Wenn ein Gesetz es Kindergärten verbietet, Kinder aufzunehmen, deren Immunität nicht nachgewiesen wird, wenn es die Schulen verpflichtet, Kinder ohne einen solchen Nachweis an die Behörden zu melden, wenn es Erziehern, Lehrern, Mitarbeitern und sogar den ehrenamtlich Tätigen verbietet, ohne Nachweis zu arbeiten und die Schul- oder KiTa-Leiter mit saftigen Bußgeldern bestraft, wenn sie ihren Prüf- und Meldepflichten nicht nachkommen, geht es nicht mehr nur ums Impfen, sondern um einen massiven staatlichen Eingriff in die Aufgaben von Bildungseinrichtungen. Aufklärung: Ja! Masernbekämpfung: Ja! Impfen zum Schutz vor lebensbedrohlichen Krankheiten: Ja!

Aber kein Gesetz darf Schulen oder Kindergärten zum verlängerten Arm der Exekutive machen, wenn wir noch einen Pfifferling darauf geben, dass wir unsere Gesellschaft »freiheitlich-demokratisch« nennen. Im Übrigen kann man in den Ländern, die bereits einen Impfzwang haben, eine Polarisierung der Positionen beobachten. Für die Beratung gibt es Ärzte, Herr Spahn!

Kommentare

Simone Heubach, 09.02.20 16:02

Sehr geehrter Herr Kullak-Ublick,

das sind lautstarke Worte, besonders im letzten Absatz Ihres Beitrags in der Februar-Ausgabe 2020.
Jedoch: wenn man die Information der Rechtsabteilung des Bundes der FWS zu den Folgen des Masernschutzgesetzes für Waldorfschulen, -kindergärten und ähnliche Einrichtungen vom November 2019 gelesen hat, dann liest sich Ihre hier geäußerte These leider doch eher wie leere und bloß anscheinend starke Worte.
Die Rechtsabteilung hat den Einrichtungen empfohlen, es sollten "... die Verantwortlichen in Trägervereinen, Einrichtungsleitungen oder Geschäftsführende sich intensiv damit beschäftigen, wie die Vorgaben des Masernschutzgesetzes umgesetzt werden können. Bestehen Zweifel, kann das entsprechende Vorgehen mit den Gesundheitsämtern abgestimmt werden. ..." Kooperation ist von dieser Seite her also ganz klar angesagt, nicht aber "...kein Gesetz darf Schulen oder Kindergärten zum verlängerten Arm der Exekutive machen, wenn wir noch einen Pfifferling darauf geben, dass wir unsere Gesellschaft »freiheitlich-demokratisch« nennen. ...". Ich stimme Ihnen vollends zu in dieser Einschätzung, aber die Rechtsabteilung ist dem entgegen sogar noch einen Schritt weiter gegangen über die Empfehlung zur bloßen Kooperation hinaus.
Denn es wurde in diesem Schreiben außerdem allen anderen Einrichtungen als Schulen empfohlen, zwar in Neufassungen der Betreuungsverträge darauf hinzuweisen, dass eine Betreuung nach In-Kraft-Treten des Gesetzes nicht erfolgen kann beim Fehlen eines Nachweises über die Impfungen oder dem entsprechenden ärztlichen Zeugnis, dass die vertraglich vereinbarten Entgelte jedoch trotzdem zu entrichten seien. - Was für eine Politik bzw. Ausrichtung in unserer "Gemeinschaft"?! Sollten nicht die für die Verträge und deren Abschlüsse Verantwortlichen der Einrichtungen selber darauf achten, dass alles Entsprechende vorab geklärt wird und dass eben keine Verträge gemacht werden, ohne dass eine Betreuung auch wirklich möglich ist! Sollen denn wirklich die Familien, die sich eh schon genug herum zu schlagen haben mit den Folgen dieses Gesetzes, zusätzlich noch weitere falsche finanzielle Belastungen auferlegt bekommen durch eine solche eindeutig bloß auf die Minimierung der eigenen Einbußen bedachte Handhabung seiner Konsequenzen durch unsere Einrichtungen!? Ich kann oder will bisher eigentlich immer noch nicht vollends der Tatsache ins Auge sehen, dass so herum gedacht wird in Waldorf-Kreisen bzw. eben wie hier ihrer Rechtsabteilung. Wahrscheinlich darum klingt mir jetzt so wie tönernes Erz, was ich von Ihnen oben zitiert habe. Denn Sie sind ein entscheidender Vertreter und ein Sprachrohr dieser Gemeinschaft. Sie stehen bei mir für diese - als einer von Vielen. Und in Bezug gesetzt Ihren Artikel hier zum Informationsschreiben der Rechtsabteilung hinterlässt das Ganze einen sehr ähnlichen Eindruck wie der, dass in dieser Februar-Ausgabe gleich hintereinander abgedruckt sind zwei doch sehr kontroverse Stellungnahmen von zwei Ärzten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ich jedenfalls danke sehr für den Mut und die klaren Worte von Dr. med. Daphné von Boch hier und finde im Artikel von Dr. med. Till Reckert einiges wieder von den Unschärfen und Auslassungen, wie sie die gesamte Debatte um die Thematik im öffentlichen Raum gekennzeichnet haben. Ja, theoretisch sollte kein Gesetz Schulen oder Kindergärten zum verlängerten Arm der Exekutive machen dürfen, wenn wir noch einen Pfifferling darauf geben, dass wir unsere Gesellschaft »freiheitlich-demokratisch« nennen. Praktisch jedoch geschieht Ersteres auch länger schon und zunehmend immer noch mehr ...
Mit Bedauern stelle ich das fest, und keine noch so schönen Worte können an dieser Tatsache etwas ändern, solange die Bedingungen so sind, wie sie heute (noch) sind und sich nirgendwo abzeichnet, dass sich daran in naher oder ferner Zukunft etwas zum wirklich Positiven wird ändern lassen. Oder haben Sie da konkrete Ideen und Ansätze? Das würde mich von Herzen freuen, wenn sie denn auch real umgesetzt würden.

Mit freundlichen Grüßen.
Simone Heubach

Henning Kullak-Ublick, Hamburg, 11.02.20 07:02

Liebe Frau Heubach,

vielen Dank für Ihre eMail, den Brief und überhaupt für Ihr aktives Mitdenken und -streiten! Ich glaube, dass ich ein paar Dinge erklären muss. Um es etwas übersichtlicher zu halten, schreibe ich meine Antworten untereinander – das hilft mir beim Sortieren der Gesichtspunkte.

Mein „Standpunkt“ ist eine Meinungskolumne, in der ich nicht als Sprecher des „Bundes“ offizielle Verlautbarungen mitteile, sondern persönlich Stellung zu Fragen unserer Zeit beziehe. Mir ist natürlich bewusst, dass ich dabei von manchen Leser*innen auch als Vorstand wahrgenommen werde – deshalb halte ich mich oft mehr zurück als ich es privat tun würde.
Die „Erziehungskunst" ist zwar unsere Verbandszeitschrift, aber meine vornehmste Pflicht als (Mit-)Herausgeber besteht darin, die inhaltliche Freiheit der Redaktion sicherzustellen. Das bedeutet keineswegs, dass wir nicht auch kontrovers diskutieren, aber die Redaktion vertritt nicht die Meinung des Vorstands, sondern bemüht sich – wie ich meine, sehr erfolgreich und qualitativ hochwertig – darum, voraussetzungslos und immer mit Blick auf die großen Fragen unserer Zeit die Waldorfpädagogik bzw. Aspekte derselben einer breiten Leserschaft nahezubringen. In diesem Kontext muss man auch das Impfthema sehen.
Die beiden von Ihnen genannten Beitrage stehen in der Rubrik „Gegenlicht“, die wir eigens etabliert haben, um auch kontroverse Gesichtspunkte zu Wort kommen zu lassen. Sie geben weder die Meinung der Redaktion noch die des Vorstands wieder, sondern sind Diskussionsbeiträge einzelner Autor*innen.
Unsere Rechtsabteilung hat eine völlig andere Aufgabe: Sie gibt den Schulen Auskunft über das, was gesetzlich gefordert ist. Deshalb war das Rundschreiben der Rechtsabteilung genau das, was die Schulen brauchten, um zu wissen, was sie erwartet. Wer dazu Rückfragen hat, kann diese mit der Rechtsabteilung besprechen. Die von Ihnen zitierten Passagen aus dem Rundschreiben des Vereins „Libertas & Sanitas“ finde ich zwar durchaus hilfreich, aber das war nicht die Auftrag der Rechtsabteilung – hier ging es erst einmal darum, den Schulen zu erklären, wie die Gesetzeslage ist.
Von Seiten des Bundesvorstands hatte es bereits vor der Veröffentlichung meines „Standpunktes“ eine Pressemitteilung gegeben, in der wir im Wesentlichen auf die gleichen Punkte hingewiesen hatten. Sie finden diese PI hier: https://www.waldorfschule.de/artikel/bund-der-freien-waldorfschulen-bdfws-kritisiert-die-ueberpruefung-von-masernimpfungen-durch-schulen/#main-content

Es gehört nicht zu den Aufgaben des BdFWS, Eltern Empfehlungen pro oder contra Impfen zu geben. Wir sind ein pädagogischer Dachverband, dem 252 Schulen angehören – mit den Eltern von 88.000 Schüler*innen, ca. 9.000 Lehrer*innen und einer großen Zahl von weiteren Mitarbeiter*innen und ehrenamtlich Tätigen, die durchaus unterschiedliche Auffassungen zum Impfen haben. Wir haben deshalb schon immer auf die Beratung durch Ärzte*innen oder anderes medizinisch geschultes Fachpersonal verwiesen, was natürlich die anthroposophisch erweiterte Medizin einschließt.

Ich möchte Ihnen aber auch nicht verhehlen, dass ich – als jemand, der dem Impfen zwar nicht grundsätzlich ablehnend, aber trotzdem kritisch gegenübersteht und eine allgemeine Impfpflicht ablehnt – den Beitrag von Daphné von Boch für kontraproduktiv halte, weil er trotz seines Anspruchs, „wissenschaftlich“ zu sein, eine selektive Auswahl an Gesichtspunkten betreibt, ohne das transparent zu machen. Argumentativ arbeitet Frau von Boch zudem oft mit Fragen, die unbeantwortet bleiben, aber „Stimmungen“ erzeugen. Wenn man so argumentiert, darf man sich nicht wundern, wenn man von Leuten, die auch kontroverse Argumente prüfen wollen, nicht ernst genommen wird. Die wirklich interessanten Fragen, die Frau von Boch aufgeworfen hat – also wie wir Gesundheit überhaupt verstehen und ob nicht gerade das durchmachen von Krankheiten auch bereits der eigentliche Heilungsprozess sein können – werden dadurch nach meinem Empfinden leider zugedeckt. Das ist schade, aber es steht eben im „Gegenlicht“, wie auch der dann folgende Beitrag, der einen ganz anderen Aspekt hervorhebt.

Ich hoffe, diese Auskünfte helfen. Wir stehen in Verbindung mit anderen Verbänden, aber es hat sich gezeigt, dass für eine größer angelegte gemeinsame Kampagne kein gemeinsamer Wille vorhanden war, weil die Ausgangspunkte zu verschieden und der gemeinsame Nenner zu klein war. In der Erziehungskunst vom März geht es aber weiter.

Ich erlaube mir, diese Mail mit Ihren Anhängen auch an meine Vorstandskolleg*innen, die Redaktion der Erziehungskunst und unsere Rechtsabteilung zu senden.

Mit freundlichen Grüßen

Henning Kullak-Ublick
Vorstand Bund der Freien Waldorfschulen e.V.

Lege Artis, 19.02.20 08:02

Unser Staat sammelt keine Impfungs-Daten, was bei frag-den-staat empirisch ermittelt wurde. Er sammelte auch keine Obdachlosigkeits-Daten, was zu dem Sanktions-Urteil 1 BvL 7/16 führte, welches ich in einer Demokratie „Beweismangel-Urteil“ nennen darf.

Das Masernschutzgesetz und die Datenfreiheitsgesetze verbieten Eltern nicht, ihr Kind und sich gleichzeitig mit dem gleichen Impfstoff gegen Masern impfen zu lassen und sich die Gesundheitsdaten (BEMA: 01 oder Ä1) von den Abrechnungszentren der impfenden Ärzte ausdrucken zu lassen, so dass die Waldorf-Gemeinschaft Impf-Daten erhält und auf Basis dieser Daten die Masernschutzimpfungen objektiv bewerten kann.

Ergebnis meiner intensiven juristischen Beschäftigung mit Dienstleistungsunternehmen und meinem Rechtsstaat und seinen Gesetzen z.B. §630 BGB a-h, welches keinen Richter zwingt, das Fehlen des digitalen Abrechnungs-Kürzels Ä1 in einer digitalen Akte als fehlende Aufklärung eines zuvor gesunden und nun kranken oder krank gemachten Patienten sofort schriftlich zu verurteilen, ist die Prozedur CP:
(CP) Impfwillige unallergische Eltern ergänzen den mündlichen Dienstleistungsvertrag „Impfung“ eines medizinischen Dienstleistungsunternehmen mit ihrer mündlichen Klausel, dass die Inhalte von 2 Impfstoff-Ampullen, die aus immunologischen Überlastungsgründen am besten keinen 3fach- und auf keinen Fall einen 6fach-Impfstoff enthalten, vor „ihren Augen“ in 2 Spritzen vermischt werden.
Kind und ein Elternteil erhalten dann jeweils eine Misch-Ampullen-Impfung.
Selbstbewusste Bürger verlassen ein Dienstleistungsunternehmen unverzüglich und ungeimpft, wenn der Mischvorgang von dem selbstbewussten Arzt, dessen freier Wille jederzeit eine mündlich geäußerte Entscheidung durch eine andere gedankliche Entscheidung ersetzen kann, ihrer Augen-Kontrolle entzogen wurde.
(/CP)
Die Mehrkosten der gegen kein Gesetz verstoßenden 2ten Impfstoffeinspritzungs-Dienstleistung bezahlt der geimpfte Elternteil aus eigener Tasche.

Der Kerngedanke jedes Dienstleistungsvertrags ist, das er keinen Erfolg schuldet, deswegen muss innerhalb von mindestens 8 Wochen nach der Impfung ein hohes Fieber und jede Krankheit unverzüglich von einem Arzt mit dem digitalen BEMA-Eintrag Ä1, dessen zuständiges Rechenzentrum den Geldwert von Ä1 mit der GKV oder PKV des Kranken abrechnet, protokollieren lassen und als gesetzestreuer Staatsbürger bei einem Fieber über 39 Grad die Seuchenbehörde unseres Staates benachrichtigen.

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