Großer Beratungsbedarf
Die Beratungsstelle »Ulme« in Hannover hilft Kindergartenkindern, Schülern, Eltern sowie Lehrern und Erziehern in pädagogisch schwierigen Situationen. Es arbeiten dort drei Beraterinnen mit unterschiedlichen Ausbildungen und Ansätzen (Systemische Familientherapie, Kunsttherapie und Psychotherapie). 80 bis 100 Familien werden pro Jahr betreut. Finanziert wird die Beratungsstelle durch die Mitgliedseinrichtungen – diese bringen pro Jahr 15.000 Euro auf – und durch Spenden der Eltern. Der Andrang in der Beratungsstelle ist groß.
Die Waldorflehrerin Ursula Lukas berichtet:
»Für Schüler, die in ihrer Entwicklung Unterstützung brauchen, ist die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle sehr hilfreich. Wenn die Schweigepflicht von Elternseite aufgehoben wird, können gemeinsame Gespräche zwischen Eltern, Lehrern und Therapeuten stattfinden; der Lehrer wird dabei Teilnehmer eines Prozesses, den der Therapeut steuert. Der Blick auf das Kind von vielen verschiedenen Seiten schützt meist vor Pro- und Contra- Diskussionen und ermöglicht ein gemeinsames Ringen auf Augenhöhe, um das Bestmögliche zu erreichen.«
Die Schülermutter Gundula Beike fügt hinzu: »Der Anlass unserer Besuche in der Beratungsstelle ›Ulme‹ liegt im familiären wie auch im schulischen Bereich und betrifft das Thema Abgrenzung und Äußerung der eigenen Bedürfnisse. Ich weiß mich ernst genommen und sehr umsichtig und differenziert beraten. Im Umgang mit meiner Tochter ist Frau M. so einfühlsam und kompetent, dass diese trotz ihrer Körperbehinderung auch gern allein bei ihr bleibt. Die Spieleinheit am Boden wird ergänzt von gemeinsamem Malen und Zeichnen. Während meiner Anwesenheit nehme ich wahr, dass die kindliche Sicht größten Raum hat und auch vorsichtig ertastet und erfragt wird. Meine Tochter kann sich in diesem Rahmen frei äußern und Wünsche oder Vorschläge finden und formulieren. Die Einzelgespräche ohne Kind sind vertiefend und positiv und haben mir in meiner Haltung wieder neuen sicheren Boden gegeben und darüber hinaus Anregungen zur persönlichen Entwicklung vermittelt.«
Die Ansprechpartner aus den Einrichtungen treffen sich vier bis sechsmal Mal pro Jahr, tauschen sich aus und planen Veränderungen, die immer wieder in den Abläufen notwendig sind. Aus der regionalen Zusammenarbeit ist eine intensivere Wahrnehmung der einzelnen Einrichtungen untereinander entstanden.
Eine Schule – vier Standorte
Zeitgleich mit der Beratungsstelle entstand die Initiative der »Vierschulenkonferenz Hannover – eine Schule, vier Standorte«. Seit 2010 treffen sich die vier Waldorfschulen in Hannover zusammen mit der Waldorfschule Hildesheim an zwei Konferenztagen im Jahr. Das Ziel der Vierschulenkonferenz ist die gegenseitige Wahrnehmung und das Angehen und Bearbeiten von gemeinsamen Aufgabenstellungen. Daraus entstanden sind Ideen wie eine Eurythmiemonatsfeier der vier Waldorfschulen oder die Überlegung, ein gemeinsames Oberstufenkolleg in Hannover einzurichten. Die regionale Zusammenarbeit hat sich auch auf das Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft förderlich ausgewirkt.
Beruf: Waldorftagesmutter
Ein weiteres Projekt entwickelte sich aus der gehäuften Anfrage von Eltern nach Betreuungsplätzen für Kinder in den ersten drei Lebensjahren. Die Waldorfwelt in Hannover bietet zu wenig Kleinkindbetreuungsplätze an. So wurde das Berufsprofil »Waldorftagesmutter« entwickelt. Im Sommer startete eine Waldorf-Fortbildung für Tagesmütter in Zusammenarbeit mit einer städtischen Tagesmuttereinrichtung. In einem zweiten Schritt sollen Standards für Waldorfpädagogen erarbeitet werden, die Kinder in den ersten drei Lebensjahren als Waldorftagesmutter betreuen. Das ferne Ziel ist, Tagesmütter im Umkreis der Waldorfkindergärten anzustellen und eine Vermittlungsstelle einzurichten.
Zur Autorin: Heike Oberschelp ist Klassenlehrerin an der FWS Hannover-Bothfeld.