Es signalisiert: Ich bin dem nicht mehr gewachsen, verliere meine (alte) Souveränität, Daseins- und Verhaltenssicherheit. Angst kann lähmen und mich in meiner Entwicklung zurückwerfen oder blockieren, sie kann aber auch wachmachen, stimulieren, mich auffordern, alte Gewohnheiten über Bord zu werfen. Angst gehört zum Leben, zu den Entwicklungsschritten und Reifungsprozessen des Menschen, wenn er Neuland betritt. Schockartige oder traumatische Erlebnisse können uns hingegen ein Leben lang in Angstkäfige sperren und uns zu unterschiedlichsten Ausweichmanövern oder Verschiebungen veranlassen.
Als ich mich auf dieses Heft vorbereite, fällt mein Blick auf einen berühmten Klassiker, den mir mein langjähriger Kollege Klaus Schickert einmal zum Geburtstag schenkte. Grundformen der Angst von Fritz Riemann. Sehr ungewöhnlich für einen Psychoanalytiker seiner Zeit geht er davon aus, dass die »Arten des In-der-Welt-Seins« sich in den kosmischen Gesetzmäßigkeiten spiegeln, die uns als Erdenbewohner impulsieren: die Rotation der Erde entspricht dem Um-sich-selbst-Drehen des Individuums; der Umlauf der Erde um die Sonne dem Bezug auf ein größeres Ganzes; die Schwerkraft dem zur Erstarrung und Tod neigenden Auf-der-Erde-Sein und schließlich die Fliehkraft dem grenzüberwindenden Aus-der-Bahn-
gezogen-Werden. Diese antinomischen kosmischen Gesetzmäßigkeiten fordern uns laut Riemann dazu auf, einerseits ein einmaliges Individuum zu werden und gleichzeitig sich in einen sozialen Zusammenhang einzuordnen, einerseits auf der Erde stabile und dauerhafte Verhältnisse zu schaffen, andererseits uns zu wandeln und immer weiterzustreben.
Der Autor leitet daraus vier Ängste ab. Die Angst vor Hingabe, die Angst vor Selbstwerdung, die Angst vor Veränderung und die Angst vor der Notwendigkeit. Als seelische Reaktion rufen sie jeweils gegensätzliche Vermeidungsmuster hervor: Sie machen uns zu ihren Gefangenen, indem wir uns entweder an der alten Ordnung festklammern oder permanent chaotische Verhältnisse schaffen, beziehungsweise uns in unserem Ego verlieren oder in der Masse verschwinden. Der Mensch steht also in der Angst, sein Ich zu verlieren oder sich hinzugeben, in der Spannung abhängig oder isoliert zu sein, wohl wissend, dass er seine Selbstwerdung im Du, im Sozialen erst erfährt. Er steht in der Angst, sich zu verändern, wohl wissend, dass sein Dasein ehernen Gesetzen und Notwendigkeiten unterliegt.
Es gilt, einen Ausgleich – die kosmische innere Harmonie – wiederherzustellen, indem wir unsere Ängste wahrnehmen, anerkennen, mit ihnen arbeiten und sie verwandeln.