Demokratie ist gut und schön, aber nur dort, wo sie am Platz ist. Und am Platz ist sie nicht, wenn es darum geht, zu entscheiden, wie unsere Kinder am besten erzogen werden, wie sie körperlich, seelisch und geistig gebildet werden. Das ist eine Frage der Menschenerkenntnis, der Entwicklungspsychologie, einer pädagogischen Einsicht, die den gesamten Menschen in den Blick nimmt. Wie wirken sich bestimmte Erfahrungen aus, die unsere Kinder im achten, zehnten, vierzehnten Lebensjahr machen, wenn sie dreißig oder vierzig Jahre alt sind? Wie wirken sich ihre Schulerfahrungen unmittelbar aus, auf ihre Seele, ihren Geist, ihre Persönlichkeit, ihre sozialen Fähigkeiten? Dass die verfrühte Einschulung für die Gesundheit der Kinder gefährlich ist, wissen wir. Dass das dreigliedrige Schulsystem soziale Unterschiede zementiert, wissen wir auch. Dass der Selektionsdruck krank macht, ebenfalls. Die staatlichen Schulen müssen sich ändern. Aber sind Wahlen und Abstimmungen das richtige Mittel, um diese Änderungen herbeizuführen? Wohl kaum.
Nehmen wir an, wir hätten die optimalste Form von Schule, von Pädagogik gefunden und die verantwortlichen Landespolitiker hätten sich entschlossen, sie zu verwirklichen: was hindert die nächste Koalition daran, sie durch eine schlechtere zu ersetzen? Bildungspolitik ist zwar ein wichtiger, aber nur ein kleiner Teil von Wahlprogrammen. Wenn wir gegen Steuererhöhungen sind oder gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, dann stimmen wir immer auch über Schulpolitik ab, auch wenn wir das gar nicht bemerken. Und immer entscheiden Mehrheiten über Minderheiten, auch wenn letztere noch so groß sind oder gar die schweigende Mehrheit, die nicht wählt oder abstimmt. Immer will ein Teil der Menschheit den anderen Teil mit jenen Lösungen beglücken, den er selbst befürwortet. Demokratie ist gut. Aber sie könnte noch besser werden. Sie könnte nämlich zu einer wirklichen Selbstbestimmung werden: nicht mehr politische Mehrheiten, nicht mehr der Staat, die Kultusbürokratie entscheiden, was für eine Schulform, was für eine Pädagogik betrieben wird, sondern die Schulen, die Eltern. Und zwar jede Schule für sich, jedes Elternhaus für sich. Das wäre radikale Demokratie, radikalisierter Föderalismus.
Wie soll das gehen? Lasst die Pädagogen selbst entscheiden, was für eine Pädagogik sie machen wollen. Lasst die Schulen, an denen die Pädagogik schließlich betrieben wird, selbst entscheiden, ob sie Montessori- oder Waldorf- oder Pauk- und Selektionsschule sein wollen – oder was auch immer. Lasst viele Blumen blühen und überlasst es den Eltern, für ihre Kinder die nach ihrer Ansicht und Einsicht beste Pädagogik zu wählen. Dann hätten wir in Zukunft schlimmstenfalls nicht alle vier Jahre eine neue Schule, die aus großen Kübeln über das Land gegossen wird, sondern wir hätten immer viele Schulen gleichzeitig, zwischen denen wir wählen könnten. Zugegeben: auch das wäre ein Experiment. Aber ich garantiere: wenn die Schulen alle zu den gleichen Bedingungen anträten, finanziert nicht durch kaum durchschaubare Transferleistungen einer aufgeblähten Bürokratie, sondern durch Bildungsgutscheine, die die Eltern verteilen, wenn die Eltern zwischen einer Vielfalt von Angeboten frei wählen könnten, dann würde es nicht lange dauern und Spreu und Weizen wären getrennt.
Was für eine Lehre sollten wir also aus der Schlacht von Hamburg ziehen? Schaffen wir die Politisierung von Bildung ab. Überlassen wir den Eltern und Pädagogen das Feld. Beschneiden wir dem Staat seine Rechte (wir sind der Staat, wir können und dürfen das!) –, oder beschränken wir sie auf ein Minimalmaß von Aufsicht, darüber zum Beispiel, dass eine Schule die Grundrechte nicht verletzt. Führen wir also eine letzte Abstimmung herbei: die Abstimmung, die alle weiteren Abstimmungen erübrigt, die Abstimmung für ein wirklich freies Schul- und Bildungswesen.
Links: Mehr Demokratie, Aktion Mündige Schule, Volksinitiative Schule in Freiheit Berlin