Die von mir als siebte übernommene Klasse war mit ihrer Klassenlehrerin zum Abschluss an die Nordsee gefahren. Auch wegen der damit verbundenen Kosten versprach ich den Eltern, dass in der siebten Klasse keine Kosten für eine Fahrt auf sie zukommen würden. Wir wanderten von Schopfheim zum Schluchsee. Dadurch durfte es am Ende von Klasse 8 wieder etwas Größeres sein: Windsurfen an der Ostsee. Jedes Elternhaus hatte am ersten Elternabend des Schuljahres anonym einen leistbaren Maximalbetrag aufgeschrieben, im Idealfall sogar noch einen zusätzlichen Sozialbetrag. Damit hatte ich die Maximalsumme der Eltern und konnte planen, wie viel ich gegebenenfalls noch zusätzlich mit der Klasse erwirtschaften musste.
Ich selber hatte vor Jahrzehnten den Schritt vom »Plastikhasser auf dem Meer« innerhalb von wenigen Minuten zum begeisterten Laiensurfer gemacht und kenne ein liebgewonnenes »Stehrevier« auf Fehmarn. Eine kleine Schülergruppe sorgte für preiswerte Zugfahrkarten. Unser Quartier lag etwa vier Kilometer vom Surfpoint entfernt, weswegen wir uns mit Leihrädern ausstatteten. Der Surfkurs ging über vier Tage, jeweils drei Stunden am Vormittag. Die 37-köpfige Klasse wurde in drei Gruppen geteilt, hatte jeweils zwei Surflehrer und jeder (!) bekam Neoprenanzug, Brett und Segel. Am Ende war eine Prüfung für den Surfschein angesetzt. Und dann konnte man alles beobachten, was einen dazu bringen kann, so eine Aktion als menschenkundlichen Volltreffer für eine achte Klasse einzustufen.
Mit den Elementen, nicht gegen sie
Das Stehen auf dem Surfbrett ist ein ständiger Balanceakt und führt unweigerlich zu der Motivation, dieses hinzubekommen. Da unser Revier ein sogenanntes Stehrevier ist, man also an jeder Stelle der Wasserfläche stehen kann, waren die Hürden nicht gleich zu hoch: Man musste keine Angst vor der dunklen Fläche haben und man konnte aus dem Stand wieder aufs Brett klettern. Hat man diese erste Stufe halbwegs sicher gemeistert, geht es um das Aufrichten des Segels. Nur wenn man ganz zentriert ist, gelingt es. Nur wenn man das Segel hoch genug zieht, steht es (fast) von selber. Zieht man es hingegen zu weit, fällt man hinterrücks mit ihm wieder ins Wasser. Es geht also um wohldosierte Kraft! Hat man diese zweite Stufe erklommen, soll es ans Fahren gehen. Dafür braucht es ganz spezielle Verhältnisse von Segelstellungen zum Wind.
Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich vor Jahrzehnten fluchend auf dem Brett stand, weil es nicht in die richtige Richtung weiterging. Entweder drehte sich das Brett oder das Segel und zwar immer so, wie ich es nicht wollte. Und dann fuhr es mit einem Mal wie ein Blitz durch mich hindurch: »Du kannst nicht gegen die Elemente ankommen, du musst mit dem Wind und dem Wasser agieren!« – Mehr oder weniger Ähnliches machten nun meine Schüler durch und als ich einmal auf dem Wasser hörte: »Ich kann ja lenken!«, hüpfte mein Pädagogenherz. Dann kam der Prüfungstag. Es mussten ziemlich viele Fragen schriftlich beantwortet werden, etwa zu den »Ausweichregeln«. Denn auf dem Wasser gibt es keine »Vorfahrtregeln«! Zwei Schüler wollten morgens nicht mit, aber darauf ließ ich mich nicht ein. Nicht alle schafften die erforderliche Mindestpunktzahl. In den Gruppen gab es ein Nachgespräch und die Betreffenden holten durch ihre Antworten letztendlich dann doch noch die nötigen Punkte, sodass am Ende alle den Surfschein hatten und somit nun lebenslang Material ausleihen können. Einer der beiden, die am Morgen nicht mitwollten, bedankte sich am Ende bei mir dafür, dass ich ihn »gezwungen« hätte, mitzukommen.
Und was noch für ein gesamtheitliches Gelingen sorgte: Wir haben uns selbst verpflegt. Schülergruppen waren jeweils für alle Mahlzeiten eines Tages komplett verantwortlich. – Nach langen Debatten war es erlaubt, Handys mitzunehmen. Sie durften auf den beiden Fahrten benutzt werden. Vor Ort mussten sie abends vor dem Abendessen abgegeben werden, morgens legte ich sie vor dem Frühstück wieder raus. Die Nachmittage waren frei und damit auch die Handys für Fotos und die Erreichbarkeit.
Abends sind wir mit den Rädern an den Strand gefahren, wo man den Sonnenuntergang erleben konnte. Am Ende blieben wegen guten Wirtschaftens fast 2.500 Euro vom Budget übrig. So eine Aktion ist extrem wetterabhängig! Vier Tage Nullwind, aber auch Sturm hätten das Surfen unmöglich gemacht. Windsurfen ist letztendlich dann doch eine Natursportart. Wir hatten ziemlich viel Glück mit dem Wetter.
Für detailliertere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Zum Autor: Peter Elsen ist Eurythmielehrer an der Freien Waldorfschule Schopfheim und Mitarbeiter in der Eurythmielehrerausbildung und Notfallpädagogik.
Kontakt: peterelsen@posteo.de