Ausgabe 01-02/24

Lebenslust und Mut – als pakistanischer Jugendlicher in Europa

Lola Mercedes Wittstamm

Mahmoud hat Sommerferien – das kann langweilig werden! Er rechnet damit, die Tage wie immer mit seinem Kumpel Arif vor dem Supermarkt zu vertrödeln. Doch es kommt anders: Onkel Ji besucht Mahmouds Familie in ihrer Wohnung am Rand von Oslo. Und weil Mahmouds Vater Taxi fährt und Mahmouds Mutter beim Kochen ihre Ruhe will, zeigen Mahmoud und sein kleiner Bruder Ali dem Onkel die Stadt.

Onkel Ji würde gerne länger in Oslo bleiben, vielleicht auch herziehen, aber die Chancen stehen schlecht. Mahmoud findet es mit seinem Onkel ganz lustig, hängt aber am liebsten nach wie vor mit Arif rum. Derweil wünscht sich Ali Barbie-Puppen. Ali macht was? Als Mahmoud nach und nach versteht, dass sein kleiner Bruder keine Lust hat, dem Bild eine typischen, pakistanischen Jungen zu entsprechen, den sein Vater sich wünscht, fragt er nach und lernt seinen Bruder neu kennen. Denn Ali fühlt sich nicht als Junge. Mahmoud erlebt einen massiven inneren Konflikt: Wenn das die Eltern erfahren, die Jungs unten in der Platte oder die in der Schule – dann ist Schluss mit lustig. Doch er sieht seinen kleinen Bruder, der jetzt eine Schwester ist, und weiß eins: Wenn er sich nicht für sie einsetzt, dann wird’s richtig ätzend.

Mahmoud beschreibt aus seiner Sicht diese aufregenden Sommerferien. Ganz zart und fein erahnen wir, wie Ali sich fühlt, gefangen im eigenen Körper, in der Behauptung einer Identität, die nicht seine ist. Er will sich anders kleiden und andere Dinge spielen, mit der Mutter gemeinsam Filme im Fernsehen schauen, sich schminken und Choreographien tanzen. Während Alis innerer Konflikt immer mehr zunimmt, geht der Alltag weiter. Wenn Mahmoud einkaufen geht, erfahren wir, was und wie pakistanisch gekocht wird.  Aus seiner Sicht erleben wir, wie es sich so lebt als Kanake in Norwegen und wie die Norweger:innen oder gleich die Ministerpräsidentin Erna Solberg sich das Leben von Mahmoud so vorstellen. Gulraiz Sharif lässt Mahmoud seine Geschichte im vollen Slang erzählen. Es wird geflucht, es wird gealbert und immer wieder die Politik kommentiert, von der sich Mahmoud als asozialer Ausländer abgewertet fühlt.

Dieses Buch quillt über von Lebenslust und Mut, von Humor und Zuversicht. Und die Lesenden sind einer Familie ganz nah, die am Ende eines Sommers statt zwei Söhnen einen Sohn und eine Tochter hat.

Ey hör mal! wurde mit dem Buchpreis Luchs des Jahres 2022 (DIE ZEIT/Radio Bremen) ausgezeichnet.

Gulraiz Sharif: Ey hör mal! 208 Seiten, 15 Euro, Arctis ein Imprint der Atrium Verlag AG, 2022

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