So viele Länder – so unterschiedliche Lebenswelten. Doch zugleich – viele ähnliche Erfahrungen. Denn die Waldorfschulen Osteuropas sind noch jung – die ersten werden gerade zwanzig Jahre alt.
Mühsam wird die Anerkennung bei den Behörden gesichert und verbessert. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung hält sich hartnäckig die Vermutung, »Waldorf« sei nur etwas für leistungsschwache oder unerzogene Kinder. So müssen diese Schulen mit wenigen Kindern gute Erfolge im nationalen Schulsystem vorweisen – und gleichzeitig ihre waldorfpädagogische Besonderheit zur Geltung bringen. Das machte die 9. Sommertagung der Internationalen Assoziation für Waldorfpädagogik (IAO) in Mittel- und Osteuropa deutlich, die dieses Jahr in der Waldorfschule Bratislava stattfand.
Abgesehen von den finanziellen Problemen und fehlenden oder unzureichenden Räumlichkeiten haben die Waldorflehrer in Mittel- und Osteuropa vor allem eine Sorge: Die tägliche pädagogische Arbeit, die Elternarbeit, die administrative und die Öffentlichkeitsarbeit liegt ganz auf den Schultern weniger Menschen. Es gibt noch keine erfahrenen Pensionäre, die für Vertretungen einspringen, neue Kollegen einarbeiten, ausbilden und Vorträge oder Fortbildungskurse geben können. Soweit es schon vor 1990 anthroposophisch orientierte Arbeitskreise in diesen Ländern gab, hatten diese selten pädagogische Bezüge.
In Bratislava war immer wieder zu hören, wie wichtig den Kollegen die Unterstützung der waldorfpädagogischen Ausbildung und Fortbildung durch Dozenten aus dem »alten« Europa ist.
Mit großer Beteiligung wurde deshalb auch von den etwa 30 Teilnehmern aus elf Ländern das ausgesprochen dichte Tagungsprogramm aufgenommen. Neben den Dozenten aus Deutschland und Österreich waren dies vor allem die Initiatoren und Vertreter der waldorfpädagogischen Bewegung in Polen, Tschechien und der Slowakei, in Slowenien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, in der Ukraine und Russland. Es gab Vorträge von Wolfgang Schad, Michael Zech und Christoph Johannsen zu Menschenkunde und Unterrichtsgestaltung und zum anthroposophischen Schicksalsbegriff, ergänzt durch Gesprächs- und künstlerische Arbeitsgruppen.
Auf dieser Basis entstand in den Konferenzen, Einzelgesprächen und Begegnungen eine Atmosphäre der Kollegialität und gegenseitigen Unterstützung, die man sich auch für andere Weltgegenden öfter wünschte.