Schulz betont zunächst als pädagogische Grunderfordernis das Zeigen, wie es von der Geburt an in der leiblichen Anwesenheit von Eltern oder anderen vertrauten Personen Lebensgrundlagen schafft und auch für die Schule unverzichtbar ist; wir sehen aber, wie an die Stelle von Personen allmählich Bildschirme getreten sind, wie aus dem Zeigen ein Anzeigen geworden ist. Lehrkräfte werden zu technischen Beratern — Lernbegleitern — es wird ihnen mit technisch überprüfbaren Inhalten immer schwerer gemacht, Begeisterung für das Lernen zu erwecken. All das schildert Schulz anhand seiner Schulwirklichkeit, in der eine amtliche Bürokratie dem weisungsabhängigen Lehrpersonal Wege vorgibt.
Wie der Untertitel schon vermuten lässt, beschränkt sich der Essay nicht auf Analyse und Kritik der Digitalisierung, sondern ruft parallel dazu immer wieder die eigentlichen Voraussetzungen wirksamer Pädagogik in Erinnerung, wie zum Beispiel Vertrauen, zwischenmenschliche Atmosphäre und den «Triangulations-Vorgang», den der Soziologe Hartmut Rosa als «Resonanzdreieck» bezeichnet, und in dem Schulz eine «pädagogische Konstante» sieht – das Engagement der Lehrkraft für den vorgetragenen Stoff, der auch in der Waldorfpädagogik als Grundbedingung für guten Unterricht gilt. Diese Thematik wird im fünften Kapitel erneut aufgegriffen, wenn die Frage auftaucht, wer denn unter diesen Umständen überhaupt noch Lehrer:in werden will. Die Ausblicke auf kompetenzorientierte Benotung und andere digitalabhängige Neuerungen lassen den Beruf nicht gerade attraktiver erscheinen, aber Schulz weist mit Recht auf die Tatsache hin, dass es noch viele junge Menschen gibt, für die das Unterrichten ein echtes Anliegen ist.
Medienkompetenz ist ein wesentliches Element unseres Lebens geworden, und das Buch kann uns mit seinem Reichtum an konkreten Informationen die Augen öffnen für die Gefahren einer hemmungslosen Entwicklung, wie auch für die Herausforderung, unser Menschsein zu bewahren.
Nils B. Schulz: Kritik und Verantwortung. Irrwege der Digitalisierung und Perspektiven einer lebendigen Pädagogik. 152 Seiten, Claudius Verlag, 2023, 20 Euro.
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