Millionenheer unbezahlter Hilfskräfte

Mirella Weingarten

Sehr geehrter Herr Maurer,

mit Begeisterung habe ich Ihren Artikel begonnen zu lesen, ja, das sind die Themen unserer Zeit, die Angst der Eltern vor der unsicheren Zukunft und das Bedürfnis, den Kindern eine glatte, schulische Laufbahn vorzuebnen, was so nicht möglich ist und oft die Eltern in ihrer Hilflosigkeit zu Helikoptereltern macht.

Und dann stoße ich auf den Satz, dass die häusliche Unterstützung abnimmt, weil durch die zunehmende Berufstätigkeit der Mütter dem »Bildungssystem ein Millionenheer von unbezahlten Hilfskräften abhandengekommen ist«. Der dann auch nicht mehr kritisch reflektiert wird.

Ich bin froh, dass meine Mutter eine berufstätige Frau war, dass ich an ihr gesehen habe, wie viele unterschiedliche Aktivitäten neben dem Beruf möglich sind und wie viel Aufmerksamkeit sie uns Kindern trotzdem geben konnte. Und da sie eine begeisterungsfähige Frau war und ist, hat sich davon viel auf mich übertragen. Und das haben auch die begeisterungsfähigen Lehrer in meiner Schule damals getan: ihre Begeisterung auf die Schüler übertragen. Das hat durchaus meine intrinsische Motivation gefördert, und ich konnte so sehr selbständig sein in meiner schulischen Laufbahn und durchaus auch danach.

Das erlebt heute auch meine Tochter, und sie erlebt eine berufstätige Mutter, die sich begeistern kann, für vieles, aber auch für den eigenen Beruf. Dies schließt aber die Unterstützung des eigenen Kindes nicht aus, wenn ich es auch für falsch halte, mich bei den Hausaufgaben neben sie zu setzen. Wir Eltern können die Kinder anregen und motivieren, wir können ihnen zeigen, wie spannend es ist, in anderen Ländern oder hier fremde Sprachen anzuwenden, wir können mit ihnen beim Einkaufen rechnen und in der Natur beobachten, mit ihnen lesen, rennen, springen, kochen, basteln und so vieles mehr.

Mir fehlt in der Waldorfpädagogik oft die Akzeptanz neuer Lebenssituationen, die durchaus auch im pädagogischen Sinne einen ganz neuen Reiz haben und von der Schule unterstützt werden könnten. Wollen wir unseren Töchtern vorleben, dass die kinderreichen, dinkelbrötchenbackenden, webenden Mütter, die liebevoll ummantelnd immer präsent sind, die Frauen sind, die sie auch mal werden wollen? Ich bin dafür, dass sie ein weites Spektrum der Möglichkeiten kennen lernen, aber vor allem eines wissen: Dass das Berufstätigsein das Muttersein nicht ausschließt.

Mit freundlichen Grüßen und einem herzlichen Dank für diese wunderbare pädagogische Zeitschrift – die wiederum auch zu den Dingen gehört, die mich begeistern!

Ihre

Mirella Weingarten

Anmerkung: Ich habe bis 1988 (Abitur) die Rudolf- Steiner Schule Berlin besucht und meine Tochter (11 Jahre) ist heute in der 5. Klasse derselben Schule.

»Wie fördere ich mein Kind in der Schule?«