Zur Lehrerausbildung

Gerd Kellermann

Sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes!

Ich habe Ihre »Bekanntmachung zur Lehrerausbildung« im Novemberheft der Erziehungskunst gelesen. Ich bin entsetzt und habe beschlossen dazu folgenden Leserbrief an die Erziehungskunst zu schreiben.

Was soll das?

Für den Vorstand schreiben drei Mitglieder über die Lehrerbildung und verquicken munter Qualitätsentwicklung, Zertifizierung, Lizenzierung und Namensrecht und versteigen sich sogar in die Behauptung, dass »ohne die Lizenzierung eines Seminars durch den Bund der Freien Waldorfschulen (BdFWS) eine Aus- und Weiterbildung von Waldorflehrern nicht möglich ist.«

Und das alles, um eine kleine neue Initiative zu diskreditieren, die Akanthos-Akademie, die mit einem Seminar »Grundlagen der Waldorfpädagogik« Menschen für den Lehrerberuf interessieren will. Kanonen auf Spatzen?

Die Leistung von Menschen wird abgewertet

Dem Zweck dient dann auch noch insbesondere der Hinweis, dass der BdFWS die dort genannten Dozenten »nicht für geeignet hält, Waldorflehrerinnen aus- oder weiterzubilden.«

Ich distanziere mich als Mitglied des BdFWS in aller Form von dieser anmaßenden Behauptung. Ich kann – offensichtlich im Gegensatz zu den Autoren, die ausschließlich für sich, maximal für den Vorstand sprechen können – in Kenntnis einer der beiden Angegriffenen sagen und sogar den Nachweis führen, dass sie sehr wohl in der Lage ist, Waldorflehrerrinnen aus- und weiterzubilden. Den Inhalt und die Form dieser Aussage empfinde ich als empörend. Ich halte sie für eine Verleumdung und erwarte, dass die Vorstandsmitglieder sich hierfür entschuldigen.

Die Leistung der Institution BdFWS wird aufgewertet

Die Autoren schreiben, dass »ohne die Anerkennung und Lizenzierung eines Seminars durch den BdFWS eine Aus- und Weiterbildung zu Waldorflehrerinnen und -lehrern nicht möglich ist«.

Das ist falsch.

Die Ausgangslage: Die einzelnen Schulen sind frei in ihrer Lehrerwahl. Damit Menschen in Deutschland Lehrerinnen und Lehrer werden können, müssen sie in der Regel vom Staat aufgestellte Kriterien erfüllen. Das bedeutet für Lehrer, die vergleichbar den staatlichen Schulen Fächer unterrichten, dass sie diese studiert haben müssen. Die Befähigung, waldorfpädagogisch zu arbeiten, muss hinzukommen wird aber oft genug vernachlässigt.

Es gibt viele Ausbildungskonzepte ohne den BdFWS

Manche Schulen sorgen für waldorfpädagogische Qualifikation durch eigene Ausbildungskonzepte, manche Lehrer tun es autodidaktisch. Dabei können sie jedes Seminar und jede Fortbildung besuchen, die angeboten wird. Die Schule, an der sie arbeiten, setzt die Kriterien dafür, ob sie adäquat befähigt sind.

Die Waldorfschulen haben sich entschieden, für eine eigene Lehrerbildung an eigenen Ausbildungsinstituten zu sorgen. Sie stellen dafür Mittel zur Verfügung. Richtig ist, dass der BdFWS diese Mittel einsammelt und verteilt.

Der BdFWS lizenziert nicht und zertifiziert nicht

Um das zu leisten, nämlich den Schulen, die dafür bezahlen, die Qualität der Ausbildungen und den Ausbildungsstätten die Ansprüche der Schulen an die Lehrerbildung zu vermitteln, wurde ein Ausbildungsrat geschaffen. Um den Geldbedarf der Seminare den Schulen zu vermitteln und die Mittel der Schulen gerecht aufzuteilen, wurde ein Finanzierungsrat geschaffen. Beide Gremien haben beratenden Charakter.

Ich habe persönlich als Vorstandsmitglied an der »Installierung« dieser Räte mitgewirkt, war lange Mitglied des Ausbildungsrates. Es war und ist nicht die Aufgabe der Räte oder des Vorstandes, zu zertifizieren oder zu lizenzieren. Sehr wohl aber werden Konzepte geprüft, diskutiert und begutachtet. Der BdFWS kann über die Zuweisung der Mittel steuernd eingreifen.

Die Anerkennung durch den BdFWS führt nicht zu einer staatlichen Anerkennung

Die Ausbildungen, die durch die Schulen und die Studierenden finanziert werden, sind zum Teil Weiterbildungen, zum Teil grundständige Ausbildungen. Letztere entstanden insbesondere für die Tätigkeitsfelder, für die staatliche Hochschulen gar nicht ausbilden. Das sind Klassenlehrerinnen und -lehrer und Eurythmielehrerinnen und -lehrer. Solche grundständigen Ausbildungen sind ohne weitere staatlich angebotene Ausbildung berufsqualifizierend.

Falsch ist hier die Aussage: »die an diesen Ausbildungsstätten erworbenen Zertifikate sind vom BdFWS und dadurch auch bei den jeweiligen Landesbehörden anerkannt«. Richtig ist, dass viele Ausbildungen nur freiwillige Zusatzausbildungen sind, die gar nicht zur Genehmigung als Lehrer beitragen, sehr wohl aber zur Qualität »Waldorf«. Es ist das Interesse der Schulen, insbesondere der Kinder und Eltern, diese Qualität zu erfahren, und der Staat kümmert sich da nicht um Anerkennung.

Die berufsqualifizierenden Ausbildungen prüft der Staat sehr genau und setzt die Bedingungen der Anerkennung. Das Seminar in Stuttgart wurde zur Hochschule, um diese Anerkennung zu haben und erhielt sie nicht durch die Lizenzierung des BdFWS. Das Seminar in Witten hat durch die Unterstützung der Schulen des Landes NRW beim Ministerium diese Anerkennung erreicht in Form einer Rechtsverordnung und nicht durch eine Lizenzierung des BdFWS.

Ich habe als Dozent in Witten und als Sprecher der Schulen des Landes NRW viele Verhandlungen mit dem Ministerium geführt. Dabei war es hilfreich, sagen zu können, dass wir selbst im BdFWS für Qualitätskontrolle und -entwicklung sorgen, aber eine Lizenzierung durch den BdFWS war nicht der Grund und auch nicht Gegenstand einer Anerkennung. Im Gegenteil sorgte der BdFWS häufig für Irritation.

Bleibt die Frage: Was soll das?

Gerd Kellermann