Die KulturScheune in Schwäbisch Hall. Vom Stadtteilprojekt zur überregionalen Kulturarbeit

Markus Stettner-Ruff

Alles fing mit einer Baracke an: Eine heimische Firma stiftete sie als provisorischen Kinder- und Jugendtreff, der zu bestimmten Zeiten von Sozialarbeitern der Stadt betreut werden sollte. Doch wohin diese Baracke stellen? Sobald von der Stadtverwaltung ein Ort ausgesucht wurde, entstand am nächsten Tag eine Bürgerinitiative, die erklärte, warum das gerade hier keine gute Idee sei.

Drogenspritzen auf dem Pausenhof?

Schließlich wurden wir gefragt. Unsere Schule liegt am Rand eines Wohngebietes, im Areal des alten Teurershofes, nach dem der neue Stadtteil benannt ist. Zu diesem Zeitpunkt war ich Elternvater an unserer Schule und im Stadtrat – also auf beiden Seiten nahe dran. Ich sah darin für unsere Schule die Chance, an den sozialen Ursprungsimpuls der Waldorfschulbewegung anzuknüpfen und im Stadtteil einen ersten Berührungs- und Kontaktpunkt zu setzen – zu den Kindern, Jugendlichen und deren Eltern. Und wir konnten gleichzeitig der Öffentlichkeit zeigen, dass wir es mit unserer Offenheit, Toleranz und Gemeinnützigkeit ernst meinen.

»Da liegen dann in den Ecken des Pausenhofes die Drogenspritzen herum!« – diese Bemerkung eines Lehrers zeigt, dass die Ängste und Vorbehalte groß und die Entscheidungsprozesse in Kollegium und Elternschaft nicht einfach waren. Doch die Baracke wurde auf dem Schulgelände errichtet und diente viele Jahre Kindern und Jugendlichen des Stadtteils als Treffpunkt. Keine der vielen Befürchtungen trat ein. Heute ist die »KiKiKiste« kostenfrei in den Besitz der Schule übergegangen und wird als Handarbeitswerkstatt und Heimat für die Nachmittagsbetreuung genutzt.

Der »Scheunensommer« war Kult

Als wir uns entschlossen, die große Hofscheune zum Saal mit 600 Plätzen umzubauen, flossen die beschriebenen Erfahrungen mit ein. Wir nannten den neuen Raum mit Absicht »KulturScheune«. Schule als soziokulturelles Stadtteilzentrum war unser Anspruch, die »Soziale Skulptur« unser Motiv. Bibliothek, Kultur-, Werk-, Sport-, Musik-, Bewegungs-, Theater-, Üb- und Versammlungsräume, Spielplatz, Schulküche »SoWieSo«, Oberstufen- und Stadtteil-Café … alles öffentlich und frei – ohne »Wenn-Dann-Gedanken«. Diese Haltung ermöglichte auch die ganz andere Art zu bauen – durch eine eigene Bautruppe, bestehend aus zwei Meistern und weitgehend vom Arbeitsamt finanzierten, jugendlichen und Langzeitarbeitslosen sowie einem Klassenlehrer, der im Vorberuf  Architekt war und zwei Jahre für die Planung und Umsetzung freigestellt wurde. Einer der Meister und Bauleiter, Rudolf Siebert, ist heute noch technischer Geschäftsführer der Schule. Lange Jahre war er auch Geschäftsführer des am Ende der Bauzeit gegründeten Vereins »Zukunftswerk Teurershof e.V.«. Die Gründung des Fördervereins war bis in den Namen hinein Ausdruck des Entwicklungsschrittes, den die Schule machen wollte.

Der Verein unterstützt seither die Freie Waldorfschule Schwäbisch Hall finanziell und ideell und hilft bei Projekten, die über den schulischen Alltag hinausgehen. Zum Beispiel liegt die Ehemaligenarbeit in seinen Händen. Außerdem fördert er die Durchführung von kulturellen und künstlerischen Veranstaltungen.

Mehr kulturelle Events, weniger gesellschaftspolitische Impulse

Es entfaltete sich ein buntes und anspruchsvolles öffentliches Kulturleben an der Schule. Die »ScheunenSommer« waren Kult. Tagsüber Bauhütte und Kinderferienprogramm, abends Kultur mit vielem, was das Herz begehrt. Legendär das Benefizkonzert der bekanntesten deutschen Hip-Hoperin NINA MC und ihrem »Doppel-X-Chromosom«. Nina Tenge war Schülerin unserer Schule. Das ehrgeizige Ziel, feste »eigene« Ensembles im Bereich Theater, Musik und Eurythmie zu etablieren, gelang zeitweise.

Schule und Zukunftswerk machten auf sich aufmerksam: außergewöhnliche Theater-, Musik- und Eurythmieprojekte; das »Internationale Jugendtheaterfestival«; das »BildungsForum«, das alle zwei Jahre stattfindende »Politikprojekt« der Oberstufe, in dessen Rahmen zum Beispiel das berühmte Freedom Theater mit Juliano Mer-Khamis auftrat; Veranstaltungen von »Netzwerk Waldorfpädagogik in Hohenlohe und Westmittelfranken«; Aufführungen des CIRKUS COMPOSTELLI – um nur einige Höhepunkte zu nennen, die neben dem anspruchsvollen »normalen« öffentlichen Kulturprogramm der Schule bis heute stattfinden. KulturScheune und SoWieSo werden regelmäßig für private wie öffentliche Kulturveranstaltungen und Feste von »außen« gemietet, manchmal inklusive Bewirtung und Catering durch das Zukunftswerk, das inzwischen einen guten Ruf genießt. Die Schule hat heute ein ausgesprochen positives Image in der Öffentlichkeit, in Stadtverwaltung und Gemeinderat. Das war vor 15 Jahren noch ganz anders.

Trotzdem muss man heute etwas ernüchtert feststellen: Das ehrgeizige Ziel, ein soziokulturelles Stadtteilzentrum zu werden und so die Welt und die Gesellschaft dauerhaft in die Schule zu holen und kulturelle und gesellschaftspolitische Impulse zu setzen, ist nur begrenzt gelungen. Für eine Gruppe der Bewohner des Teurershofes ist die Schule allerdings ein kleines Stückchen Heimat geworden: die russlanddeutschen Aussiedler. Sie feiern ihre öffentlichen und privaten Feste seit Anbeginn regelmäßig in den Räumen des Zukunftswerks.

Zum Autor: Markus Stettner-Ruff war zwölf Jahre Geschäftsführer und Oberstufenlehrer an der FWS Schwäbisch Hall, dann Dozent am Rudolf Steiner Institut Kassel. Seit 2014 ist er Geschäftsführer am Seminar- und Tagungshaus Quellhof e.V., Berater der FWS Crailsheim und Netzwerker für das Netzwerk Waldorfpädagogik in Hohenlohe und Westmittelfranken.