»Man kommt hier schnell zum Wesentlichen«. Das neue »Forum Zukunft Waldorfschule«

Petra Plützer

»Wir wollen mit unserem Forum nach Formen einer zeitgemäßen Waldorfpraxis suchen«, sagt Regina Ott, Lehrerin in Überlingen, Mitglied des Vorbereitungsteams. »Wir wollen einen Beitrag leisten, damit der Impuls der Waldorfpädagogik nach 100 Jahren weiter in die Zukunft getragen werden kann.«

Eingeladen waren alle Lehrerinnen und Lehrer im Alter bis 40 Jahre, Oberstufen-, Klassen- sowie Fachlehrer. In den vergangenen knapp zwei Jahren hatte es bereits mehrere kleinere konzeptionelle Treffen gegeben, auch einen ersten öffentlichen Auftritt beim internationalen Stuttgarter Kongress zum 100. Geburtstag der Waldorfpädagogik. Jetzt waren alle Schulen in Deutschland eingeladen – und das viertägige Treffen wurde ein voller Erfolg. Finanzielle Unterstützung kam von der Michael Stiftung, der Mahle Stiftung und der Waldorf Stiftung. Mit 45 Plätzen war der Kreis der Teilnehmer begrenzt – die Nachfrage war deutlich größer.

»Wir sind mitten im Generationswechsel unserer Schule angekommen. Die jüngere Generation muss jetzt Verantwortung übernehmen«, machte eine Teilnehmerin aus Hof deutlich. Die Oberstufenlehrerin für Deutsch und Geschichte kam vom staatlichen Gymnasium und machte ihre Ausbildung am nordbayerischen Wanderseminar. »Wir sind ein kleines Kollegium, ich war sofort voll eingespannt. Hier findet man nun Zeit zur Reflexion, zum Austausch, zum notwendigen Blick über den Alltag hinaus«, sagt sie.

Ort des Forums war das Tagungszentrum Waldschlösschen bei Göttingen. »Wir wollten uns in der Mitte Deutschlands treffen«, so die Hauptorganisatorin Alexandra Lenhardt aus Stuttgart, die mit vier anderen Waldorflehrerinnen zusammen das Vorbereitungsteam bildet. Trotz der günstigen Erreichbarkeit war man froh, die Runde zunächst einmal überschaubar gehalten zu haben, damit »ein Gefühl von Kollegium« entstehen konnte, wie es eine Teilnehmerin in der morgendlichen Gesprächsrunde formulierte.

Berufsbild & Gesundheit war der Themenschwerpunkt für dieses Frühjahrstreffen. Vier weitere Foren sind geplant, zwei pro Jahr. Das Vorbereitungsteam hatte sich ein inhaltlich intensives und facettenreiches Programm überlegt. »Hier kommt man gleich zum Wesentlichen, es braucht keine Anlaufzeit, das ist sehr angenehm«, meldete eine Teilnehmerin zurück. Dabei war die Gruppe sehr gemischt, nicht nur was den Anteil an Männern und Frauen anging, sondern auch die Erfahrungsbreite von der im grundständigen Studium ausgebildeten jungen Berufsanfängerin bis zum alten Hasen mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung als auch, was allgemein sehr begrüßt wurde, durch die rege Teilnahme von Oberstufenlehrkräften. »Eine bessere Zusammenarbeit, eine bessere Kenntnis voneinander, was Klassen- und Oberstufenbereich angeht, ist so wichtig«, betonte eine Klassenlehrerin aus Wahlwies.

»Aus der Phrase wird Konvention, aus der Konvention wird Routine, und dann ist die Waldorfschule tot«, warf Christof Wiechert, erfahrener Waldorflehrer und ehemaliger Leiter der pädagogischen Sektion in Dornach, provokant in die Runde. Kennt und lebt man im heutigen Schulalltag noch die eigentliche Idee, die hinter vielen liebgewordenen Konventionen der Waldorfschule steht? Das Kochlöffelschnitzen ist ein beliebtes, mit einem Augenzwinkern angeführtes Beispiel. »Kraftquelle der Begeisterung« hieß sowohl Wiecherts Vortrag wie auch sein Angebot einer Arbeitsgruppe. »Ein Mensch kann doch nicht müde sein, wenn er im Geiste leben soll«, zitierte er Rudolf Steiner. Die jungen Lehrer wieder an die Kraftquelle der eigentlichen Ideen anbinden – das war erklärtes Ziel seiner Mitarbeit. Simone Ziegenbalg aus Stuttgart, ebenfalls im Vorbereitungsteam des Forums, hatte zuvor in der für alle gemeinsamen Arbeit am Pädagogischen Jugendkurs Rudolf Steiners (GA 217) den Begriff der Erziehungskunst herausgearbeitet – entscheidende Grundlagenarbeit, die in den Arbeitsgruppen zu vertieften Gesprächen führen konnte. Auffrischung für die einen – Fortbildung für die anderen. »Ich arbeite bereits voll in der Oberstufe und muss meine Weiterbildung in Waldorfpädagogik erst noch machen. Da sind das hier wertvolle Inspirationen«, berichtete ein Berliner Oberstufenlehrer.

Mit dem anthroposophischen Arzt Paul Werthmann, dem Engelberger Schularzt Wolfgang Kersten und dem Stuttgarter Hochschuldozenten Tomáš Zdražil war das Thema Gesundheit in den Arbeitsgruppen kompetent abgedeckt. Unterstützt wurde die Arbeit durch Eurythmie mit Margarete Kokocinski vom Waldorflehrerseminar Mannheim, Heil­eurythmie mit Irene Ott und Sprachgestaltung mit
Dorothea Schmidt-Krüger.

»Ich wäre auch bis Hamburg gefahren, um dabei zu sein«, so eine Teilnehmerin aus Konstanz. Das muss sie auch das nächste Mal nicht. Digitalisierung & Konstitution der Kinder und Jugendlichen ist der Titel des zweiten Forums, das im Oktober 2020 ebenfalls im Waldschlösschen bei Göttingen stattfinden wird.

www.forum-zukunft-waldorfschule.de