Masern sind eine hochfieberhafte ansteckende Kinderkrankheit. Auslöser ist ein Virus, das durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Etwa zehn Tage später kommt es erstmals zu Fieber, Schnupfen, Husten und Bindehautentzündung: Das Kind sieht »verrotzt, verheult und verschwollen« aus. Teilweise finden sich in der Mundschleimhaut kleine, weiße Flecken. Nach etwa zwei Tagen – das Fieber kann dabei vorübergehend abfallen – steigt das Fieber oft über 40°C und es entwickelt sich ein kräftig roter, mittel- bis grobfleckiger, manchmal zusammenfließender Hautausschlag, der sich vom Hals nach unten bis zu den Gliedmaßen ausbreitet (»herunterregnet«). Er blasst nach drei bis fünf Tagen ab, das Fieber sinkt, und nach einer Woche ist das Kind nicht mehr ansteckend. Die Kinder wirken in dieser Zeit meist sehr krank, lichtempfindlich, weinerlich, die Gesichtszüge erscheinen weicher, das ganze Gesicht erscheint wie »aufgequollen«. Typisch ist der bellend-harte, oft quälende und hartnäckige Husten. Nach Abklingen des Fiebers benötigen die Kinder weiter Ruhe und eine ausreichende Erholungszeit, die mehrere Wochen dauern kann. Masern hinterlassen eine lebenslange Immunität. Ihre wesentlichen Risiken sind Ohrenentzündung, Lungenentzündung und die akute Gehirnentzündung. Über deren Häufigkeit gibt es unterschiedliche Zahlen, vielfach kursieren eindeutig zu hohe Angaben dazu.
Die Masern gestalten den ganzen Organismus durch: Nicht nur muss die Immunabwehr geleistet werden; das Immunsystem ist umfassend engagiert, der Ausschlag muss wieder abgebaut werden. Untersuchungen an fast 1.500 Kindern haben gezeigt: Die Motorik, die Geschicklichkeit, die Sprache und die allgemeine Entwicklung werden bei den meisten Kindern positiv beeinflusst. Aus dem Blut kann man nach Masern Faktoren isolieren, die Tumore verhüten. In großen internationalen Studien hatten Kinder, die eine Waldorfschule besuchten, weniger Allergien, wobei durchgemachte Masern eine wesentliche Rolle spielten. Damit haben die Masern nicht nur Risiken, sondern auch positive Folgen, was in der Diskussion wenig beachtet wird.
Die positiven Wirkungen von Masern werden wenig beachtet
Fast jeder, der mit »echten« Masern in Berührung kommt, erwirbt einen lebenslangen Schutz, selbst der vorher nur gegen Masern Geimpfte. Ähnliches gilt für Röteln, Mumps und Windpocken. Früher zirkulierten die Masern in der Gesamtbevölkerung. Etwa alle vier Jahre frischten fast alle Menschen dadurch ihren Schutz auf.
Die allgemeine Impfung hat die Zahl der Erkrankungen in der Bevölkerung gesenkt, seit etwa 1998 treten Masern nur noch vereinzelt auf. Doch sind die Wirksamkeit der Impfung und die Dauer des Impfschutzes nicht sicher. Über zehn Prozent der Erwachsenen erreichten auch nach einer Wiederimpfung keinen Schutz. Anders als bei der Tetanusimpfung gibt es keine Verbesserung der Wirkung mit jeder neuen Impfung (Boosterung). Die Vierfachimpfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken in einer einzigen Injektion wirkt schlechter als die bisher übliche dreifache gegen Masern, Mumps und Röteln.
Vor allem besteht die Gefahr, dass Masern in ungünstigen Altersgruppen auftreten: Bei Neugeborenen, in der Schwangerschaft oder in der Pubertät. Geimpfte Mütter haben einen weniger sicheren Schutz und können weniger Nestschutz nach der Geburt an ihren kleinen Säugling weitergeben. Auch sind Befürchtungen berechtigt, dass Geimpfte an Masern erkranken können. Dass diese Gefährdung auch eine Folge der allgemeinen Impfungen ist, wird allerdings kaum erwähnt.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO will die Masern weltweit ausrotten. Das ist verständlich, da in der Dritten Welt noch 2005 etwa 345.000 Kinder an Masern starben. Aber trotz aller Anstrengungen ist es fraglich, ob es jemals eine Welt ohne Masern geben wird. Dazu scheint es notwendig zu sein, dass sich die ganze Welt etwa alle zehn Jahre impfen muss, ohne sicheren Schutz für den einzelnen.
Da auch in Zukunft viele Kinder die Masern nicht mehr altersgemäß als Kinderkrankheit durchmachen können, ist daran zu denken, sie vor der Pubertät, in der das Risiko der Masernerkrankung deutlich ansteigt, zu impfen. So hätte man für die mit mehr Risiken belastete Pubertät und das Jugendalter einen Schutz erzielt.
In der letzten Zeit hat der psychologische Druck der Umgebung auf Eltern zugenommen, die ihre Kinder nicht impfen lassen. Nach dem Infektionsschutzgesetz können die Gesundheitsämter handeln: Wenn an einer Schule Masern auftreten, können ungeimpfte Kinder vom Schulbesuch ausgeschlossen werden. Damit soll die Übertragung der Masern innerhalb der Schule unterbunden werden. Die vielfältigen Fragen verlangen eine enge Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass das gut möglich ist – im gegenseitigen Achten und Respektieren eines vielleicht sachlich unterschiedlichen Standpunktes.
Hinweis:
Die Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (GAÄD) hat ein ausführliches Merkblatt zu Masern verfasst, das hier im Internet abgerufen werden kann.
Zum Autor: Dr. Karl-Reinhard Kummer arbeitet als Kinderarzt in Karlsruhe und betreut die dortigen Parzivalschulen als Schularzt.