Medien im Fremdsprachenunterricht

Ulrike Sievers

Sprache und Bild ergänzen sich

Eingebettet in den Kontext des Klassenzimmers dient die mündliche Sprache uns als vorrangiges Medium der Verständigung. Körpersprache und unmittelbare Sprache sind situativ, ermöglichen Begegnung und regen die Phantasie an. Das gesprochene Wort kann von Bildern begleitet werden. Mitgebrachte Objekte, bunte Tafelbilder, farbige Illustrationen sowie eigene Bilder im Heft können die Kinder zum Sprechen anregen. Bis in die Oberstufe dienen Bilder als motivierende Redeanlässe. Kunstpostkarten etwa sind ein geeignetes Medium, um durch gezielte Fragen die grammatischen Zeiten zu üben, sich in Situationen hineinzufühlen oder eigene Geschichten auszudenken. Jugendliche, die als Kinder Geschichten gehört und gelesen haben, kommen auch in der Fremdsprache zu erstaunlichen Ergebnissen, die sie meist begeistert miteinander teilen. 

Bei Buchvorstellungen und Referaten lernen die Schüler, ihre mündliche Darstellung durch eigene Illustrationen oder geeignete Abbildungen, zum Beispiel auf selbstgestalteten Postern, sinnvoll zu ergänzen und entwickeln so Fähigkeiten, die sich später auf digitale Präsentationsformen übertragen lassen.

Bücher als Tor zur Welt

Neben der gesprochenen Sprache sind Bücher das beste Medium, um in einen Sprachraum einzutauchen. Lesen fördert das Sprachverständnis und regt die Phantasie an, denn beim Lesen machen wir uns ein eigenes Bild. Ganzschriften lassen genügend Zeit, sich in die beschriebenen Welten und den entsprechenden Wortschatz einzufühlen und Zusammenhänge zu verstehen. Die Freude am Lesen wird durch schön gestaltete Lektüren gefördert. Schon Sechsklässler lieben es, sich aus einer Sammlung von Büchern mit unterschiedlichen Themen und Schwierigkeitsgraden ein Buch auszusuchen und selbstständig zu lesen. Solche extensiven Leseprojekte sind ideal für binnendifferenzierten, inklusiven Unterricht und laden die Kinder ein, die Welt der Bücher zu erkunden. 

Das Erlebnis, ein Buch in einer anderen Sprache zu verstehen, ohne jedes Wort zu kennen oder nachzuschlagen, fördert das Selbstvertrauen im Umgang mit Ambivalenz und schafft so eine wesentliche Voraussetzung für das Erlernen einer Sprache. Regelmäßige Leseprojekte bis in die Oberstufe öffnen das Tor zur Literatur und damit zur Welt, die wir erkunden wollen.

Der Ton macht die Musik

Während wir unser Lesetempo meist selbst bestimmen, setzt der Umgang mit Audio-Materialien einiges an Sprachverständnis voraus. Wir sollten die Kinder also in machbaren Schritten an dieses Medium heranführen. Nachdem wir in der siebten Klasse vielleicht auszugsweise in ein zur Lektüre passendes Hörspiel hineingehört haben, erhalten Neuntklässler die Aufgabe, die behandelte Lektüre in Gruppenarbeit in ein Hörspiel umzuwandeln. Dazu werden Dialoge geschrieben und Beschreibungen hörspieltauglich in Sprache oder Geräusche umgesetzt. Dann wird das Sprechen geübt. Dank moderner Handytechnik ist das Aufnehmen meist kein größeres Problem. Podcasts und Audiodateien können Oberstufenschülern helfen, sich an unterschiedliche Stimmen zu gewöhnen und Dialekte kennenzulernen. Besonders Originalaufnahmen berühmter Persönlichkeiten, wie zum Beispiel eine Rede von Martin Luther King, sind sehr beeindruckend. Da gemeinsames Zuhören allerdings leicht zu Passivität verleitet, setze ich Audiodateien nur gelegentlich und sehr gezielt im Unterricht ein.

Brief, Blog, Nachrichten und Twitter

Schrift hält Worte fest und Inhalte werden durch Raum und Zeit transportierbar. In Klasse 6 oder 7 können wir mit dem Briefeschreiben beginnen. Vielleicht finden wir sogar eine Partnerschule für einen Briefaustausch. Später kommen E-Mail und SMS als Textformen hinzu. Ein Blogging-Projekt in Klasse 9 regt zum Schreiben interessanter Beiträge zu vielfältigen Themen an und bietet Anlass, über Respekt, Privatsphäre und die Gefahren des Mobbing zu sprechen. Auf der UNICEF-Seite »Voices of Youth« sind junge Menschen aus aller Welt eingeladen, über ihr Leben zu erzählen. Dazu gibt es hilfreiche Tipps, was beim Bloggen zu beachten ist. Auch die EU fördert ein Internet-Portal, eTwinning, das einen geschützten Raum anbietet, in dem europäische Schulklassen in unterschiedlichen Sprachen miteinander kommunizieren können. Je mehr Kommunikationswege die Jugendlichen kennenlernen, desto freier können sie später wählen.

In Klasse 11 oder 12 bietet sich die Welt der Nachrichten und des Journalismus zur Erkundung von Sprache und Kultur an. Titelseiten von fremdsprachigen Zeitungen werden analysiert, Rubriken verglichen und über die Leserschaft spekuliert. Im Gespräch über Online-Auftritte verschiedener Zeitungen sowie Meldungen bei Twitter und Instagram wird die Bedeutung einer freien Presse thematisiert. Das anschließende Schreiben eigener Artikel und das Layouten einer Zeitung fordern nicht nur sprachlich heraus, sondern verlangen auch kritische Recherche, richtige Quellenangaben und die Gestaltung von Text und Bild. Dabei findet jede Gruppe ihren eigenen Stil und bewegt sich auf ihrem eigenen Sprachniveau. Ausflüge in die Welt der Werbung und Manipulation bieten vielfältige Redeanlässe.

Die Sprache der bewegten Bilder

Das Medium Film, in dem Bilder, Sprache, Körpersprache, Ton- und Lichteffekte zusammenfließen, hat heute eine besondere Präsenz. Zudem sind Filme ein effektiver Weg zum Sprachenlernen. Da ich die Unterrichtszeit allerdings lieber für das lebendige Gespräch nutze, ermutige ich die Jugendlichen, zu Hause Filme in einer anderen Sprache anzuschauen und so ihr Sprachenlernen selbstverantwortlich mitzugestalten. Informelles Lernen durch Bücher, Filme oder YouTube-Videos stellt in der Oberstufe eine wichtige Ergänzung des Sprachunterrichts dar.

Bei der Behandlung landeskundlicher Themen in der Oberstufe kann ein Film hilfreiches Anschauungsmaterial liefern. Zu Ereignissen des 20. Jahrhunderts gibt es zum Teil eindrucksvolle Dokumentationen oder Video-Mitschnitte, die durch ihre Authentizität berühren und die Jugendlichen zum Gespräch anregen.

Ein lohnendes Thema in Klasse 11 oder 12 ist die »Sprache des Films«. Die Analyse kurzer Filmabschnitte zeigt, dass Kameraführung, Film- und Schnitttechniken, Beleuchtung, Ton und Musik genauestens geplant und umgesetzt werden müssen, damit die Aussage stimmt und jede Szene die gewünschte Wirkung beim Zuschauer erzielt. Erstaunt stellen die Jugendlichen fest, dass es auch im Film ein überschaubares Repertoire an Stilmitteln gibt. Wenn sie dann selber ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte in ein Storyboard für einen Film verwandeln, wird ihnen bewusst, wie viele Entscheidungen nötig sind, um alle Elemente aufeinander abzustimmen und die Geschichte filmtauglich zu machen. Es bleibt ein Gefühl von Respekt für die viele Arbeit, die in einer Dokumentation oder einem kurzen Filmstreifen steckt.

Media literacy

Sprachenlernen erfordert und fördert Beweglichkeit. Die Gestaltung und Verwandlung unterschiedlicher Medien hilft den Schülern, Sprachen zu erleben und sich zwischen Sprachen zu bewegen. Durch den kreativen Umgang mit den verschiedenen Formen erlangen sie im Laufe der Jahre die Fähigkeit, zu beurteilen, welches Medium wie wirkt, wie gestaltet und zu welchem Zweck sinnvoll eingesetzt werden kann – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Medienmündigkeit. Weitere Einzelheiten zum Thema sind im Online-Kurs »Media usage and media literacy in FLL« auf www.e-learningwaldorf.de zu erfahren.

Zur Autorin: Ulrike Sievers ist Englisch- und Biologielehrerin an der Christian-Morgenstern-Schule in Hamburg und in der Lehrerbildung tätig.

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