Im Mittelpunkt standen das Matthäus-Evangelium und »Michel aus Lönneberga« von Astrid Lindgren. In einer schriftlichen Arbeit untersuchte Chiara Jänicke, was Michel mit Matthäus’ Geburtserzählung zu tun hat und was unsere heutigen Aufgaben sind.
»Michel war ein Lausejunge aus ‘nem Dorf in Schweden, nichts als dumme Streiche hatte er im Sinn«, das ist der Beginn der Titelmusik zu Astrid Lindgrens Erzählungen über den wohl bekanntesten Quatschkopf.
Dass der kleine Michel viel mehr als Quatsch im Kopf hat, bemerkt man vor allem in der Filmsequenz Als Michel das Fest für die Armen gab. Hier fängt Michel die gierige und verfressene Regentin des Armenhauses im Dorf, die Maduskan, in einer selbstgebauten Wolfsfalle und teilt seinen Weihnachtsschmaus mit den Leuten, die sonst durch ihre garstige Kommandora nie etwas abbekommen und selbst an Weihnachten hungern müssen.
Michel wird mit weißblonden, strubbeligen Haaren, großen Augen, Pausbäckchen und einem schelmischen Lachen dargestellt, aber der kleine Junge ist auch gütig.
Seine Neugier und sein Eifer machen ihn aktiv und tatkräftig, und wenn dieser Junge einmal eine Idee hat, so ist er von deren Umsetzung nicht mehr abzubringen.
Abendmahl in Lönneberga
Michel ist sehr glücklich, etwas geben zu können, als er kurz vor Weihnachten im Auftrag seiner Mutter einen Korb voller Leckereien ins Armenhaus bringen soll. Maßlos entsetzt ist er, als er erfährt, dass die Maduskan alle Leckereien für sich in Anspruch nimmt und sich weigert, sie zu teilen.
Entschlossen setzt er die Idee um, ein Fest für die Armen zu geben und alle aus dem Armenhaus zu sich auf den Hof einzuladen. Sein sonst so spaßiger Charakter zeigt sich hier sehr ernst und mitfühlend. Für die Armen wird er in der Geschichte zu einem Helden, die Maduskan nimmt hingegen die Rolle des ignoranten, egoistischen Bösewichts ein.
Es ist Weihnachten in Lönneberga. Weihnachten, das Fest der Liebe, das Fest der Familie, ein heiliges Fest. Das Fest, an dem der Geburt Jesu gedacht wird. Das Besondere an Jesus war unter anderem, dass er die Menschen alle gleich behandelte, er machte keine Unterschiede zwischen Armen und Reichen. Er selbst stellte sich in seinem Reden und Handeln nicht über die Menschen, sondern in ihre Mitte. Und Michel? Er holt durch seine Einladung zum großen Festmahl in Katthult die Armen vom Rande der Gesellschaft, an den sie durch ihre Lebensumstände gedrängt wurden, zurück in die Mitte der Gesellschaft. Er gibt ihnen das Gefühl von Zusammengehörigkeit und macht ihnen durch diese Einladung deutlich, dass auch sie es verdienen, die traditionellen weihnachtlichen Köstlichkeiten zu genießen und an dem Fest teilzuhaben. Und die Armen werden zu Tränen gerührt. Nicht nur wegen der Köstlichkeiten, die ihnen aufgetischt werden, sondern vor allem aufgrund der barmherzigen Geste, die Michel ihnen erweist.
In der großen Tischgemeinschaft sind bestimmte Aspekte von Jesu Abendmahl enthalten. Michel schafft Platz für die Bewohner des Armenhauses an seinem Tisch. Es gibt ein festliches Zusammenkommen. Und wie in der Geschichte vom Abendmahl, in der Jesus Brot und Wein teilt, teilt Michel das Essen mit den Armen und macht damit Weihnachten zu einem besonderen Fest. Dazu kommt, dass Michel dem Weihnachtsfest in den Köpfen der Armen eine neue Bedeutung gibt. Er taucht die dunklen Erinnerungen an Einsamkeit und Ausgestoßensein in ein neues Licht. Er bringt den Armen die frohe Botschaft, dass Weihnachten auch für sie ein Fest der Liebe ist. Das hat etwas Religiöses, denn Religion bedeutet für mich, mit einem offenen und barmherzigen Gedanken zu teilen.
Michels Tat wirkt auf die Armen mit Sicherheit wie ein von Gott gesandtes Geschenk und ist etwas ganz Wundervolles.
Die heilige Familie und die Katthulter
In der Geburtsgeschichte nach Matthäus wird Josef mit Charaktereigenschaften assoziiert, die jeder kennt. Vor der Begegnung mit dem Engel ist er fromm, konservativ, bodenständig, ernst und um Maria besorgt. Die Tatsache, dass Maria schwanger ist, lässt ihn nun überlegen, wie er sich geschickt aus der Situation stehlen kann, ohne Maria zu sehr zu schaden.
Die Begegnung mit dem Engel verändert ihn. Er übernimmt Verantwortung und stellt sich den Aufgaben, die vor ihm liegen. Er wagt sich auf neue ungewohnte Wege. Der Engel verkörpert eine Kraft, die in unserem Kopf, in unseren Gedanken und in unseren Herzen wirkt. Er vermittelt Klarheit und Besonnenheit und schafft Raum für Veränderung und Bewegung.
Maria ist eine gutherzige Mutterfigur, die sich um ihr göttliches Kind kümmert, obwohl sie auch zweifelt. Sie ist eine schutzspendende, liebevolle und unterstützende Figur. Das göttliche Kind selbst steht für Frieden, Trost, Geborgenheit und Lebendigkeit. Es kann Negatives in Positives verwandeln, ist gut und unschuldig, sorglos und unbeschwert. Es besitzt eine ungewöhnliche Kraft, mit der es Menschen heilt und Leben sowie Einstellungen verändern kann. Herodes ist der Gegenspieler des göttlichen Kindes. Er ist egoistisch, machtgierig, skrupellos, tyrannisch und unsicher. Sein Prinzip ist Abschreckung.
Vergleichen wir diese Beschreibungen aus der Geburtsgeschichte mit der Geschichte Michels, dann finden wir einige Dinge wieder und entdecken vielleicht auch neue.
Beginnen wir mit Josef. Erst habe ich gedacht, dass der Knecht Alfred aus Katthult etwas von Josef hat, denn Michels Vater ist definitiv zu ungeduldig und zu schnell erzürnt, um ein solch frommer und besonnener Charakter zu sein, als den ich mir Josef vorstelle. Aber auch Alfred, wenn er auch Verantwortung für Michel übernimmt, als die Eltern und die Schwester Lina weg sind, ist mir nicht nah genug an Josef dran. Er trägt einige seiner Charaktereigenschaften vor und nach der Erscheinung des Engels, aber das reicht für mich noch nicht aus.
Mir ist an dieser Stelle etwas Neues eingefallen. Alfred ist für mich wie ein Jünger Jesu. Er ist eine unterstützende Figur, hilft Michel und begleitet ihn in allem, was er tut.
Die heilige Mutterfigur der Maria findet man in Michels Mutter wieder. Sie ist gutherzig, und obwohl sie oft an ihrem Sohn zweifelt, weiß sie doch, dass er eigentlich fromm und gut ist. Dies kommt vor allem in der Szene zum Vorschein, in der sie nach dem weihnachtlichen Kirchenbesuch Gutes über Michel in ihr blaues Buch schreibt. Außerdem ist sie die Köchin des Weihnachtsschmauses und regt Michel zu Beginn der Geschichte an, den Korb mit den Leckereien als Spende zum Armenhaus zu bringen.
Der Engel tritt nicht direkt auf, sondern in Form einer Idee: Die Wandlung in Michels Verhalten, als er von der Boshaftigkeit der Maduskan erfährt und sich ein tollkühner Plan in seinem Kopf formt. Die Idee, die Bewohner des Armenhauses zu einem Weihnachtsessen einzuladen, das ist der Engel.
Das göttliche Kind ist nun zweifelsfrei in Michel selber zu finden. Obwohl der kleine Junge schelmisch ist und auch viel Unsinn treibt, hat er ein gutes mitfühlendes Herz. Und an Weihnachten möchte er Menschen glücklich machen.
Michel verkörpert Lebendigkeit. Er hat unglaublich viel Energie und Freude am Leben. Er ist unbeschwert, sorglos und positiv eingestellt.
Das böse Gegenstück zum göttlichen Kind ist die Maduskan. Sie ist egoistisch, herrschsüchtig und nutzt ihre Macht im Armenhaus aus, um die Anderen zu unterdrücken. Sie interessiert sich nur für sich. Ihr Prinzip ist auch die Abschreckung, da sie den anderen Bewohnern des Armenhauses mit Strafe droht, wenn sie ihre Anweisungen nicht befolgen. Dass sie aber auch sehr unsicher ist, zeigt sich, als sie in der Wolfsgrube gefangen ist und ihre Fassade bröckelt. In Not und Angst ist sie klein und schwach. Die Maduskan ist das Synonym für den tyrannischen Herrscher Herodes, der verhindern möchte, dass alle Menschen an der von Gott geschenkten Fülle des Lebens teilhaben dürfen.
Was können wir also für unser eigenes Leben aus der Weihnachtsbotschaft und aus der Geschichte von Michel mitnehmen?
Die Weihnachtsbotschaft von Michels Geschichte ist für mich vor allem eine Botschaft des Teilens und der Barmherzigkeit. Was mir in besonderer Weise aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass niemand ausgegrenzt wird. Soziale Ausgrenzung ist in unserer heutigen Gesellschaft ein dominantes Thema. Ob es um Schüler geht, die gemobbt werden oder um jemanden, der einfach eine andere Meinung vertritt, ob es um arme Menschen geht oder Migranten – Ausgrenzung ist ein No-go.
Die wichtigste Botschaft der beiden weihnachtlichen Geschichten ist, dass wir mit unseren Mitmenschen teilen, barmherzig und freundlich sein sollten und dass diese Botschaft das ganze Jahr Geltung hat.
Wir sollten niemanden ausgrenzen und an den Rand drängen. So etwas fällt immer auf uns selbst zurück und lässt Hass entstehen. Wir sollten uns alle in der Welt als ein Team sehen, als Gemeinschaft, die das Recht auf unversehrtes Leben hat. Der Wert eines Menschen wird nicht durch Besitz oder Geld definiert. Wir sind alle gleich.
Vielleicht, vielleicht werden wir irgendwann in der Lage sein, unsere Welt zu einem friedlichen und besseren Ort zu machen.
Zur Autorin: Chiara Jänicke besucht die 13. Klasse der Rudolf Steiner Schule in Mönchengladbach. Dieser Beitrag wurde als Facharbeit im Religionsunterricht verfasst.