So begann ein Lied des Release Music Orchestra, einer Jazz-Rock-Band aus den 1970er Jahren, die ihren Namen dem Release-Hof in Otterndorf verdankte. »Release«, zu deutsch »erlösen« oder »befreien«, nannten sich einige selbst organisierte Drogenentzugsstätten der Hippiebewegung.
Was damals für eine ganze Generation eine offensichtliche Absurdität war, klingt heute irgendwie normal. Nicht nur, weil 9/11 uns verändert hat, sondern weil die aus den Zeitnotwendigkeiten geborene Lust an Aufbruch und Veränderung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einem Absicherungswahn gewichen ist, der immer weitere Bereiche des Lebens durchdringt. Woher kommt diese Angst, die im Großen eine NSA und dergleichen hervorbringt, die aber längst zu einer kulturverändernden Kraft geworden ist? Und vor allem: Was kann man ihr entgegensetzen?
Wie stand es um die Sicherheit der Geschwister Scholl, von Mahatma Gandhi, von Nelson Mandela? Worin war sie begründet? Ganz sicher nicht in der äußeren Absicherung durch ein System von Versicherungen, gefüllten Bankkonten oder juristischen Finessen. Ihre Sicherheit bestand vielmehr in der Kraft von Überzeugungen, die stärker waren als alle Bedrohungsszenarien, denen sie sich durch das Eintreten für ihre Ideen aussetzten. Mit ihren Ideen konnten sie andere Menschen inspirieren, ihre Glaubwürdigkeit bewiesen sie durch ihren Mut und ihr Vertrauen in die Mitmenschen. Ist das nicht das Urbild jeder Erziehung zur Freiheit?
Die erste Waldorfschule entstand 1919 in einer chaotischen politischen Situation, die geprägt war von dem Trauma des Ersten Weltkriegs, Zusammenbruch, Armut, größter Verunsicherung. Rudolf Steiner begann seinen Kurs für die Lehrer damit, dass er ihnen zum Bewusstsein brachte, wie sie durch die Kraft ihrer Ideen eine Gemeinschaft des Mutes werden könnten, durch die das Zeitnotwendige in die Welt kommen könne. Dann entfaltete er eine Pädagogik, die auf ein fertiges Programm völlig verzichtete, stattdessen den werdenden Menschen in den Mittelpunkt rückte. Dieser Impuls war so stark, das es heute weltweit 1.200 Waldorfschulen und noch weit mehr Waldorfkindergärten gibt, Tendenz steigend.
Zugleich werden weltweit die Absicherungsnetze von Standards, Tests, zentralen Prüfungen und Genehmigungsverfahren immer engmaschiger und kleinkarierter geknüpft. Schule verkommt zu einer Legitimationsmaschinerie, bei der es nur noch darum geht, wer sich innerhalb der Standards behaupten kann. Die Waldorfschulen haben das Potenzial, dieser Entwicklung ein wirklich freies Schulwesen entgegenzusetzen, wenn sie ihre wichtigste Quelle, nämlich den werdenden Menschen selbst, hüten und stärken. Das ist die einzige Sicherheit, die auf Dauer trägt und substanziell etwas verändern kann. Haben wir dazu den Mut!
Henning Kullak-Ublick, von 1984 – 2010 Klassenlehrer an der FWS Flensburg; Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen und bei den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners, Aktion mündige Schule (www.freie-schule.de)