Kohärenz in der Küche

Ruth Kindt-Hoffmann

Vor einigen Jahren trafen sich Lehrerinnen und der Schularzt der Freien Waldorfschule Sorsum, ein Küchenchef und Projektentwickler für gesunde, ökologische Gemeinschaftsverpflegung, ein Hochschullehrer für Ernährungswissenschaften und zwei weitere Ärzte. Die freie Waldorfschule Sorsum stand vor der Aufgabe, eine Schulküche zu bauen und in ihr pädagogisches Konzept zu integrieren. Ganz unterschiedliche Motive bewegten das Team: Der Küchenchef wollte seine Fähigkeiten nicht mehr nur in Wirtschaftsunternehmen einbringen. Der Wissenschaftler und die anderen Ärzte waren an manchen Stellen unterwegs, sie litten unter der Not, dass gerade im Bereich der Ernährung, die bei der Prävention von Krankheit eine große Rolle spielt, Appelle keine Wirkung zeigen.

Schüler in der Schulküche Sorsum

Die Lage der Schule in einem Dorf unweit von Hannover bietet besondere Möglichkeiten für das Erleben und Gestalten in der Natur. Dieser konzeptionelle Ansatz wird seit 2008 durch die Mitarbeit der Schüler der 5. und 6. Klassen in der Küche und der 8. bis zur 10. Klasse bei der Essensausgabe vervollständigt. Jeweils zwei Schüler der 5. und 6. Klassen arbeiten an drei Tagen der Woche und in zwei Wochen pro Schuljahr von zehn bis zwölf Uhr in der Küche und beschließen ihren Einsatz durch ein gemeinsames Essen mit den Köchinnen, bevor die anderen Schüler den Essenssaal stürmen. Seit diesem Schuljahr hat die Küchenleiterin Angelika Wiesener die Betreuung der Schüler zur Chefsache gemacht. Wach und engagiert erlebt sie die Jugendlichen bei der Arbeit, vielfältig sind die Erfahrungen, die diese in solchen Stunden machen können: Das Essen entsteht aus frischen, überschaubaren Ausgangsstoffen, auf Fertigprodukte wird verzichtet, die Gemüsebrühe wird täglich morgens selbst zubereitet, je nach Jahreszeit können Kräuter, Gemüse und Früchte aus dem Schulgarten oder dem Küchenkräuterbeet geholt werden, das ein Achtklassschüler als Jahresarbeit angelegt hat. Und was beim Gemüse putzen anfällt und noch nicht seinen Platz in der Brühe findet, kann im Schulgarten kompostiert oder an die Tiere auf dem Gelände verfüttert werden: Esel, Schafe, Federvieh. Sich selbst erfahren die Schüler in ihren feinmotorischen Fertigkeiten und Grenzen und sie können einen Erwachsenen bei der Arbeit beobachten, der sein Handwerk beherrscht und mit schöpferischer Freude ausführt. Im Garten und in der Küche wird so der Weg der Lebensmittel vom Samen bis zur Frucht auf dem Teller erlebbar.

Die Schönheit des Essens und seine Wertschätzung

Dass die Schüler der 8.-10. Klasse bei der Essensausgabe mithelfen, hat verschiedene Gründe.

Ökonomische: Es ist natürlich nicht leicht, den oben genannten Ansprüchen zu genügen und den Preis für die Mahlzeiten in einem sozialverträglichen Rahmen zu halten, zumal auf einen hohen Anteil von Produkten aus biologischem und regionalem Anbau geachtet wird. Doch helfen die Schüler bei der Essensausgabe mit, spart man Geld. Frau Wiesener schafft es, dass die Schüler die Arbeit in aller Regel mit Freude und Gewinn tun. Sie lässt die Schüler erleben, dass es nicht gleichgültig ist, wie das Essen auf dem Teller landet, sondern dass es für denjenigen, der es ausgibt, und für den Empfänger gut ist, wenn ein ästhetisches Bild entsteht. Dieser ästhetische Anspruch wird von den Kindern auch nach Hause getragen; wiederholt berichten Mütter – deren regelmäßiger, aber überschaubarer Einsatz in der Küche unverzichtbar ist – dass die Kinder einfordern, der Salat solle so schön aussehen wie in der Schule.

Auch an manch anderer Stelle sind es die Schüler, die mit ihrer Wertschätzung Überzeugungsarbeit bei Lehrern und Eltern für das Konzept der Küche leisten. Diese Wertschätzung spiegelt sich in der Beteiligung der Schüler am Essen: 60 bis 80 Prozent gegenüber den sonst üblichen 20 bis 30 Prozent. Aber sie haben ja auch ein großes Glück mit ihrer Frau Wiesener, die mit so viel Kreativität ihre Speisepläne entwirft, um ihnen die vollwertige Ernährung schmackhaft zu machen und Mahlzeiten zuzubereiten, die Schüler und Lehrer für die Nachmittagsstunden gut ernähren, ohne zu stark zu belasten. Glück haben sie auch mit einem eigenständigen Küchenverein, der mit Geduld und Engagement zwischen Küche und Gesamtschulorganismus vermittelt, und mit Paten, die von außen die Entwicklung begleiten.

Die Schulküche macht gesund

Kohärenz wird erlebt, wenn ich verstehe, als sinnvoll empfinde und mitgestalten kann, was mir begegnet. Für dies alles bietet die Schulküche Raum.

Solche salutogenetischen Wachstums-Orte im Schulganzen zu erkennen, zu impulsieren und zu fördern ist eine der vielen schulärztlichen Aufgaben.

Bei der Entwicklung der Schulküche Sorsum spielt noch eine andere Art von Kohärenz eine Rolle: die Zusammenarbeit zwischen Lothar Kindermann, dem Schularzt der Freien Waldorfschule Sorsum, Reinhard Kindt, dem ehemaligen Schularzt an der Freien Waldorfschule Hannover-Maschsee und der Autorin, die sich seit 30 Jahren in einem monatlichen Arbeitskreis anthroposophischer Ärzte in Hannover begegnen.

In Zeiten knapper personeller und finanzieller Ressourcen sind meines Erachtens viele schulärztliche Tätigkeiten nur durch eine fruchtbare Vernetzung zu bewältigen. Aus dieser Notwendigkeit treffen sich die Schulärzte der Region Hannover seit dem vergangenen Jahr vierteljährlich zu einer Qualitätszirkelarbeit, damit, auch wenn alle von uns in Praxen und/oder ihrer Familie tätig sind, Kompetenz und Freude an dieser ärztlichen Tätigkeit wachsen können.