Der menschliche Leib – ein wunderbares Musikinstrument

Christoph Hueck

Was hat der Aufbau des Ohrs mit der Bewegung der Gliedmaßen und der Verdauung zu tun? Bestehen Zusammenhänge zwischen Musik und Stoffwechselchemie, und können diese sogar therapeutisch wirksam werden? Inwiefern ist Karma ein musikalisches Problem? Und wie hängt schließlich Musikalität mit dem Atemrhythmus und der Gehirnflüssigkeit zusammen? – Es sind keine alltäglichen Fragen, die Armin Husemann in seinem Buch aufwirft und die er als Arzt, Musiker und Anthroposoph in einer als grandios zu bezeichnenden Synthese beantwortet. Von den feinsten physiologischen Vorgängen, die das musikalische Hören als rhythmische Bewegung des Gehirnwassers begleiten, über den Mesokosmos musikalischen Fühlens bis zu makrokosmischen Perspektiven der Weltentwicklung spannt Husemann Verbindungen, die den inneren Zusammenhang von Stoff und Klang, von Materie und Musik erlebbar machen – und viele Aussagen Rudolf Steiners klären, wie zum Beispiel den Zusammenhang zwischen Lebertätigkeit und Musikalität, oder auch den Hinweis, dass Häkeln und Stricken in den unteren Klassen der Waldorfschule die Zahngesundheit fördert.

Das Buch behandelt die Leib-Seele Problematik in concreto: Was üblicherweise als die getrennten Weltbereiche des Bewusstseins und der Materie angesehen wird, überbrückt Husemann mit Hilfe der Musik als einer Innenansicht derjenigen Gesetze, die den Stoffwechsel beherrschen, und der Atmung als eines musikalischen Mittlers zwischen Seelenleben und Verdauung. Damit entwickelt er sein langjähriges Thema, den musikalischen Bau des Menschen, von einer mehr räumlichen in eine zeitlich-prozesshafte Dimension weiter: Musik als »der von der Besonnenheit beleuchtete (und im Stoffwechsel wirksame) Wille«, als »Beobachtung der Zeit von innen«. Die vielseitigen Gedanken sind wissenschaftlich dicht formuliert und setzen eine gewisse Vertrautheit mit der Musik, der Eurythmie und der Anthroposophie voraus. – Dieses Buch ist eine Fundgrube für Ärzte und Therapeuten, Pädagogen, Musiker und Menschenkundler, aber es will langsam gelesen werden. Dann regt es dazu an, sich selbst zur imaginativen Anschauung der Zusammenhänge aufzuschwingen, aus der heraus es verfasst wurde.

Armin J. Husemann: Der hörende Mensch und die Wirklichkeit der Musik, geb., 138 S., EUR 18,90, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2011