Der Oberstufenlehrplan und seine wissenschaftliche Aktualität

Dirk Rohde

Der Oberstufenunterricht unserer Waldorfschulen stellt vielseitige Herausforderungen an die Lehrkräfte. So soll er u.a. biographische Anregungen bieten, individuell gestaltet sein, den Waldorflehrplan ebenso berücksichtigen wie staatliche Auflagen, auf die neuesten Erkenntnisse der verschiedenen Wissenschaften eingehen und nicht zuletzt zum erfolgreichen Bestehen eines anerkannten Schulabschlusses führen.

Es ist daher begrüßenswert, dass unter der Herausgeberschaft von Albrecht Hüttig zehn Autoren für einen Aspekt dieser Aufgabenvielfalt eine maßgebliche Hilfestellung anbieten. Sie zeigen auf, wie sich zentrale Themen des Waldorflehrplans an den aktuellen erkenntnistheoretischen Stand einzelner Fachgebiete anschließen lassen.

Ein weiter Bogen wird gespannt: von den Naturwissenschaften und der Mathematik über die Fremdsprachen, den Literaturunterricht sowie der mittelalterlichen Literatur bis hin zur Geschichte. Die Aufsatzsammlung erschien pünktlich zum hundertjährigen Geburtstag der Waldorfschulbewegung. Der Titel deutet bereits an, dass es nicht nur um die aktuellen wissenschaftlichen Auffassungen geht, sondern auch um deren Herausbildung im Lauf der Erkenntnisentwicklung.

In diesem Prozess treten manchmal auch Standpunkte für eine längere Zeit in den Hintergrund, um dann aufgrund neu gewonnener Erkenntnisse wieder an Aktualität zu gewinnen. Es gelingt den Autoren aufgrund ihres profunden Wissens und ihrer akribischen Recherchen, die ermittelten Bezüge des Waldorflehrplans zum derzeitigen erkenntnistheoretischen Stand der Wissenschaften durchweg interessant, überzeugend und präzise darzustellen. Das gilt auch für Themen wie etwa die Auffassung der Erde als Lebewesen, die für den einen oder anderen Zeitgenossen durchaus ungewohnt sein mögen. Einen herausgehobenen Stellenwert nimmt die Auseinandersetzung mit dem Goetheanismus ein. Dessen Multiperspektivität kommt im phänomenologischen Unterrichtskonzept der Waldorfpädagogik zum Tragen. Seinem Verhältnis zur Wissenschaftsphilosophie des 20. Jahrhunderts ist ein eigenes Kapitel gewidmet.

In den übrigen Kapiteln wird in fachspezifischer Weise daran angeknüpft. Das Buch ist ein großer Gewinn für Waldorflehrer und Eltern. Ebenso können Oberstufenschüler davon profitieren, wenn sie über den Unterricht hinaus ihren fachlichen Interessen genauer auf den Grund gehen wollen.

Aber auch allen, die sich für die Waldorfpädagogik und ihren Lehrplan interessieren, sei das Buch ans Herz gelegt.

Albrecht Hüttig (Hrsg.): Wissenschaften im Wandel. Zum Oberstufenunterricht an Waldorfschulen, 391 S., EUR 66,–, Berliner Wissenschafts-Verlag 2019

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